Seit sechs Monaten hat die LSAP einen Manager. Der junge Ben Streff soll für andere die Wahlkampagne organisieren, hat selbst aber auch politische Ambitionen

„Sozialist duerch an duerch“

Ben Streff am Dienstag in der Parteizentrale  in Gasperich
Photo: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land du 16.12.2022

Rücktritt Wenn die LSAP am 20. Januar ihren Neujahrsempfang in einer Event-Location in der Robert-Goebbels-Straße in Schengen abhält, wird sie voraussichtlich verkünden, ob ihre nationale Spitzenkandidatin bei den Kammerwahlen im Oktober im Ost- oder im Zentrumsbezirk antritt. Paulette Lenert wohnt in Remich, der Nachbargemeinde von Schengen, könnte wegen der höheren Anzahl an zu vergebenden Mandaten aber auch im größeren Zentrumsbezirk kandidieren. 2018 hatte sie sich den Wähler/innen nicht gestellt, Étienne Schneider holte die hohe Beamtin als Quereinsteigerin in die Regierung, weil Nicolas Schmit sein Mandat nicht antrat, um 2019 EU-Kommissar zu werden. Die Zweitgewählte im Osten, Tess Burton, wurde „übergangen“. Das erzürnte Ben Streff so sehr, dass er und die anderen Jungsozialisten aus dem Ostbezirk geschlossen zurücktraten. Fast hätten sie den Aufstieg der beliebtesten Politikerin Luxemburgs verhindert.

Mit der Vize-Premierministerin hat Ben Streff sich längst versöhnt. Im April vergangenen Jahres wurde er Bezirkspräsident der LSAP Osten, Tess Burton und Paulette Lenert sind „seine“ Vize-Präsidentinnen. Seit sechs Monaten ist Streff auch Parteimanager der LSAP. Die Stelle hatte bis dahin in der Form nicht existiert, es waren die „Organisationssekretärin“ oder der „Koordinator“, die das Generalsekretariat der Partei leiteten. Sie waren meist Funktionäre ohne politische Ambitionen. Chantal Boly übernahm den Posten 2007, vor den Wahlen 2018 wurde sie von Pascal Husting abgelöst, im Februar 2020 kam Paul Delaunois, der vor den Sommerferien zur NGO Frère des Hommes gewechselt ist. Ben Streff ist mit 27 Jahren wesentlich jünger als seine Vorgänger/innen. Und er will eine politische Laufbahn einschlagen. In seiner Heimatgemeinde Berdorf möchte er in den Gemeinderat. Eigentlich wollte er in der kleinen Majorzgemeinde auf der Liste des amtierenden Bürgermeisters Joe Nilles von der DP kandidieren, doch nachdem er erfahren hat, dass darauf auch der ADR-Ehrenpräsident Jean Schoos antreten soll, hat er beschlossen, eine eigene Liste aufzustellen (Joe Nilles wollte diese Information auf Nachfrage weder bestätigen, noch dementieren, er bat uns lediglich, ihn mit solchen „Rumeuren“ zu verschonen). Auch bei den Kammerwahlen will Streff antreten.

Klassesch Lëtzebuerger Trotz seines jungen Alters ist Ben Streff seit zehn Jahren eine treibende Kraft der Sozialisten im Ostbezirk. 2009 trat er im Alter von nur 14 Jahren der Partei bei. Aus einer sozialistischen „Dynastie“ stammt er nicht. Seine Mutter ist Hausfrau, sein Vater war Angestellter bei der DZ Privatbank und ist inzwischen in Rente. Sie seien politisch interessiert, aber nicht engagiert gewesen: „Klassesch Lëtzebuerger“, sagt Ben Streff. Er selbst spielte Trompete in der Harmonie Berdorf und verfolgte die Fußballspiele der Union Sportive 01. Im Dorfleben ist er noch immer fest verankert, Weggefährten beschreiben ihn als „Sozialist duerch an duerch“, der bei keinem Dëppefest fehle und meist bis zum Ende bleibe. Den Ausschlag für seinen Beitritt zur LSAP gab neben seinem „ausgeprägten Gerechtigkeitssinn“ vor allem Nicolas Schmit, damals beigeordneter Minister für auswärtige Angelegenheiten und Immigration. Schmit, der ebenfalls in Berdorf wohnt, sei einer der besten Rhetoriker und – wie er selbst – geradeaus, schwärmt Streff, der heutige EU-Kommissar für Arbeit und Soziales sei damals für ihn ein Role Model gewesen. „Als die LSAP vor den Wahlen 2009 eine Veranstaltung in Berdorf ankündigte, schrieb ich Nicolas Schmit, um ihn zu fragen, ob ich kommen darf. Obwohl man ja eigentlich nicht zu fragen braucht“, erzählt Ben Streff im Gespräch mit dem Land.

Drei Jahre nach seinem Parteieintritt gründete er mit der Abgeordneten und Grevenmacher Gemeinderätin Tess Burton, dem früheren Abgeordneten und Echternacher Schöffen Ben Scheuer sowie ein paar anderen Nachwuchspolitiker/innen aus dem Osten die erste Regionalsektion der Jungsozialisten in Luxemburg. Streff wurde Präsident, heute zählt die Sektion 20 Mitglieder, Vorsitzende ist inzwischen Margot Delaunois, Tochter von Streffs Vorgänger im Generalsekretariat der LSAP, Paul Delaunois. Erst Anfang dieses Jahres hat sich auch im Südbezirk eine eigene JSL-Sektion gegründet, im Zentrum soll eine weitere folgen.

2014 zog Ben Streff nach Straßburg, um Wirtschaftswissenschaften zu studieren („Innovationsgeist hat mich immer interessiert“). 2016 tat er sich auf dem Landeskongress der Jungsozialisten mit der Forderung hervor, bei den Gemeindewahlen solle jedem Spitzenkandidaten ein junger Sozialist zur Seite gestellt werden, damit die LSAP wieder für die Jugend wählbar werde. Er selbst wollte wegen seines Studiums weder bei den Gemeindewahlen 2017 noch bei den Kammerwahlen 2018 antreten. Erst 2019 hat er seinen Master absolviert.

In den vergangenen beiden Jahren beschränkte sich sein politisches Engagement vor allem auf das Stellen von Forderungen nach einer Verbesserung des öffentlichen Transports im Osten. Mit Max Leners, Mitglied der LSAP-Parteileitung und Sekretär der Fondation Robert Krieps, hat er im Tageblatt und im Wort politische Meinungsbeiträge über die Wohnungsnot oder die Öffnungszeiten im Handel verfasst und für die Impfpflicht geworben.

Ben Streffs Hauptaufgabe in den nächsten zehn Monaten wird die Organisation der zwei Wahlkampagnen sein. Dazu hat die Partei ihm ein junges, fünfköpfiges Team zu Seite gestellt. Dazu gehören Max Molitor (Sohn des Radio 100,7-Journalisten Maurice Molitor), Mil Muller (Dirigent der Greiweldenger Musek), Marc Weirig, der Digital Communication Manager Max Fellerich und der (nicht mehr ganz so junge) frühere Journalist (d‘Land, Le Quotidien), Luxair Kommunikationsleiter und Radio 100,7-Direktor Marc Gerges, der sich um die inhaltliche Darstellung der LSAP in der Öffentlichkeit kümmert. Die wichtigen Entscheidungen treffen aber die „Kampa-Teams“, die sich hauptsächlich aus Mitgliedern der Regierung und der Parteileitung zusammensetzen.

Platzl Zwei Damit das Design der Wahlkampagne ihren hohen Zielen gerecht wird – mindestens 13 Sitze in der Kammer und in so vielen Gemeinden wie möglich gewinnen –, hat die LSAP die Kommunikationsagentur Platzl Zwei aus Salzburg engagiert. Sie hat bereits die Kampagne der saarländischen SPD für die Landtagswahlen gestaltet, bei denen die Sozialdemokraten im April den politischen Wechsel geschafft haben. Die SPD hatte im Saarland ihre Wahlkampagne auf die Popularität und das Charisma der neuen Ministerpräsidentin Anke Rehlinger zugeschnitten. Eine Strategie, die auch die LSAP 2023 mit Paulette Lenert verfolgen dürfte.

Um Inhalte geht es der LSAP zunächst nicht. Das Programm für die Gemeindewahlen soll erst beim Landeskongress am 11. März verabschiedet werden. Der nationale Wahlkampf wird nach den Kommunalwahlen am 11. Juni beginnen. Bislang setzt die LSAP vor allem auf Marketing und Kommunikation. Neue Mitglieder bekommen ein Welcome package und dürfen an einer Visite der Abgeordnetenkammer mit Mandatsträgerinnen teilnehmen. Neben der Gestaltung von Fotos und Plakaten und der Organisation von Wahlveranstaltungen und Kongressen ist der Parteimanager auch für Social Media Content zuständig: Erst kürzlich haben die Parteipräsident/innen Francine Closener und Dan Biancalana einen Podcast über Menschenrechte aufgenommen, im nächsten wird Max Leners mit Carole Reckinger von der Caritas über Armut diskutieren. Seit der Rentrée veröffentlicht die LSAP auf Facebook kurze Filmchen, in denen Minister/innen und Abgeordnete zu aktuellen Themen Stellung beziehen oder „Persönliches“ von sich preisgeben.

In den letzten sechs Monaten hätten sich über 100 Menschen den Sozialisten angeschlossen, insgesamt zähle die Partei 4 200 Mitglieder, sagt der LSAP-Manager. Er und sein Team haben im Sommer die Datenbanken aktualisiert und Karteileichen aussortiert; auch das gehört zu seiner Aufgabe. Am Erfolg von Paulette Lenert alleine will er es nicht festmachen, dass die Sozialdemokratie wieder „attraktiv“ geworden ist, wie die rezenten Umfragen gezeigt haben. Die Dynamik, die von der jungen Generation ausgehe, trage ebenfalls mit dazu bei, dass die LSAP als „modern und solidarisch“ wahrgenommen werde. Damit diese „Dynamik“ auch nach 2023 noch spürbar ist, muss die LSAP allerdings endlich wieder Wahlen gewinnen.

Unverbraucht Zusammen mit Leuten wie Max Leners, Amir Vesali, Maxime Miltgen, Lisa Kersch, Georges Sold, Liz Braz, Max Molitor, Elisha Winckel und Patrick Weimerskirch gehört Ben Streff zu einer neuen Generation von „unverbrauchten“ Politiker/innen unter oder um die 30, die sich in den vergangenen Jahren der LSAP angeschlossen haben und endlich die seit Jahren angestrebte Verjüngung der Partei umsetzen wollen. Lange Zeit schaffte es die LSAP nicht, sich personell zu erneuern. Das lag einerseits daran, dass alteingesessene Politiker/innen ihren Sessel nicht räumen wollten, andererseits fehlte es an Nachwuchs. Aus der Generation der heute 35- bis 45-Jährigen haben nur wenige (wie Taina Bofferding, Tess Burton oder Dan Biancalana) den politischen Aufstieg geschafft. Heute würden Jüngere eher „bäigelooss“, sagt Ben Streff, was auch dem Präsidentenduo („d‘Francine an den Dan“) zu verdanken sei, das selbst noch nicht so alt sei.

Den Erneuerungsprozess will auch die Fondation Robert Krieps unterstützen, die Anfang nächsten Jahres ein Buch mit Beiträgen von jungen LSAP-Politiker/innen veröffentlichen wird. Vielleicht wird daraus auch ersichtlich, wofür diese Nachwuchskräfte inhaltlich stehen. „Wir wollen die Zukunft vorbereiten“, antwortet Ben Streff auf die Frage nach seiner politischen Ausrichtung. Wohnungsbau und Bildung seien die Themen, mit denen die LSAP sich vorrangig beschäftigen müsse, wenn sie eine „gerechte Zukunftspolitik“ gestalten wolle.

Luc Laboulle
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