LEITARTIKEL

ADR gegen Inklusion

d'Lëtzebuerger Land du 12.02.2021

Eigentlich wirkt die grüne Abgeordnete Stéphanie Empain bei Einlassungen auf der Chambertribüne stets gefasst, geradezu trocken. Das liegt auch daran, dass das Mitglied des Justizausschusses des Öfteren mit ziemlich technischen Vorlagen zu tun hat. Doch dieses Mal hielt sie sich nicht zurück: Auf Facebook bezichtigte Empain den ADR-Abgeordneten Fernand Kartheiser der „Halbwahrheiten“ und gar der „Lüge“. Der hatte seinerseits auf der ADR-Facebook-Seite behauptet, die DP-LSAP-Grüne-Regierung schaffe den Vater ab. Dieser dürfte sich in Zukunft nur noch biologischer Elternteil nennen. Damit würden Väter unsichtbar gemacht.

Hintergrund des Schlagabtauschs ist der Entwurf der grünen Justizministerin Sam Tanson zum Accès aux origines. Der an die Reform des Abstammungsrechts gekoppelte Text regelt das Grundrecht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, dass und wie Kinder, die mindestens einen Teil ihrer leiblichen Eltern nicht kennen, sich über ihre biologische Herkunft informieren können. Und weil es ein Text des 21. Jahrhunderts ist, betrifft er neben Adoptivkindern auch Kinder, die durch eine Samenspende oder im Rahmen einer Leihmutterschaft gezeugt und geboren wurden. Dabei kann es sein, dass ein Elternteil eben nicht die biologische Mutter oder der biologische Vater ist, sondern – bei gleichgeschlechtlichen Paaren – ebenfalls eine Mutter oder ein Vater.

Das ist dem Abgeordneten Kartheiser natürlich ein Dorn im Auge, denn seine Partei ist gegen Leihmutterschaft und Homoehe und hatte, als Letztere zu seinem Leidwesen doch eingeführt wurde, davor gewarnt, damit seien Mutter und Vater aus dem Code civil herausgestrichen. In Wirklichkeit waren die rechtlichen Kategorien so umformuliert worden, dass sie auch auf gleichgeschlechtliche Paare zutreffen. Nicht um Ausschluss, sondern um Einschluss ging es dem Gesetzgeber.

Die ideologische Verdrehung, wonach mit einem Federstrich biologische Väter aufhören zu existieren, passt in das reaktionäre Familienbild einer Partei, die als Familie ausschließlich den Bund zweier heterosexueller Erwachsenen definiert. Sie passt zu dem Feldzug, den der Begründer der Hodilux-Initiative seit Jahren gegen andere Familienformen und sich wandelnde Geschlechterrollen führt: Kaum ein Politiker, der so auf die Gender-Thematik fixiert ist wie Kartheiser, der Feminismus als eine Ideologie mit „sexistische[r] Ausrichtung und Demokratie gefährdende[r] Wirkung“ bezeichnet hat.

Bei Ausgrenzungen von Trans-Menschen, Intersexuellen oder Frauen ist Kartheiser aber nicht so empfindlich: Dass Frauen in Briefen an „den Wähler“ regelmäßig nicht erwähnt werden, stört ihn nicht. Sie seien durchs generische Maskulinum mitgemeint. Die Hinweise der feministischen Sprachkritik, dass der Sammelbegriff „Ärzte“ weibliche Berufsvertreter unsichtbar mache, tut er als „Gender-Ideologie“ ab. Aber wehe der „Vater“ wird unsichtbar. Parteikollege Fred Keup schlägt in dieselbe Kerbe: Das „Gendern“ oder „Gender-Sternchen“, wie es zunehmend öffentliche Institutionen verwenden, sei ein orthografischer Fehler, weil es in offiziellen Rechtschreibregeln nicht vorgesehen ist. Das stimmt in der Absolutheit aber nicht mehr. Laut Duden ist mit Arzt nur noch der Mann gemeint, die Ärztin kriegt einen eigenen Eintrag. Ein Mieter ist nicht mehr „jemand, der etwas gemietet hat“, sondern eine „männliche Person, die etwas gemietet hat“.

Und jetzt ein Gesetzentwurf, der nicht mehr nur den biologischen Vater als einzige Realität begreift. Dabei ist die neutrale Bezeichnung „Elternteil“ juristisch die einzig richtige: Sie umfasst präzise die Optionen, die hinter Elternschaft im 21. Jahrhundert stehen können. Kartheiser mag es nicht wahrhaben, aber es gibt in Luxemburg tausende Kinder, die von lesbischen Müttern oder schwulen Vätern erzogen werden, die adoptiert oder von einer Leihmutter geboren wurden. Mit der Formulierung will der Gesetzgeber sicherstellen, dass alle Kinder dasselbe Recht haben, ihre Wurzeln kennenzulernen. Ob sie nun bei biologischen Eltern aufwachsen oder nicht. So gesehen, ist Kartheisers Väter-Ideologie nicht nur diskriminierend gegen andere Familienformen. Die ADR verweigert allen Kindern dieselben Rechte.

Ines Kurschat
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