Bis Jahresende will der Bil-Vorstand unter François Pauly dem Verwaltungsrat einen neuen Businessplan vorlegen

New Bil

d'Lëtzebuerger Land du 12.10.2012

„The deal is done“ und „Bil is back“ lancierte François Pauly, CEO der Banque internationale à Luxembourg, vergangenen Freitag. Da war die Verkaufstransaktion zwischen Dexia und Precision Capital, dem Luxemburger Investmentfonds der katarischen Herrscherfamilie, sowie dem Luxemburger Staat, die vor fast einem Jahr angekündigt worden war, endlich abgeschlossen. Die Erleichterung über die Trennung von der Krisengruppe Dexia ist groß bei der Bil. So groß, dass Pauly sich am Freitag nicht nur mit einem „Merci“ bei Finanzminister Luc Frieden bedankte, sondern bei George Nasra, Precision Capital, mit einem „Shukran“.
Nicht ohne Grund. Musste die Bil bisher jedes Mal, wenn das Mutterhaus in Schieflage geriet, massive Mittelabflüsse hinnehmen, bringen die Kunden seit Ankündigung der Übernahme durch Precision Capital (90 Prozent) und den Staat (zehn Prozent) wieder Geld zur Bank. Um mehr als zwei Milliarden auf 29,45 Milliarden Euro stieg das verwaltete Kundenvermögen – Einlagen und Wertpapiere zusammengenommen– seit 2011. Ein Zeichen, dass die Vorbehalte der Bankkunden gegenüber katarischen Investoren nicht so groß sind, wie man angesichts der andauernden Katar-Polemik hätte annehmen können. Weil die neuen Aktionäre darauf bestanden, alle Altlasten zu entfernen und die Verbindungen zur Skandalbank Dexia zu kappen, ist die neue Bil zwar sehr viel kleiner als bisher, hat aber eine komfortable Ausgangsbasis, um sich als eigenständige Bank zu behaupten. Die Eigenmittel betragen nach der Dexia-Überweisung von 204 Millionen Euro in die Bil-Reserven eine Milliarde Euro. Die Solvenzrate nach Basel II liegt mit 15 Prozent deutlich über den Mindestanforderungen. Nach dem Verkauf des Wertpapierportfolios zurück an die Dexia ergibt sich für die Bank eine Situation, die Pauly „extrem liquide“ nennt. So liquide, dass sie seit dem zweiten Quartal völlig auf Zentralbankkredite verzichtet.
Luc Frieden betonte vergangenen Freitag, BCEE, BGL und Bil sollten unabhängig voneinander funktionieren, ihre einzige Gemeinsamkeit solle der staatliche Aktionär sein. Kein Wunder, wollte Frieden doch, als der Staat 2008 ins Kapital der BGL einstieg, zum heutigen Zeitpunkt eigentlich längst wieder draußen sein und die Anteile mit Gewinn veräußert haben. Nun muss er das Parlament um die Genehmigung bitten, die zwei Milliarden Euro, die der Staat in die BGL investierte, umschlagen zu dürfen, und der Staat ist gleichzeitig Aktionär der drei wichtigsten Banken am einheimischen Markt. Und wird es auf absehbare Zeit bleiben. Das Umfeld erlaube derzeit einen Verkauf der BGL-Anteile nicht, musste Frieden am Freitag einräumen. Und dass die Aktionäre aus dem Katar den Staat als Partner in der Bil gerne dabei haben wollten, hatte er vergangenen Herbst durchblicken lassen. Auch andere europäische Staaten seien im noch im Kapital der Banken, die sie 2008 retteten. Es gehe darum, diese Banken zu stabilisieren, musste Frieden einräumen, obwohl er ansonsten gerne den Märktenkräften freien Lauf lässt. Die Bil ist nach ihrer Schlankheitskur mit Abstand die kleinste der drei staatliche geschützten Banken. Doch so klein soll die Bil natürlich nicht bleiben. Man setzte auf organisches Wachstum, so George Nasra, schließe aber auch Zukäufe nicht aus.
Bis Ende des Jahres, sagt François Pauly, soll dem neuen Verwaltungsrat, in den Nasra am Freitag als einziger Vertreter des Mehrheitsaktionärs eingezogen ist, einen neuen Businessplan vorlegen, dann soll die Strategie der Bil feststehen. Organisches Wachstum im Schaltergeschäft, beispielweise im Hypothekengeschäft, wo die BCEE dominiert, will man mit neuen Produkten wie der kürzlich eingeführten Hypothek mit gedeckeltem variablem Zinssatz erreichen. Auch das Geschäft mit KMU will man ausbauen. Ein Gebiet, auf dem die BGL mit einem Marktanteil von 38 Prozent federführend ist. Sie hat im Frühling eine Kampagne gestartet, um eine Milliarde Euro Kredit in die Unternehmen zu bringen – was ihr bei der Konkurrenz mitunter den Vorwurf einbrachte, sie werfe mit ihren Staatshilfen um sich. Solche pauschalen Aussagen will die Bil nicht machen, betont Pauly, sondern wie bisher projektbezogen arbeiten.  „Wir sehen, dass sich große Bankgruppen verkleinern, einzelne Aktivitäten einstellen oder abgeben“, erklärt Pauly in Bezug auf mögliche Zukäufe. „Wir glauben, dass es da Möglichkeiten in der Schweiz oder anderen interna­tionalen Märkten gibt, wenn unsere Strategie feststeht.“ Bis Januar 2013 sollen außerdem Vorschläge über die künftige Aufstellung von Dexia Technology Services auf dem Tisch sein. Noch gehört der IT-Dienstleister der Dexia-Gruppe. Zum Kundenstamm gehören nach wie vor die verschiedenen Ehemaligen der Dexia-Gruppe wie Belfius, RBC-Dexia, DAM und die Bil selbst. Sie könnten, so eine der Pisten, die Anteile von Dexia übernehmen oder aber einen strategischen Partner aus der IT-Branche für DTS suchen, erklärt Pauly. Die IT-Abteilung ist nicht die einzige, über sich die Bil, ohne „Rückendeckung“ einer größeren Bankgruppe Gedanken machen musste. Das Risikomanagement, die Buchhaltung und die Einkaufsabteilung wurden personell aufgerüstet. Die von Dexia eingeleiteten Sparprogramme wurden weitestgehend auf Eis gelegt. So konnte sich die Bil ihren Handelsraum erhalten. Nicht umsonst, denn die Finanzmarktaktivitäten sollen künftig eine stärkere Rolle spielen. Die Bank hat mit Yves Kuhn einen Chief Investement Officer eingestellt. Dadurch will sie ihre Eigenständigkeit in punkto Investitionsentscheidungen unterstreichen. Kuhn soll eine „eigene Meinung“ der Bil entwicklen, die mit der „vorherigen nichts zu tun hat“, betont Pauly. Das gehört ebenso zum Trennungsprozess von der Dexia wie der Umstand, dass die Bil keine ungedeckten Kredite mehr an das ehemalige Mutterhaus vergibt. Deswegen kann die Bil gelassen bleiben, auch wenn dessen erneuerter Kapitalbedarf in ausländischen Medien auf fünf bis zehn Milliarden Euro beziffert wird.
Dass George Nasra am Freitag hervorhob, es gebe keinerlei Pläne für eine Fusion oder Annäherung mit der KBL, überrascht Pauly nicht. Obwohl beide Banken im Private Banking aktiv sind, seien die Geschäftsmodelle sehr unterschiedlich, erklärt er. Deswegen seien „keine Synergien zu heben“. In der Zusammenfassung heißt das in etwa: Die Bil bedient ausländische Private-Banking-Kunden ausgehend von der Basis Luxemburg. Die KBL hingegen ist ein Netzwerk lokaler europäischer Privatbanken. Nur in der Schweiz sieht Pauly Überschneidungen in den Aktivitäten und der Aufstellung beider Banken. Wie man dort vorgehen werde, ergebe sich aus der neuen Strategie. Auch George Nasra und Luc Frieden bemühten sich am Freitag, beruhigend auf die öffentliche Debatte um die katarischen Investitionen in Luxemburg und deren Folgen einzuwirken. Die Investoren bei Bil und KBL seien nicht die gleichen wie bei Cargolux, so Nasra. Für die Eigentümer von Precision Capital seien die Beteiligungen an den beiden Banken strategische, langfristig bestimmte Investitionen. Luc Frieden bat die Luxemburger, „keine Angst vor dem ausländischen Kapital zu haben“. Doch schon am Dienstag flammte die Katar-Polemik neu auf, als 100,7 meldete, François Pauly habe die – gescheiterte – KBL-Übernahme der Hinduja-Gruppe geleitet, was prompt zu parlamentarischen Fragen über seine Rolle und seinen Einsatz für die indischen Investoren einerseits und die katarischen Investoren andererseits führte. François Pauly wechselte immer dann den Job, wenn sich etwas an der KBL-, Bil-, beziehungsweise Katar-Front tat. Ob das aber reicht, um Verschwörungstheorien zu untermauern, ist fraglich. Denn eigentlich umgarnt die Regierung die katarische Herrscherfamilie seit Jahren und macht daraus, wie ihre Missionen in den Katar, die darauf folgenden Verlautbarungen und der Abschluss des Wirtschaftsabkommen vergangenes Jahr zeigen, überhaupt kein Geheimnis. Somit sind die katarischen Investitionen weniger das Ergebnis eines Komplotts, als ganz gezielter Regierungspolitik.

Michèle Sinner
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