Abgelegte Kleider aus Luxemburg sind von hoher Qualität und deshalb begehrt. Auch auf dem Weltmarkt

Wertstoff

d'Lëtzebuerger Land du 16.01.2015

Mindestens zweimal die Woche treffen sich die freiwilligen Helfer vom Frisinger Kleederschaf, um die Kleider zu sortieren, die jeweils am vierten Samstag im Monat entgegengenommen werden. Bis zu 15 Leute arbeiten beim Kleederschaf mit, erklärt Präsidentin Enza Hoffmann. Es gibt viel zu tun. Die Kleiderspenden füllen regelmäßig die ganze Garage und die Küche, in die Regale kommen allerdings nur die Sachen, die in gutem Zustand sind. Was schmutzig oder kaputt ist, kommt in Säcke der Kleidersammlung der gemeinnützigen Vereinigungen Aide aux enfants handicapés und Kolping. Die Garderobe der verstorbenen Großeltern meistens auch – dafür gibt es keine Kunden im Kleederschaf. Die Einnahmen aus dem Mindestbeitrag spendet der Kleederschaf meist an den Centbuttek, der damit Lebensmittel bezahlt. Oder die Vereinigung greift gezielt ein, wenn große Not herrscht. Vergangene Woche hat sie einer Familie, die in einem Hausbrand alles verloren hat, einen neuen Esstisch und Stühle bei Ikea geholt.

Neben der eher privaten Initiative Kleederschaf betreibt auch die Caritas in ihren Fairness-Centern in Esch, Redingen und Diekirch Kleederstuffen. Anders als im Kleederschaf, wo die Kunden sich für den Pauschalbetrag von fünf Euro einkleiden können, wird in den Kleederstuffen der Caritas jedes Kleidungsstück einzeln bezahlt, beispielsweise sechs Euro für eine Hose oder einen Rock. Die Einnahmen reichen nicht, um die Miete fürs Lokal zu decken, sagt Jérémie Langen von der Caritas. Das Ambiente im Fairness-Center in Esch steht im krassen Gegensatz zum Kleederschaf. In Frisingen haben die Freiwilligen mit gespendeter Farbe ein wenig renoviert, die Kleiderständer, die sie von ihrem wenigen Startkapital gekauft haben, passen nicht zum Rest der Einrichtung aus alten Holzschränken und Regalen. Wo es in Frisingen nach fröhlichem Chaos aussieht, obwohl alles strikt nach Kleiderart und -größe aufgeräumt ist, leuchtet im Fairness-Center in Esch die Neonbeleuchtung hell über den einheitlichen Regalen und den grau-marmorierten Fliesen. Dass die Kunden erstens einen kleinen Preis zahlen und zweitens das Lokal wie ein richtiger Laden aussieht, ist wichtig, sagen Langen und Eugenie Ney, Leiterin des Fairness-Center Esch, um die Würde der Kunden zu respektieren.

Das Fairness-Center ist täglich geöffnet, im Schnitt zählt Eugenie Ney 250 Kunden im Monat. Im Januar ist ein wenig ruhiger, „wegen des Winterschlussverkaufs“, sagt sie. Eine Karte vom Sozialamt ist in den Fairness-Centern der Caritas keine Voraussetzung zum Kleiderkaufen. Aber auch Caritas stellt einen großen Bedarf fest. Das Fairness-Center in Redingen wurde erst im September eröffnet. Nach zwei Monaten kamen regelmäßig 70 bis 80 Familien. In Esch und Diekirch kommen 100 beziehungsweise 150 Familien, allerdings vorwiegend, um Lebensmittel und Hygieneartikel zu kaufen. Die Caritas verkauft nur gespendete Kleider, kauft, anders als der Kleederschaf, der manchmal Frauenleggings, Strumpfhosen und Jeans für Teenager zukauft, um ein komplettes Angebot zu garantieren, nichts Neues ein. Die Caritas sortiert die Kleider in ihrem Zentrum in Strassen. Sie gibt ebenfalls die Sachen, die in schlechtem Zustand sind, an dritte weiter. Mit dem Roten Kreuz, Aide aux enfants handicapés und Kolping ist sie Gründungsmitglied von Tex-Aid, die ebenfalls alte Kleider in Containern und Säcken einsammelt.

Aide aux enfants handicapés hat in ihren 160 übers Land verteilten weißen Containern und während der jährlichen Kleidersammlung im Frühjahr 2014 1 602 Tonnen Altkleider gesammelt, erzählt Präsident Georges Weis. Auch sie gibt Kleider an bedürftige Familien, wenn die Sozialämter oder Ärzte ihr Bescheid sagen, aber nur die, die ihnen Privatleute direkt und in gutem Zustand bringen. Der allergrößte Teil, wird verkauft, nach Italien, Belgien in die Ukraine und nach Polen. Um die 30 Eurocent pro Kilo bieten die internationalen Händler, sagt Weis, Tendenz sinkend. „Die Nachfrage ist momentan nicht mehr so groß.“ Dennoch ist die Ware aus Luxemburg gefragt, berichtet er. „Jeden Monat erhalte ich zwei bis drei Telefonate von Händlern, die unsere Kleider abnehmen wollen.“ Die Qualität ist gut. Von den hierzulande gesammelten Kleidern könne er 65 bis 70 Prozent gebrauchen und als Kleidung weiterverkaufen, in anderen Ländern müssten bis zu 60 Prozent recycelt werden. „Wir sind ein wenig zur Wegwerfgesellschaft geworden“, sinniert Weis. Besonders jetzt, zum Winterschlussverkauf, seien die Container voll.

Keineswegs immer nur mit sauberen Sachen, wie Weis und Marie-Jeann Brauch von Kolping berichten. Aber alles werde weiterverarbeitet, versichert Weis. Für die Bauindustrie beispielsweise, als Dämmmaterial oder in Beton mitvergossen. Für die Automobilindustrie, die aus alten Kleidern Füll­material für Autositze und Verkleidungen herstelle. Sogar das Leder alter Schuhe werde neu aufgekocht und mit einem synthetischen Zusatz zu neuem Leder verarbeitet, aus dem wiederum Schuhe und Taschen hergestellt würden. Das Geld, das Aide aux enfants handicapés durch den Weiterverkauf der Altkleider einnimmt, verteilt die Vereinigung als Subventionen an andere Vereinigungen in Luxemburg.

Kolping Luxemburg sammelt fast 2 000 Tonnen Altkleider jährlich, erklärt Marie-Jeanne Brauch. Die Vereinigung hat 270 Container über Land verteilt und organisiert im Herbst jeweils eine Sammelaktion. Zum Einsammeln arbeitet sie mit dem Jongenheem zusammen, ihr Abnehmer ist die Firma FWS, die in Bremen ein Sortierwerk betreibt. Zwischen 28 und 30 Cent das Kilo liegt der Preis, den Kolping laut Brauch erhält. In Bremen werden die Kleider nach Qualität und Zustand sortiert. Die guten werden zu großen Ballen gepresst exportiert. Vor allem nach Afrika und Lateinamerika. Nach Asien, wo viele davon hergestellt werden, hingegen nicht, sagt Brauch. „Die Größen stimmen nicht.“ Kolping verteilt zwei Drittel der Einnahmen in Luxemburg, größtenteils an das Jongenheem, mit dem restlichen Drittel kofinanziert die Vereinigung Entwicklungsprojekte in Drittstaaten.

Zusammen mit den Tex-Aid-Partnern habe man schon mal darüber nachgedacht, ein Sortierwerk in Luxemburg einzurichten. „Kleider sortieren ist ein richtiges Handwerk“, unterstreicht sie, „schon allein um die Materialien voneinander zu unterscheiden, braucht man großes Wissen.“ Aber für einen solchen Betrieb reichten die in Luxemburg gesammelten Altkleidermengen dann doch nicht aus.

Seit Januar 2014 haben die gemeinnützigen Vereinigungen zudem öffentliche Konkurrenz. Die Zentrums- und Westgemeinden des Abfallsyndikats Sica, dazu gehören unter anderem Bartringen, Strassen und Mamer, sammeln seither selbst die alten Kleider ihrer Einwohner ein. Das habe mit der Hausmüllanalyse zu tun, sagt Sica-Präsident Marcel Schmit, und damit, dass die Gemeinden durch EU-Richtlinien verpflichtet seien, den Restmüllanteil zu senken und den Reycling-Anteil zu steigern. „Kleider sind ein Rohstoff, der einen Wert hat“, so Schmit. Wie hoch der Wert ist, „das sage ich nicht“, meint er auf Nachfrage knapp und brüsk. Woraus man schließen kann, dass der Einstieg des Sica ins Lumpenkrämer-Geschäft für Diskus­sionsstoff zwischen gemeinnützigen Vereinigungen und Gemeinden gesorgt haben dürfte und nicht ganz einvernehmlich verlief.

Michèle Sinner
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