Dan Hardy rückte vor einer Woche ins Parlament nach. Seine Jugend war von Grunge geprägt, sein Berufsleben vom Journalismus. Nun will er in der ADR grüne Akzente setzen

„Build a tree“

Dan Hardy war 17 Jahre lang Journalist
Photo: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land du 19.07.2024

Als Erstwähler war Dan Hardy ein „Fan“ des linken Abgeordneten André Hoffmann, er habe schon immer „Leute bewundert, die rebellisch sind“ und „eine andere Meinung haben“. Der 52-Jährige rückte vergangene Woche für Fernand Kartheiser (ADR) in das Parlament nach. Imponiert habe ihm neben Hoffmann auf der Chamber-Tribüne auch Gast Gibéryen. „Das gefiel mir, wie er immer das sagte, was die anderen sich nicht trauten.“ Eigentlich sei er den Großteil seines Lebens ein unpolitischer Mensch gewesen – undenkbar war noch vor zehn Jahren ein Wechsel in die Politik. 2018 änderte sich das, er trat erstmals bei einer nationalen Wahl an und sammelte 3 900 Stimmen, letzten Oktober konnte er sein Ergebnis um 5 000 Stimmen deutlich verbessern. Der ADR-Vizepräsident sitzt in einem dunkelblauen Baumwollhemd mit einer Rosport-Blue am Tisch des The Spot. Eine Brasserie unweit der Gëlle Fra, die sich unter dem ADR-Fraktionsbüro befindet.

17 Jahre lang war Hardy Journalist. Als die „Stimmung“ bei RTL-Tëlee nach der Lunghi-Affäre und dem Weggang von Alain Berwick und Alain Rousseau gekippt sei, wollte er ein neues Kapitel aufschlagen. Dass er zur ADR wechselte, habe allerdings nicht nur mit Gast Gibéryen zu tun, sondern auch mit „den Indianern“. 2017 war er mit der ASTM in Ecuador auf Studienreise, diese habe sein konservatives Weltbild nachhaltig geprägt: „Den Kichwa ist es wichtig, ihre kleine Sprache und Kultur zu erhalten. Und das Konzept der Familie zu verteidigen. Das sind Werte, die auch die ADR vertritt. Daran kann nichts falsch sein.“ In den Beiträgen, die Hardy für RTL-Tëlee produzierte, sieht man ihn neben einem Baum „voller Geister“ und im Gespräch über Heilpflanzen mit Einheimischen. Mit seiner Off-Stimme erläutert er den marginalisierten Status der Gemeinschaft. Vor allem aber die Weltanschauungen von amerikanischen Indianern fasziniere ihn, derzeit lese er ein Buch über „Heilgeheimnisse“. Mit Schwitzhüttenritualen befasse er sich „seit Langem“, etwa 80 Sitzungen habe er miterlebt. 2004 begleitete die RTL-Kamera ihn gar bei einem Schwitzhüttenritual in Hollenfels. Coco Vizcarro, ein Peruaner, der die Sitzung leitete, spricht von Pacha Mama, Erdverbundenheit und Respekt gegenüber dem Lebendigen. Dan Hardy sagt ins Mikrofon, die Gesänge und das Getrommel würden ihn „besänftigen“. Es sei eine Grenzerfahrung, die ihn erde, meint er im The Spot. Den Menschen fehle der Kontakt zur Natur, sie würden sich nicht mehr als Teil von ihr erleben. „Aber schreiben Sie nicht, dass ich Esoteriker bin, denn es gibt nichts Rationaleres als Schwitzhütten“, merkt Hardy an.

Der ehemalige Journalist vertraut der „Mainstream-Tagespresse“ nicht mehr, wie er durchblicken lässt. Deshalb liest er das rechtspopulistische Onlinemagazin Tichys Einblick, „damit ich verschiedene Meinungen vergleichen kann“. Nationalstaaten würden zunehmend die Kontrolle über ihre politischen Geschicke verlieren. Denkt er hierbei etwa an eine Elite, die die Fäden zieht? „Ech si kee Conspirationist“, antwortet Hardy resolut. Resolut wahrscheinlich, weil die Frage nach einer möglichen Nähe zu Reichsbürgern vor einem Jahr aufkam. Damals berichtete Radio 100,7, Hardy verwende das Shaef-Logo bei WhatsApp als Profilbild, ein Logo, das in der deutschen Reichsbürgerszene verbreitet ist. Wie der deutsche Verfassungsschutz erläutert, nehmen die Anhänger des Symbols an, die alliierten Streitkräfte würden seit dem Zweiten Weltkrieg im Hintergrund ihre Macht über Europa ausüben. Gegenüber RTL-Radio hat Dan Hardy sich vor einem Monat von dem Symbol distanziert; es sei in Covid-Zeiten populär gewesen, er habe seine Bedeutung nicht gekannt und es einfach „schön“ gefunden. Während der Pandemie trat der ADR-Politiker als Impfskeptiker hervor. Er erlebte sich als jemand, der über Impf-Gefahren aufklärte, und hat über „ADR-Tëlee“ René Blum, einen Zahnarzt, interviewt, der mahnte, „die Leute sollen sich gut überlegen, ob sie Teil eines Menschenexperiments werden wollen“. Im Anschluss an die Sendung hätten sich Zuschauer bei ihm bedankt, dass er sie gewarnt habe – „wegen dem Beitrag haben sie sich nicht impfen lassen“, erklärt Hardy.

Dan Hardy ist in Junglinster mit einer jüngeren Schwester aufgewachsen. Sein Vater war Bankangestellter, seine Mutter „im Kommerz tätig“, wie er es umschreibt. Als er im sechsten Schuljahr war, ließen sich seine Eltern scheiden, und er verbrachte seine Sekundarschulzeit vor allem in Luxemburg-Stadt. „Ich war von Grungemusik begeistert, von Nirvana, und sang in einer Band.“ In seiner Jugend war er viel unterwegs, kam dabei gelegentlich mit Xavier Bettel (DP) ins Gespräch und war zeitweise auf dem Tennis- und Fußballfeld anzutreffen. Bevor er zum Journalismus kam, war er nach dem Abitur bei Luxair angestellt, später bei Cegedel und der Commerzbank. „Ich hegte aber schon immer den Wunsch, mit meiner Stimme professionell zu arbeiten“, deshalb meldete er sich bei einem DNR-Casting als Nachrichtensprecher. Nach einigen Jahren beim DNR wollte er „bei déi Grouss“ wechseln. Am liebsten habe er Reportagen gedreht, während denen er „den Leuten entgegenkommen“ konnte, wie nach einem Hochwasser in Echternach, als er in seinem Beitrag einen Spendenaufruf platzierte. Als Politiker wolle er ähnlich vorgehen, er wolle in die Fußstapfen von Gast Gibéryen treten: „Ech si gaer biergerno.“ Als Reporter wurde Dan Hardy aber auch nachgesagt, leicht sensationslüstern vorzugehen – der Feierkrop nannte ihn „Sensationsreporter“. Und in seiner Reportage-Serie über Bettler konnte ein Anwalt sich mit kruden Worten über diese auslassen.

Dan Hardy ist allerdings nicht Gast Gibéryen. Letzterer ist im Gewerkschaftsgeranke groß geworden und war auch auf kommunaler Ebene durch sein Bürgermeisteramt politisch sattelfest. Deshalb sucht Hardy als „neuer Gast“ andere Wege, um bürgernah zu sein, wie über die „ADR-Tëlee“. Hier geht er auf Partikularinteressen ein, wie jenen des „Interesseveräin Neiduerf“. Im Juni ärgerte sich deren Vizepräsidentin Danielle Castellaneta ins Mikrofon der „ADR-Tëlee“, man sei ohne Rücksicht gegen Flora und Fauna vorgegangen, um eine Fahrradbrücke zu bauen, die Cents und Weimëschhaff miteinander verbinden soll. Es handele sich um ein Prestigeprojekt, für das der Baumbestand geopfert wird. Weiterführende Fragen zu Mobilitätspolitik werden kaum adressiert.

20 Jahre lang war Dan Hardy verheiratet, zwei Kinder gingen aus der Ehe hervor. „Meine ehemalige Frau ist Portugiesin. Portugiesen sind stolz auf ihr Land und zeigen ihre Nationalfahne – warum machen wir das nicht, habe ich mich gefragt.“ Man sollte einen gesunden Nationalstolz pflegen, meint der ADR-Abgeordnete. Wer gehört für ihn zur Nation? „Ma alleguer d’Leit, déi do wunnen.“ Ob es Luxemburger sind oder nicht, letztlich verbinde uns die Sprache, und wer diese beherrsche, sei für ihn ein Luxemburger. Wenn man ihn auf seinen Widerspruch in Bezug auf seine Zugehörigkeitskategorien aufmerksam macht (nicht jeder, der in Luxemburg wohnt, spricht Luxemburgisch), rudert er zurück: „Wer eine Amtssprache spricht, gehört auch dazu, bedenklich ist aber der hohe Anteil an Englisch, der mittlerweile in der Stadt gesprochen wird.“ Sein Parteikollege Fred Keup ist in puncto Sprachenkenntnisse weniger aufgeschlossen. Nachdem RTL ein nicht veröffentlichtes Video sichtete und darüber berichtete, dass Kollegen einen Polizisten mit französischem Akzent mobbten, fragte der Abgeordnete Keup in einer parlamentarischen Anfrage, welche Stufe an Luxemburgischkenntnissen in den unterschiedlichen Polizeiabteilungen verlangt werde. Dass das polemisch war, findet Dan Hardy nicht. Er verstehe Fred Keups Angst: „Irgendwann vielleicht sprechen Angestellte auf Vertrauensposten kein Luxemburgisch mehr.“ Wenn ein luxemburgischer Polizist Französisch oder Deutsch spricht, verliere man den Respekt vor ihm. „Et hëlt een einfach un, datt dee Lëtzebuergesch schwätzt.“

Sein Hauptthema aber ist der Naturschutz – „manner de Klimaschutz“. „Ich verstehe nicht, weshalb, wo doch die Biologen bewiesen haben, dass um alte Bäume herum eine große Biodiversität entsteht, wir diese so leichtsinnig abholzen. Vor allem im Amazonas.“ Aber auch die Bebauung des Schëttermarials auf Kirchberg verursacht bei Hardy Unbehagen: „Seltene Orchideen und Nattern leben dort. Politiker schätzen die Natur nicht wert.“ Setzen die Grünen sich nicht für Biodiversität ein? „Auf eine zu ideologische Art“, antwortet Hardy. Er wolle „ehrlichen Naturschutz“. Und nicht alles könne man über Gesetze regeln, es bedürfe ebenfalls „eines Bewusstseinswandels“. Als er im Amazonas war und sah, wie der Lebensraum der Einheimischen von dem Ölunternehmen Texaco zerstört wird, war er „traurig“. Im RTL-Archiv befindet sich ein Planet-People-Beitrag aus dem Jahr 2017, in dem er erläutert: „Et ass ellen“, wenn man erfahre, wie rund um die Ölquellen „der Boden und das Grundwasser verseucht wird“. Dem Amazonaswald käme eine zentrale Rolle bei der Bindung von CO2 zu. Heute verteidigt er als ADR-Politiker die Parteilinie: „Ohne fossile Energie wird es nicht gehen.“ Außerdem seien Solar- und Windenergie „nicht ideal für das Stromnetz“. Dabei geht Hardy nicht allzu gerne in die analytische Tiefe. Im ideologischen Cockpit der ADR sitzt er vermutlich nicht.

Stéphanie Majerus
© 2024 d’Lëtzebuerger Land