Wohnungssuche über Facebook und Co

Aufgepasst, bei der Traum-WG

d'Lëtzebuerger Land du 23.02.2018

„Es ist Betrug, das sieht man schon am niedrigen Preis“, warnt Nacho Erquida. „Der Vermieter behauptet, er sei nicht da und schickt Dir ein Foto, das er im Internet geklaut hat.” Den Kommentar hatte das Facebook-Mitglied unter eine Anzeige gepostet, die für Luxemburger Verhältnisse zu schön klingt, um wahr zu sein: Mitten in der City, 50 Quadratmeter für 800 Euro, 1 200 Kaution, im Vorfeld zu zahlen. Das Bild zeigt den Grundriss eines modernen, intelligent geschnittenen und komfortabel eingerichteten Studios.

Solche Warnungen tauchen auf der Seite der Facebook-Gruppe Colocation Luxemburg in regelmäßigen Abständen auf. In der geschlossenen Gruppe, die fast 9 780 Mitglieder aus aller Welt zählt, unter dem Titel Share a house Luxembourg, suchen vorwiegend junge Studierende aber auch Beschäftigte in Luxemburg nach einem Dach übern Kopf.

Colocation klingt wie gemütliches Zusammenwohnen, doch meistens handelt es sich um Zweckwohngemeinschaften. Es sind die hohen Mieten im Großherzogtum, die Anbietende und Nachfragende zusammenführen. Zwischen 500 bis 1 200 Euro kann ein Zimmer kosten; der Preis ist abhängig davon, ob auf dem Land oder in der Stadt, ob Garten oder Garagenplatz inbegriffen sind. Sogar Kosten fürs wöchentliche Reinemachen fallen manchmal an. Mit der Studi-WG, wie man sie sonst aus Metropolen kennt, hat diese Form des Zusammenlebens da nicht viel zu tun.

Wie oft Interessierte über die Facebook-Gruppe erfolgreich zusammenfinden und zu welchen Konditionen, ist unklar. Die Seiten sind augenscheinlich gut besucht: Kaum ein Tag, an dem nicht neue Inserate im Netz stehen, als Gruppenbild erhält man sie bequem per Facebook-Meldung.

Bevor ein Mietvertrag unterschrieben wird, sollte das Angebot allerdings sehr genau geprüft werden. Denn längst nicht alles, was auf der freundlich aussehenden Plattform feilgeboten wird, sieht seriös aus. Vielmehr scheint sich in der virtuellen Welt widerzuspiegeln, was sich bei den unzählige, wie Pilze aus dem Boden sprießenden Immobilienagenturen hierzulande ebenfalls beobachten lässt: Die Qualität schwankt beträchtlich und auf den Internetseiten sind nicht selten dubiose Anbieter unterwegs.

Bei einem Angebot beispielsweise für ein Haus im Süden des Landes, für das ausdrücklich Mitbewohnerinnen in der Altersgruppe zwischen 27 bis 36 Jahren gesucht werden, stellt sich bei genauer Lektüre heraus, dass der anonyme Inserent der einzige Hahn im Korb, pardon Mann im Haushalt ist. Das muss nichts heißen, aber die betonte Suche nach weiblichen Mitbewohnern mutet merkwürdig an.

Auf www.appartager.lu, das französischsprachige Pendant zur englischsprachig dominierten Colocation-Facebook-Gruppe, sehen manche Angebote so schmuddelig und die angepriesenen Zimmer derart schäbig aus, dass man die Bettflöhe schon auf dem Foto zu hüpfen sehen glaubt. 600 Euro für ein durchgelegenes Bett und einen wackligen Ikea-Schrank auf etwa zehn Quadratmeter zu verlangen, geht hierzulande, weil die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt groß ist, würde ein paar Kilometer jenseits der Grenze aber als Wucher gelten. Weil Luxemburg keinen Mietspiegel kennt, sind extreme Ausschläge nach oben (selten nach unten) in der Preisskala keine Seltenheit. Oft, sehr oft, hält die Leistung dabei nicht mit.

Hinzu kommt, dass sich nicht selten hinter einem Inserat gar kein künftiger WG-Mitbewohner verbirgt, sondern vielmehr windige Geschäftemacher, die einzelne Zimmer in Wohnungen ihrer Mehrfamilienhäuser vermieten: ähnlich wie bei Airbnb, wo immer seltener die Übernachtung beim neugierigen kosmopoliten Eigentümer mit WG- oder Familien-Anschluss im Vordergrund steht, geht es vielen bei Colocation, www.appartager.lu und anderen Plattformen ums Geschäft.

Das beginnt schon damit, dann man oft, noch bevor man ein Angebot überhaupt eingehender studieren kann, auf irgendwelche auf den ersten Blick gratis wirkenden Plattformen umgeleitet wird, oder gleich zu Immobilienagenturen, wie beispielsweise die Barresi Group. Im Internet lässt sich keine nähere Adresse finden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Agenturen für ihre Vermittlungsarbeit spätestens bei abgeschlossenem Vertrag Provision kassieren.

Unter den Adressen www.appartager.lu oder roomster.com wird unterschieden zwischen rudimentären Basisanzeigen und dem besseren Premium-Angebot, ausführlichere Informationen und vor allem genaue Lage und Anschrift zum begehrten Wohnobjekt gibt es dann nur zum Aufpreis des Premiumtarifs: er kostet bei www.appartager.lu 32 Euro für drei Monate. Selbstverständlich liegen alle halbwegs interessanten Angebote abgeschirmt hinter dieser Paywall. Eine angebliche Mitbewohnerin, Marie, empfiehlt das Angebot euphorisch allen ihren Freundinnen und Freunden. Sie habe auch durch Freunde davon erfahren. Es sei eine „geniale Seite“. Beispiel: ein zehn Quadratmeter großes Zimmer auf Kirchberg für läppische 710 Euro. Über das Apartment, in dem angeblich vier Menschen beiderlei Geschlechts wohnen, schreibt Yulia im betont fröhlichen Englisch: „Super easy to make friends.“ Und dann: „We have 25+ tenants in several duplexes in the same complex.“ Ob Yulia die Angestellte einer Immobilienagentur ist?

Nachweise, ob Angebote mit Vermittlungsgebühr tatsächlich bessere Resultate bringen, wie oft Interessierte erfolgreich vermittelt werden, gibt es nicht. Nachzufragen ist schwierig, die Internetseite www.appartager.lu ist in London mit einem Postfach gemeldet. Briefkastenfirmen gibt es nicht nur in Luxemburg. Und wer sich die Mühe macht, die Geschäftsbedingungen durchzulesen, stellt fest, dass der oder die Nutzerin im Problemfall sich selbst überlassen ist, sollte etwas nicht klappen oder sie auf Abzocker hereingefallen sein: Haftung übernehmen die Verantwortlichen von www.appartager.lu nicht.

Wer doch das Glück haben sollte, über diesen Weg ein akzeptables Angebot ausgemacht zu haben, nach einer Wohnobjektbesichtigung sogar den begehrten Mietvertrag ausgehändigt bekommt, sollte auch den genaustens studieren (gegebenenfalls übersetzen lassen): Immer wieder kommt es vor, dass Vermieter in ihren Verträgen Sonderauflagen und absurde Klauseln (nicht zu viel zu kochen oder Besuch nur bis zu einer bestimmten Uhrzeit) unterschrieben haben wollen. Dabei sind derartige Zusätze gesetzlich nicht erlaubt.

Ines Kurschat
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