Bipartite mit den Gewerkschaften zum Haushaltsentwurf

Einsame Entscheidungen

d'Lëtzebuerger Land du 28.11.2014

Schon etwas lädiert sieht der Haushaltsentwurf der neuen Generation aus. Als Premier Xavier Bettel ihn vor einem Monat ankündigte und Finanzminister Pierre Gramegna ihn einen Tag später im Parlament deponierte, schien er etwas wie die mosaischen Tafeln zu sein: Die Sozialpartner durften ihn wenige Stunden vor der Öffentlichkeit in einer Vorpremiere bestaunen, aber keinesfalls diskutieren. Das war eben der neue Regierungsstil von DP, LSAP und Grünen nach dem Ende der Tripartite in der großen Finanz- und Wirtschaftskrise: eine tatendurstige, entschlussfreudige Mannschaft, die nicht lange fackelt, sondern, anders als die angeblich den Gewerkschaften hörige Vorgängerkoalition, beherzt ihre Verantwortung für einsame Entscheidungen übernimmt.

Dann trafen sich vor einer Woche die Mandatsträger von OGBL, LCGB und CGFP in einem Dommeldinger Hotel zu ihrer ersten gemeinsamen Vorständekonferenz. Sie kritisierten die geplanten Einsparungen auf Kosten der Familien- und Beschäftigungspolitik und verlangten Änderungen am Haushaltsentwurf. Andernfalls würden sie „ihre Mitglieder mobilisieren und zu gemeinsamen gewerkschaftlichen Aktionen schreiten“, wie es in ihrer Resolution heißt. OGBL-Präsident Jean-Claude Reding rief am Schluss seiner Ansprache auf, sich den 16. Mai nächsten Jahres vorzumerken, in Erinnerung an die Großkundgebung der breitesten Gewerkschaftsfront seit Jahrzehnten einen Monat vor den Kammerwahlen 2009.

Worauf sich die Regierung umgehend daran erinnerte, dass sie ja diskussionsbereit war, und gleich an drei Tagen in dieser Woche Zusammenkünfte mit Unternehmern und Gewerkschaften anberaumte. Zwischen den Sitzungen, die am heutigen Freitag zu Ende gehen sollen, suchte sie im kleinen Kreis nach Posten in ihren pompös Zukunftspak genannten Sparmaßnahmen, die geopfert oder aufgeschoben werden könnten, um etwas Druck abzulassen. Dabei ist sie bemüht, die Berechtigung ihrer haushaltspolitischen Ziele nicht in Verruf zu bringen und das Gesicht nicht zu verlieren. Aber das Gesicht gewahrt hätte sie wohl am einfachsten, wenn sie den Sozialdialog im Voraus angeboten hätte, statt sich nachträglich dazu zwingen zu lassen. Dann hätte LCGB-Präsident Patrick Dury auch nicht mit einem kleinen Scherz von der Regierung wieder schwer zu zerstreuende Erwartungen in der Öffentlichkeit schüren können, dass die geplante Kindergeldsteuer aufgeschoben würde, mit der immerhin 20 Prozenz des ganzen Sanierungsprogramms bestritten werden soll.

Dann hätten auch die Arbeiten im parlamentarischen Finanz- und Haushaltsausschuss nicht plötzlich abgebrochen werden müssen, um neue Änderungsanträge zum Haushaltsentwurf abzuwarten. Denn der Ausschuss hat schon genug mit der Erfindung von Änderungsanträgen zu tun, welche beispielsweise den elementaren Einwänden des Staatsrats gegen die halbprozentige Zwecksteuer ohne Zweck Rechnung tragen sollen. Doch dass das in den vergangenen Wochen von einer übersprudelnden Phantasie geplagte Erziehungsministerium ständig neue Vorwände in die Welt setzt, um neben der Mehrwertsteuererhöhung die Abschöpfung weiterer 120 Millionen Euro nächstes Jahr zu rechtfertigen, stärkt nicht unbedingt das öffentliche Vertrauen in die Seriosität der Haushaltspolitik und damit die Bereitschaft, sich den Gürtel enger zu schnallen. Dies gilt selbstverständlich auch für die großen Schwankungen zwischen den Budgets und den Konten des vergangenen und des laufenden Jahrs sowie zwischen den verschiedenen Schätzungen des Wirtschaftswachstums und damit auch der Staatseinnahmen nächstes Jahr. Trotz Polittechnokraten, Unternehmensberatern und vielen bunten Diagrammen sieht die von europäischem Stabilitätspakt, Sixpack und Two-Pack sakralisierte Haushaltspoitik nun reichlich improvisiert aus. Also so wie immer.

Romain Hilgert
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