Zwei Tage lang wuseln auf dem Nexus-Symposium Techbegeisterte, Unternehmer und Politiker durch die Luxexpo.
CSV-Premier Frieden tritt dabei als selbstbewusster Kunde auf

„Not allergic to making money“

Luc Frieden und Arthur Mensch
Photo: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land du 20.06.2025

Nexus sei eine einzigartige Gelegenheit, „um zu networken und persönlich zu wachsen“, eröffnet Leo Sharma, ein junger Ingenieur, das Nexus-Symposium, das diesen Dienstag und Mittwoch in den Messehallen auf dem Kirchberg stattfand. Man solle nun bitte aufstehen, um Erbgroßherzog Guillaume zu begrüßen. Vor mehreren tausend Anwesenden staunt Guillaume in pastoral-posiertem Tonfall, Nexus habe sich in der Tech-Szene als „luxemburgische Flagship-Plattform“ etabliert. Das Symposium bringe staatliche und private Akteure zusammen, um „bahnbrechende Lösungen“ zu finden. Er erinnert sein Publikum an die kuerz Weeër: „In our country connections come naturally.“ Es sei leicht, an Entscheidungsträger heranzukommen. An den Leinwänden hinter dem Prinzen wabern ätherische rosa- und blaufarbene Wellen. Erbgroßherzog Guillaume, der sich immer wieder als besorgter Vater zeigt, verlangt jedoch auch, dass die Jugend zum kritischen Umgang mit KI ermahnt werden müsse.

7 500 Eintrittskarten wurden im Vorfeld verkauft (und teilweise verteilt), 25 Prozent mehr als im Jahr zuvor. 491 Vortragende sind angemeldet, die Gäste sind aus 57 Ländern angereist. In den Alleen vor der Hauptbühne stellen 73 Teilnehmer aus. So auch Clearance, das Jointventure von Luxconnect und Proximus. „Wir empfangen hauptsächlich Gäste, die vorab einen Termin mit den Geschäftsführern Gérard Hoffmann, Paul Konsbruck oder Pascale Rodgest vereinbart haben“, erklärt eine Empfangsperson. Hinter ihr befinden sich Sessel für Treffen mit möglichen Geschäftspartnern oder politischen Entscheidungsträgern. Vom Proximus-Team seien auch einige Angestellte anwesend, um zu schauen, was sich die Konkurrenz gerade treibt. Einige Meter entfernt erblickt ein Teilnehmer Lydie Polfer, er will mit ihr ins Gespräch kommen und ruft ihr „Madame la bourgmestre“ zu. Es ist kurz vor 12 Uhr, nein, sie müsse aber jetzt wirklich gehen, sie blickt durch das Labyrinth an Messeständen und Menschenmenge – „wo ist der Ausgang?“.

Eine Stunde zuvor saß CSV-Premierminister Luc Frieden mit dem Tech-Unternehmer Arthur Mensch auf der Hauptbühne. Dabei fragte die Moderatorin und Tech-Unternehmerin Anita Sharma, wohin Luxemburg in den nächsten fünf Jahren steuere. „Meine Regierung hat eine klare Vision – wir sind für technologischen Fortschritt“, antwortete Frieden. Wer sich als „modern“ verstehen wolle, müsse KI bejahen. Für die Unternehmen und für die Menschheit müsse KI allerdings zur Anwendung kommen. Deshalb habe man ein strategisches Papier mit dem französischen KI-Unternehmen Mistral unterzeichnet. Es werde dem luxemburgischen Staat bei Backoffice-Prozeduren helfen. Die Moderatorin fordert das Publikum auf, die neue Allianz zu beklatschen. Ein stolzes Grinsen breitet sich auf Luc Friedens Gesicht aus. Im Verlauf des Gesprächs unterstreicht er abermals: Luxemburg habe einen öffentlichen Dienst, der Unternehmen entgegenkomme, die Luxemburg als Einstiegspforte zum europäischen Markt nutzen. In einem Presseschreiben teilt die Regierung später mit, in den Büros, die Mistral eröffnen wird, soll es auch um KI-Projekte im Militärbereich gehen. Die Pressesprecherin des Staatsministerium weigert sich auf die Land-Nachfrage, die Summe zu nennen, die an Mistral gezahlt wurde.

Das Gespräch, das sich zwischen dem CSV-Premier und dem Tech-Unternehmer entfaltete, hatte einen ungewollt komischen Zug: Während Frieden sich einem Marketing-Sprech für seine Regierung hingibt, antwortet der eher zurückhaltende Arthur Mensch überlegt auf die an ihn gerichteten Fragen. Er spricht über inhaltsgenerierende Technologien und die Skalierung von Kommunikation. Er spricht über kritische Infrastrukturen und Cybersicherheit, über die Zentralisierung und Dezentralisierung von generativer KI. Während Arthur Mensch eine Krawatte trägt – der Geschäftsmann tritt formell auf –, ist der erste Knopf an Friedens Hemd lässig geöffnet. Zu diesem Zeitpunkt kann sich Frieden erneut als Macher präsentieren, als vorausschauender CEO-Kunde. Doch am späten Nachmittag erwartet Frieden ein kräftiger Rückschlag: Im Politmonitor fällt er um zehn Punkte zurück. Vize- und Außenminister Xavier Bettels (DP) Beliebtheitswerte hingegen steigen, und er bleibt unangefochten auf Platz eins.

Dass er Menschen bewegen kann, zeigt Bettel auch am Dienstagmorgen. Lautes Geklatsche folgt auf seine Rede in der Messehalle. „Truly wow, what an electrifying speech“, kommentiert Moderator Leo Sharma. Was hatte Bettel gesagt? „Believe me“, sprach Bettel ins Mikrofon, er wolle nicht, dass Luxemburg an Gesprächen teilnimmt, die sich darum drehen, wie man Leute gegeneinander aufbringt. „Wir haben ein Land mit einem über 50-prozentigen Anteil an Nicht-Luxemburgern, und wir haben keinen Anstieg an Rechtspopulismus.“ In Luxemburg wisse man, dass Unterschiede eine Stärke und keine Schwäche seien – „be part of this success story“. Auch er zelebriert die Nähe zwischen Staatsführung und Wirtschaft und bedankt sich bei „His Highness“: Der Erfolg von Nexus gehe auch auf Prinz Guillaume zurück. Leidenschaftlich setze sich der Erbgroßherzog für die luxemburgische Wirtschaft ein: „Danke für all das, was du für uns machst.“

Auf dem Parkplatz vor der Messehalle stehen Kleinwagen, Porsches und Teslas. Der Radstellplatz ist mit Elektro-Rädern vollgestellt. Im Innenraum kommen auf vier Männer eine Frau. Die Hälfte der Männer trägt T-Shirts und Sneaker, die andere Hemden und Lederschuhe. Am Nachmittag trottet ein kopfloser Roboter auf der Stelle in der Allee, neben ihm erzählt ein Mann mit britischem Akzent, er sei hier, um neue Ideen zu sammeln, „but I´m also not allergic to making money“. Hinter ihm sitzen ein paar Gäste in Strandsesseln mit VR-Brillen. Am Stand der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC hält ein Mann eine gute besuchte Konferenz mit dem Titel „Transform your business with the power of AI“. Gegenüber serviert das Konkurrenzunternehmen Deloitte Kaffee und verteilt Broschüren, die vom Kommunikationsunternehmen The Dots konzipiert wurden, dem Mitorganisator der Konferenz.

Eine Managerin von der koreanischen Bezahl-App Crosshub trägt einen langen rosa Tutu-Rock, ihr Kollege einen roten Kimono. Sie wollen sich in den kommenden Jahren in Europa niederlassen. Ein Angebot bei der SES in Betzdorf hat der südkoreanische Uni-Professor Douglas Deok-Soo Kim bereits hinterlegt. Sein Spin-Off hat ein Mapping für Satelliten erstellt. Der Pavillon von Fintech Korea gehört zu einem der vier offiziellen internationalen Pavillons. Neben Portugal ist auch noch Rumänien offiziell vertreten. In Bukarest und Cluj hat sich ein wichtiger Software-Entwicklungsstandort in Europa entwickelt. 144 Start-ups sind angereist, um ihre Ideen zu pitchen – sie kommen unter anderem aus China, Südkorea, Algerien, Israel, Marokko und Frankreich. Daneben sind auch viele einheimische Start-ups anwesend, wie der Batterienrecycler Ciru-Li-ion.

Auch das Magazin Paperjam hat einen Stand. Herausgeber von Paperjam ist Maison Moderne, deren Geschäftsführer Mike Koedinger ist – und zugleich Mitorganisator von Nexus. Paperjams-Chefredakteur Thierry Labro kommentierte am Dienstag auf der Online-Seite des Magazins enthusiastisch: „Luxemburg verwandelt sich mit der zweiten Ausgabe von Nexus in einen Knotenpunkt der Innovation.“ Einige Stunden später publizierte er ein exklusives Interview mit Arthur Mensch. Im Vorfeld gab Labro immer wieder bekannte Keynote-Speaker über das Magazin bekannt, und während der Konferenz moderiert er das Panel „Cryptos European Frontier“.

Derzeit wirbt Paperjam mit dem Spruch „25 Jahre unabhängiger und einflussreicher Wirtschaftsjournalismus“. Welche Grenzziehung haben sich die Redaktion und das Nexus-Team auferlegt? „Den Thierry Labro schreiwt wat e wëll“, erklärt Mike Koedinger dem Land. Er mische sich als Generaldirektor von Maison Moderne nicht in seine Themenwahl ein, und die Paperjam-Redaktion sei nicht an das Nexus-Event gekoppelt. In einem von der Bank BIL veröffentlichten Video „Beim Kaffee mit Mike Koedinger“ erläutert Koedinger, er habe von Anfang an „die Leidenschaft“ gepflegt, das Verlagswesen mit Eventmanagement zu verbinden – so sei der Paperjam-Club entstanden. Dieser bezeichnet sich als das „dynamischste Geschäftsnetzwerk Luxemburgs“, zählt 1 600 Mitgliedsunternehmen und bietet über 300 Veranstaltungen und Weiterbildungen pro Jahr an.

Der Medienmanager Koedinger verstand es von Beginn an, grafische Ästhetik und Networking zu verbinden. Er erfand mit Nightlife.lu das luxemburgische Facebook, bevor es soziale Medien gab. Es war eine 30 000 Exemplare starke Gratiszeitschrift, die die Entwicklungen rund um das Nachtleben dokumentierte. Mit Paperjam gründete er das erste Wirtschaftsmagazin und mit Delano hierzulande eines der ersten englischsprachigen Medien (mittlerweile wurde Delano allerdings wieder eingestellt). Nexus ist ein weiteres Beispiel dafür, dass er erkennt, wie und wohin sich der Wind dreht. Tageblatt-Chefredakteur Armand Back postete während dem Nexus-Event ein Selfie und kommentierte: „Ëmmer erëm crazy, wat de @mikekoedinger alles esou op d´Been stellt!“

Die Regierung ihrerseits will weiterhin Tech-Start-ups anziehen. Man müsse Geld „faster and smarter“ mobilisieren – über eine Aktienmarktreform und Steuerbegünstigungen für Investoren, verkündete Finanzminister Gilles Roth auf der Nexus-Bühne. Ein Geschenk an Reiche habe er bereits umgesetzt, um Toptalente anzuziehen: In der Tech-Start-up-Branche werden seit April Jahresgehälter unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 400 000 Euro nur noch zur Hälfte besteuert. Und auch die Fonds-Industrie müsse verstärkt der Tech-Szene zugutekommen; die neue Initiative „Fundstech-Akzelerator“ werde Start-ups unterstützen, die digitale Anwendungen für die Investmentindustrie entwickeln. Roth will sich zudem in der EU gegen neue Gesetzgebungen einsetzen: „Wir werden in Brüssel eine vernünftige Stimme sein und uns für marktfreundliche Regulierungen einsetzen“. In dieser Zeit von „regelrechten Disruptionen und Transformationen“ sowie einer „großen Gefahr der geopolitischen Fragmentierung“ habe die „Stunde fürs Handeln“ geschlagen. Europa müsse die Tech-Lücke mit China und den USA schließen.

Ob Presse aus dem Ausland kommt, sei bis vor Beginn des Symposiums unklar, „wëll mat den décke Nimm si mer réicht ganz spéit komm“, so Mike Koedinger. Und um die internationale Presse anzuziehen, brauche es Stars wie Coinbase Geschäftsführer Brian Amstrong. Als Starunternehmen war auch Pony-AI anwesend; es zeigt, dass die Tech-Industrie trotz nationalem Wettbewerbsdenken hochgradig global vernetzt ist. Pony.ai hat einen Sitz in Kalifornien, China und Luxemburg. Oder wie Arthur Mensch im Interview mit Paperjam sagt: „Es gibt Serverhersteller in Europa, aber sie verwenden Chips, die von Nvidia hergestellt werden, das wiederum mit TSMC in Taiwan zusammenarbeitet und das wiederum auf die Technologie des in den Niederlanden ansässigen Unternehmens ASML setzt. Wie in jeder Wertschöpfungskette gibt es auch hier eine starke globale Kopplung.“

Das Nexus-Symposium erfüllt ein Anliegen des Koalitionsabkommens. Darin steht: „Die Nutzung von KI bietet ein enormes Potenzial, um unsere Wirtschaft anzukurbeln und das Leben unserer Bürger zu vereinfachen.“ Und man erkenne in der KI ein Potenzial, um die Wirtschaft zu diversifizieren. Doch während sich die Zeilen im Koalitionsabkommen zur Hälfte um ethische Fragen drehen, kippte der Diskurs an Neujahr 2025 in einen nahezu ausschließlich wirtschaftlichen. Gestresst durch die Konkurrenz aus dem Ausland, sagte Frieden im RTL-Neujahrsinterview: „Mir mussen eis ëmt Domänen wéi Dateneconomie ganz massiv këmmeren.“ Im Februar reiste Außenminister Bettel nach Texas und traf sich mit Vertretern des Softwareunternehmens Oracle, um Kooperationen zu schmieden. Oracle-Gründer Larry Ellison träumt von einer Welt, „in der KI-Systeme über Kameras und Drohnen Menschen ständig beobachten“. An der Nexus-Konferenz prangte diese Woche das Logo von Oracle.

Neben US-Unternehmen war China ebenfalls auf Kirchberg präsent. Der chinesische Botschafter saß während der Eröffnungsreden in der ersten Reihe, vier Plätze neben Premier Frieden. Der CSV-Abgeordnete und städtische Gemeinderatsmitglied Laurent Mosar nahm mit DP-Mobilitätsschöffen Patrick Goldschmidt während der Konferenz an einem Panel über elektrische Busgesellschaften aus China teil. Der für seine Skepsis gegenüber Elektroautos bekannte Mosar erläuterte im Anschluss, die Handelskammer habe zu dem Panel eingeladen. Langfristig wolle Luxemburg-Stadt auf ein vollelektrisches Busnetzwerk umsteigen; chinesische Busse seien derzeit „technologisch top und preiswert“. Die Busgesellschaften Demy-Schandeler und Emile Weber würden bereits einige chinesische Modelle besitzen. Wie sich die städtische Flotte weiterentwickele, werden die Ausschreibungen ergeben, so Mosar. p

Kein Verlustgeschäft

Für zehn Tage hat das Nexus-Organisationsteam die Luxexpo auf Kirchberg gebucht. „Das kostet eine Summe im sechsstelligen Bereich“, erläutert Mike Koedinger. 400 Menschen stehen für das Event unter Vertrag – Kellner, Logistikpersonal, Back-Office-Angestellte. Organisiert wird Nexus von der Marketingagentur The Dots sowie dem Medienunternehmen Maison Moderne, die zusammen die Wirtschaftsgemeinschaft Nexus2050 bilden. Letztes Jahr hat sie einen Verlust von etwa 250 000 Euro gemacht, dieses Jahr rechne man mit einer schwarzen Null. Was am meisten einbringe – staatlicher Zuschuss, Sponsoring oder Eintrittsverkauf – kann Koedinger nicht sagen, weil man das Sponsoring mit freien Eintrittskarten und Messeständen im Paket verkaufe. Von den 491 Rednern wird keiner für seinen Auftritt bezahlt. „Die meisten nehmen im Rahmen ihrer Arbeit an Nexus teil“, so Koedinger. Am Abschlussdinner waren 960 Personen anwesend, ein Sitzplatz kostete etwas über 600 Euro; Eintritts-Tickets kosteten, je nach Buchungszeitraum, zwischen 100 und 450 Euro. Die Gemeinde Luxemburg unterstützt die Veranstaltung ab diesem Jahr bis 2027 mit 750 000 Euro. Die Konvention mit der Gemeinde hält fest, dass Nexus einen möglichen Gewinn in die Veranstaltung des Folgejahres investiert, unter anderem das Logo der Stadt prominent anbringt sowie Gemeindevertretern das Wort während der Eröffnungszeremonie erteilt. Auf Nachfrage erläutert ein Pressesprecher des Wirtschaftsministeriums, dass vier Ministerien (das Außen-, Finanz-, Digitalisierungs- und Medienministerium) sich verpflichtet haben, jährlich einen Betrag von 250 000 Euro ab diesem Jahr bis 2027 beizusteuern. Den gleichen Betrag wird zusätzlich Luxinnovation über einen Zeitraum von drei Jahren auszahlen. Jährlich wird Nexus2050 also mit 500 000 Euro an öffentlichen Geldern bezuschusst. Während seiner Rede wies Bettel zudem darauf hin, dass sein Ministerium über 40 Unternehmen eingeladen habe. Und später am Nachmittag unterzeichnet der Außenminister zudem eine Kreditvergabe von 15 Millionen Euro durch die Europäische Investitionsbank für den Hersteller von 3D-Scannern Artec 3D, der vor 15 Jahren seinen Hauptsitz vom Silicon Valley ins Großherzogtum verlegt hat.Nexus geht aus der ICT-Spring hervor, einer Tech-Konferenz, die sich vor allem auf der Unternehmensebene abspielte. Nachdem die Docler Holding 2023 beschloss, Farvest zu liquidieren, war die Zukunft der größten luxemburgischen Tech-Konferenz ungewiss. Kamal Amroun, der bis 2021 Anteile an Farvest hatte, setzte sich daraufhin mit Koedinger zusammen. „Nachdem sich die ICT-Spring aufgelöst hatte, wollten wir etwas Zeitgemäßeres organisieren und die Tech-Entwickler stärker einbinden“, erklärt Koedinger.

Stéphanie Majerus
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