Push Up 1-3

Jobben und ficken

d'Lëtzebuerger Land du 20.03.2003

Ein bisschen Luder, ein bisschen Frustschleuder. Angelika, die Chefin (Josiane Peiffer), und Sabine, die karrierebesessene Abteilungsleiterin (Doris Plenert) eines großen Konzerns, stehen sich gegenüber und könnten eigentlich Schwestern sein. Oder beste Freundinnen, wie Angelika meint. Sabine hat um eine Verabredung gebeten, da sie nicht versteht, warum ihre Bewerbung für den Führungsposten in der Tochterfirma in Delhi abgelehnt wurde. "Ich habe einen scharfen, analytischen Verstand", findet sie, und dass sie genau die Richtige ist für Delhi. Doch Angelika zweifelt an ihrer Qualifikation, vermutet, dass es sich eher um eine Quali-fick-ation handelt, weil Kramer, Angelikas Mann und Leiter des Konzerns, Sabine für den Job empfohlen hat. "Das Problem, Sabine, ist nicht dass Sie meinen Mann ficken, sondern dass Sie das nötig haben", urteilt Angelika. "Wollen Sie sich etwa bis zum Vorstand durchficken?"

Push-Up 1-3 von Roland Schimmelpfennig (Jahrgang 1967) beschreibt die Welt der Yuppies und Workaholics in drei "Duellen" als einen großen Kampfring, in dem alle nach oben wollen, in die 16. Etage, wo sogar das Tippen der Sekretärinnen in den Vorzimmern irgendwie schöner klingt. Um welchen Konzern es sich handeln mag, wird nie näher definiert, und man hat irgendwie auch keinen blassen Schimmer, was die MitarbeiterInnen, alles Mitdreißiger, solchermaßen motiviert, um weiter zu kommen. Zu keinem Augenblick wird von Geld gesprochen, irgendwie muss es die Erotik der Macht sein, die sie fasziniert. 

Denn mit Romantik, Liebe, einer festen Beziehung haben sie es nicht so, die sechs Figuren, die da um den Posten in Delhi kämpfen. Angelika und Sabine hatten schon seit zwei Jahre keinen Sex mehr, sie verbringen beide morgens Stunden vor dem Spiegel, aus Angst, zu banal oder zu auffällig zu sein. Hans und Frank - der erste (Germain Wagner) um die 60, Witwer, wird immer dünner, weil er jeden Abend bis zu vier Stunden auf dem Hometrainer verbringt, der zweite (Bruno Winzen), um die 30, wird immer dicker, weil er abends stundenlang im Internet surft und dabei Junkfood in sich hineinschmeißt -, sind beide hauptsächlich allein und ersetzen die affektive Leere durch Ersatzhandlungen, wie Pornoseiten im Web ansehen oder eben sich einen am Hometrainer abstrampeln. Nur Robert (Frédéric Frenay) und Patrizia (Sascha Ley): sie haben den besten Sex ihres Lebens zusammen, und zwar auf dem Tisch des Bosses, Kramer. Nur sind sie solchermaßen von Ehrgeiz zerfressen, dass sie es nicht fertig bringen, sich auch einfach nur einmal anzurufen.

Roland Schimmelpfennig be-schreibt die Arbeitswelt ein bisschen wie einen Zoo, in dem die einzigen halbwegs "normalen" Menschen Heinrich (Fernand Fox) und Maria (Monique Reuter), die beiden Wächter in der Lobby, sind. Auch sie finden das Gehabe der da oben etwas lächerlich, und wenn Maria Angst hat, die Nachtschicht zu schieben, dann hauptsächlich, weil sie fürchtet, bei ihrem Rundgang wieder einen Selbstmörder am Strick zu entdecken. Es wird mit harten Bandagen gekämpft, dort im Glasturm.

Angestelltenstücke haben Hochkonjunktur auf den deutschen Bühnen, in Luxemburg wurde das Thema Arbeitswelt besonders von Pol Greisch in Stücken wie Äddi Charel oder Wanter thematisiert; 1999 brachte das Kapuzinertheater Urs Widmers grausam-sarkastisches Top Dogs auf die Bühne. Das Originelle an Schimmelpfennigs Stück ist sein Aufbau: die Dialoge werden immer wieder von monologischen Passagen in Flashback und Flash-forward unterbrochen, wie im Film. So unterstreicht der Autor die Vorhersehbarkeit der Duelle, aber auch ihre Unvermeidbarkeit. 

Franz-Josef Heumannskämper, der sich als der Popregregisseur schlechthin der Luxemburger Bühnen etabliert, geht auch hier wieder mit einer klaren Absicht und einer gesunden Portion Humor an den Text heran: in einem Dekor, der direkt aus einem Laden für Designerbüromöbel stammt, machen die Angestellten bei The Winner Takes it All von Abba zusammen Aerobic oder kommt Frank zu den Klängen von Boy Georges' berühmter Hare Krishna-Hymne in Delhi an und wird von einer begeisterten Tänzergemeinde in Orangegewänden empfangen (Fernand Fox als Hare-Krishna-Jünger muss man gesehen haben!). Es sind diese Popeinlagen (darunter auch Deelite!) und der Humor, die das doch etwas langatmige Stück über die Runden retten.

 

Push Up 1-3 von Roland Schimmelpfennig, in der Inszenierung von Franz-Josef Heumannskämper, assistiert von Marion Rothhaar; Licht: Magnus Rösch; Maske: Susanne Erbel; mit: Fernand Fox, Josiane Peiffer, Doris Plenert, Frédéric Frenay, Sascha Ley Germain Wagner, Bruno Winzen und Monique Reuter wird noch heute, Freitag den 21. März, um 18.30 Uhr, sowie am 22. und 26. März jeweils um 20.00 Uhr im Kapuzinertheater gespielt. Kartenvorbestellung unter Telefon 22 06 45

 

 

 

 

josée hansen
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