Auf der Foire Agricole spielte auch Politik eine Rolle.
Jedenfalls ein bisschen

Freie Bahn den Tüchtigen

Photo: Olivier Halmes
d'Lëtzebuerger Land du 12.07.2024

„Landwirtschaft an Natur, dat geet jo Hand an Hand!“, mit diesem Slogan weihte CSV-Umweltminister Serge Wilmes die 41. Foire Agricole in Ettelbrück auf den Däichwisen ein. Doch so offensichtlich diese Feststellung klingen mag, ist die Realität der aktuellen Agrarpolitik weitaus komplexer. In Luxemburg, wo rund 50 Prozent der Landesfläche landwirtschaftlich genutzt werden, ist dieser Zusammenhang ein zentrales Thema der Debatte.

Drei Tage lang lockten Vertreter aus dem grünen Bereich, dem Handel und der wissenschaftlichen Forschung auf der Foire Agricole Besucher an, um stolz zu zeigen was Luxemburg und die Grenzregion zu bieten haben. Ettelbrück, das sich für diese Zeit gern „Hauptstadt“ des Großherzogtums nennt, brach erneut mehrere Rekorde: Auf noch nie dagewesenen 9,2 Hektar Fläche strömten rund 47 000 Besucher – eine Zahl, die die Erwartungen übertraf, nachdem im letzten Jahr 45 000 gezählt wurden. 350 Aussteller hatten ihre Stände aufgebaut, mehr als 40 lokale boten auf einem Markt ihre Erzeugnisse an. Darüber hinaus feierte das größte „Anti-Gaspill“-Event des Großherzogtums gleich mehrere Jubiläen, darunter 130 Jahre Luxlait.

Und doch diente die Messe nicht nur als Schaufenster für Innovationen und Traditionen in der Landwirtschaft – Kritik an der Agrarpolitik gab es nebenbei auch.

Am Morgen vor der Eröffnung beklagte sich die Bauernzentrale in ihrer Zeitung De Lëtzebuerger Bauer, dass „das Landwirtschaftsministerium und das Umweltministerium noch immer nicht besser miteinander auszukommen scheinen, als zu Zeiten von Gambia“. Doch während der Eröffnung der Foire Agricole betonte Serge Wilmes, dass die Landwirtschaftsministerin und der Umweltminister eng zusammenarbeiten, um die Bauern in der  Klimakrise zu unterstützen, und unterstrich somit eine vereinte Front der beiden. „Schön zu hören, dass das gemeinsam gemacht wird“, begrüßte der Moderator. Denn so selbstverständlich ist das dann doch nicht: Die zahlreichen EU-Umweltauflagen stellen Landwirte vor erhebliche Herausforderungen für ihre Betriebe, was Anfang dieses Jahres zu zahlreichen Demonstrationen und Blockaden geführt hat, wie zuletzt im Februar in Brüssel. Für rechtspopulistische Parteien bietet diese Situation eine Möglichkeit, Stimmen zu gewinnen: In Deutschland haben sich bei der letzten Europawahl viele Landwirte für die AfD entschieden. In den Niederlanden ist die Bauernpartei Teil der neuen rechten Regierung.

Als Agrarwissenschaftlerin, ehemalige Direktorin des Lycée Technique Agricole und aktuelle Landwirtschaftsministerin war Martine Hansen (CSV) ganz in ihrem Element. Nach der Eröffnung mischte sie sich beim Patt unter die Menge. Nachfragen zu den Behauptungen im Lëtzebuerger Bauer beantwortete sie mit: „Das ist Flurfunk.“

Christian Wester, Präsident der Bauernzentrale, ließ am Tag nach der Foire Agricole seinem Ärger im Radio 100,7 freien Lauf. Er kritisierte nicht nur die nur langsame Verbesserung der Situation der Bauern, sondern auch das kürzlich verabschiedete EU-Renaturierungsgesetz sowie die mangelnden Fortschritte bei der Vereinfachung von Bauvorhaben in Grünzonen.

Der Landwirtschaftsdësch, der am 4. März stattfand, hatte beschlossen, die Verfahren für Bauprojekte in Grünzonen zu vereinfachen, um den Landwirten die Planung zu erleichtern. Doch „verschiedene Sachen gehen uns einfach nicht so schnell voran, wie wir uns das erwünscht hatten“, erklärt Wester dem Land. Zum Beispiel seien die genauen Richtlinien für das Bauen in den Grünzonen immer noch unklar und „intransparent“. Die Bauernzentrale und anderen Verbände bemühten sich am Landwirtschaftsdësch um größere Bauernhöfe, sowohl für die Wohn- als auch Betriebsgebäude wie Ställe, damit auch Generationen von Bauernfamilien auf einem Hof arbeiten und leben können.

Das EU-Renaturierungsgesetz wurde nicht nur von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen in Luxemburg, wie zum Beispiel dem Mouvement Écologique und Natur an Ëmwelt, und insbesondere den Grünen unterstützt, sondern auch im EU-Umweltministerrat, wo das Gesetz es allerdings nur knapp über die Bühne schaffte. Das Vorhaben stand lange im Zentrum von Polemiken in der EU, wo nicht zuletzt in Österreich die Klimaschutzministerin Leonore Gewesseler über ihre Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz des Amtsmissbrauchs beschuldigt wurde. Das Gesetz erfordert nämlich, dass die EU Staaten bis 2030 mindestens 30 Prozent der Lebensräume, die als im „schlechten Zustand“ qualifiziert sind, in einem natürlicheren Zustand wiederherstellen, wie zum Beispiel Wälder, Moore, Wiesen, Seen und Flüsse. Herausforderungen für Landwirte gibt es dementsprechend auch. Das könne die Landwirte noch mehr „einschränken“, so Christian Wester, wie etwa bei der Nutzung „von Pflanzenschutzmitteln und Mineraldüngern“.

Dass die neuen Verantwortungen und Regelungen des EU-Renaturierungsgesetzes bei den Bauern Ängste auslösen, ist nicht unverständlich, da sie sich anpassen und die Zukunft ihrer Betriebe überdenken müssen. Es ist daher wichtig, den Dialog zwischen Natur- und Umweltschutz sowie der Landwirtschaft zu intensivieren. Wenn die Zukunft der Landwirtschaft einerseits in nachhaltigen Pratiken liegt, anderseits Luxemburg ein Hochlohnland ist, liegt es vielleicht nicht zu fern zu behaupten, dass die Landwirtschaft hierzulande neu erfunden werden muss.Weil die Bauern dabei Unternehmer bleiben und sich nicht in staatlich beauftragte Naturschützer verwandeln wollen, hat die politische Debatte darüber es in sich. So dass das Bild von der bäuerlichen Hauptstadt Ettelbrück in den drei Tagen Agrarmesse gar nicht so weit weggeholt ist. p

Ema Mehic
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