CSSF-Direktor Claude Marx äußert sich zu den Panama-Papieren

„Nach streng rechtsstaatlichen Prinzipien“

Claude Marx
Photo: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land du 24.03.2017

Claude Marx war von 1994 bis 2011 bei HSBC Private Banking Luxemburg beschäftigt und dort stellvertretender Direktor. Von 2012 bis 2015 war er CEO von Lombard International Assurance. Seit vergangenem Jahr ist er Generaldirektor der Finanzaufsichtsbehörde CSSF. Dieses Interview wurde auf Wunsch von Claude Marx schriftlich durchgeführt.

D’Lëtzebuerger Land: Herr Marx, vor einem Jahr hat Sie das Land im Rahmen der Panama-Papiere gefragt, ob Sie als Mitarbeiter der HSBC-Bank bei der Sie lange Jahre beschäftigt und deren Direktor Sie waren, Offshore-Gesellschaften für Kunden gegründet haben. Sie haben damals verneint und gesagt, die Bank habe nie Treuhand-Aktivitäten angeboten. Nun hat die Süddeutsche Zeitung Unterlagen veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass Sie für Kunden bei Mossack Fonseca Gesellschaften bestellt haben. Bei den Panama-Papieren handelt es sich um Unterlagen der Kanzlei Mossack Fonseca. Sie war es, welche die Treuhand-Dienstleistungen angeboten hat. Welche Rolle haben Sie als Bankmitarbeiter beziehungsweise Direktor dabei übernommen?

Claude Marx: In Luxemburg gab es zwei Sorten Privatbanken: Die einen haben Treuhand-Aktivitäten mit Domizilierungs-, Management- und Buchhaltungsdiensten (inklusive für Offshore-Gesellschaften) angeboten. Sie haben sich damit juristisch involviert und haben auch Mitglieder für den Vorstand zur Verfügung gestellt. Auch wenn diese Treuhandaktivitäten völlig legal sind, haben andere Banken diese nicht angeboten. Wenn jedoch ein Kunde oder seine Berater darauf bestanden, eine Gesellschaft zu gründen, so wurde er von einer solchen Bank an Treuhänder verwiesen. Da die Treuhänder zumeist nicht direkt mit dem Endkunden im Geschäftsverhältnis stehen wollten, lieferte die Bank eine rein technische Unterstützung als Mittler, hauptsächlich bei der Gründung und Liquidierung der Gesellschaft. Die Bank hat diese Unterstützung jedoch nicht als eigenes Geschäftsmodell betrieben und jede Haftung ausgeschlossen. Selbstverständlich ist die Bank ihren eigenen rechtlichen Verpflichtungen, was die Information über den Kunden betrifft, nachgekommen.

Sie haben vergangene Woche eine Stellungnahme abgegeben, in der Sie unterstreichen, Ihr Name tauche in der im Internet zugänglichen Datenbank der Panama-Papiere nicht auf. Liegt das daran, dass Sie als Zeichnungsberechtigter der Bank HSBC als Mittelsmann zwischen Kunden und Mossack Fonseca eingese tzt haben?

Genau. Als Jurist war es lediglich meine Aufgabe, die benötigten Dokumente weiter zu leiten. Die Bank wurde nur technisch bei der Gründung oder Liquidierung nominee shareholder, um diese zu ermöglichen. Der Kunde wurde sofort nach der Gründung durch Übergabe von Inhaberaktien oder einen Eintrag ins Register zum Aktionär. Es war eine bewusste Entscheidung der Bank, keine weiteren Aufgaben und Verpflichtungen einzugehen.

Finanzminister Pierre Gramegna (DP) wurde, nachdem die belgische Zeitung Le Soir vergangenen April berichtete, Ihr Name tauche in den Panama-Papieren auf, von Journalisten dazu befragt. Er sagte, Sie hätten ihm gegenüber erklärt, keine aktive, sondern nur eine passive Rolle gespielt zu haben. Nachdem die Süddeutsche Zeitung E-Mails und Faxe veröffentlicht hat, in denen Sie Mossack Fonseca im Auftrag von Kunden Anweisungen zur Öffnung und Schließung von Gesellschaften geben, stand diese Aussage in Zweifel. Wie haben Sie das mit der „aktiven“ und der „passiven“ Rolle gemeint?

Wie oben ausgeführt, handelte es sich um punktuelle, rein technische Hilfe als Mittler und die Bank hat niemals aktiv in das Geschäft einer solchen Gesellschaft eingegriffen.

Die CSSF hat vor einem Jahr nach der Veröffentlichung der Panama-Papiere bei von ihr überwachten Einheiten Informationen angefordert. Können Sie noch einmal erläutern, welche Informationen die CSSF beantragt hat und weshalb genau diese Informationen?

Die CSSF hat eine eingehende Untersuchung von Gesellschaftskonten bei Luxemburger Banken eingeleitet. Unter anderem wurden detaillierte Informationen angefragt und geprüft, bezüglich der Know your customer- und der Know your transaction-Pflichten. Know your customer (kenne deinen Kunden) ist eine bei Kreditinstituten vorgeschriebene Legitimationsprüfung von Kunden zur Verhinderung von Geldwäsche.

Im Panama-Untersuchungsausschuss des Europaparlaments hat es Kritik gegeben, die CSSF untersuche zu wenige Banken und Dienstleister. Wie viele sind es? Und auf welcher Grundlage wurden sie ausgesucht?

Alle 73 Privatbanken, die im Wealth-Management tätig sind, haben einen detaillierten Fragebogen erhalten. Die Antworten wurden ausgewertet und nach einer objektiven „risk-based approach“ wurden 30 Banken nochmals genauer kontrolliert. Die 30 Banken wurden nach einem objektiven Kriterium ausgesucht: Es sind die Banken, die mehr als 80 Prozent an ausländischen Gesellschaftskonten halten. Durch Vor-Ort-Kontrollen wurde nochmals genau kontrolliert, ob diese Banken all ihren rechtlichen Pflichten nachgekommen sind.

Die meisten der verschickten Fragebögen waren schon vor einem Jahr beantwortet. Wurden in der Folge Sanktionen verhängt?

Es sind fast alle Informationen, die die Banken betreffen, ausgewertet. Bevor jedoch eventuelle Sanktionen erteilt werden können, hat die CSSF die rechtsstaatliche Pflicht, die Bank um ihre Sicht der Dinge zu bitten. Dabei handelt es sich um den so genannten Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens („principe du contradictoire“).

Dem Panama-Untersuchungsausschuss sagten Sie, es lägen noch keine endgültigen Ergebnisse vor. Warum zieht sich die Auswertung so lange hin?

Die schiere Masse der Informationen, sowohl die Antworten auf die Fragebögen, als auch die Findings bei den Vor-Ort-Kontrollen, verlangen eine detaillierte und deswegen zeitaufwendige Analyse – dies umso mehr, da am Ende des Verfahrens mögliche Sanktionen stehen. Die CSSF handelt nach streng rechtsstaatlichen Prinzipien.

Diese Maßnahme wurde eingeleitet, bevor öffentlich wurde, dass Sie als HSBC-Mitarbeiter selbst mit Mossack Fonseca in Kontakt standen. Daher drängt sich nun die Frage auf, ob HSBC zu den Banken gehört, bei denen die CSSF Informationen angefordert hat.

Wie gesagt, haben alle 73 Privatbanken, die im Wealth-Management tätig sind, einen Fragebogen erhalten. Wegen des Berufsgeheimnisses kann ich Ihnen jetzt nicht die Namen von einzelnen Banken nennen. Das wäre diskriminierend, aber ich kann Ihnen versichern, dass bei der CSSF jede Bank absolut gleich behandelt wird.

Offshore-Gesellschaften für Kunden zu eröffnen war nicht illegal, sondern, wie Sie es selbst vergangene Woche bezeichnet haben, „marktüblich“. Problematisch wird es, wenn die Banken als Mittelsmann ihre Auflagen zur Kundenerkennung und die Anti-Geldwäschebestimmungen nicht eingehalten haben. Das ist ja auch, was die CSSF derzeit prüft. Wie ist sichergestellt, dass Sie als jetziger Direktor der CSSF keinen Einfluss darauf nehmen können, wenn Ihre Mitarbeiter kontrollieren, ob Sie diese Bestimmungen als ehemaliger Bankmitarbeiter eingehalten haben?

Diese Frage erübrigt sich, wenn man die internen Arbeitsabläufe der CSSF kennt. Die Direktion ist überhaupt nicht in Untersuchungen und Vor-Ort-Kontrollen eingebunden. Das machen die jeweiligen Abteilungen auf Basis von objektiven Kriterien und festgeschriebenen Abläufen. Dabei muss man auch wissen, dass der Generaldirektor der CSSF auch auf Direktionsebene nichts alleine entscheiden kann: Das Gründungsgesetz der CSSF sieht vor, dass die Direktion nur als Kollegium (bestehend aus fünf Direktoren) eine Entscheidung treffen kann.

Kommentar

Die Debatte um die Rolledie Claude Marxfrüher Entscheidungsträger bei HSBC Privatbank Luxemburgheute CSSF-Generaldirektorin der Vermittlung von Offshore-Gesellschaften an HSBC-Kunden gespielt hatsollwenn es nach dem Betroffenen selbst gehtein Missverständnis sein. Letzteres sollwenn man seine öffentlichen Äußerungen dazu liestdarauf beruhendass weder Journalisten noch die Öffentlichkeit verstehenwas Treuhanddienstleistungen sindwer sie anbietetverkauft und was dabei die juristischen Finessen sind.

Dabei wäre dieses Missverständnis ganz einfach auszuräumenindem Claude Marx klar dazu Stellung beziehen würdewas seine Unterschrift auf den vergangene Woche von der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten Unterlagen bedeutet. Das tut er aber nicht. Auch nicht im nebenstehendenschriftlich geführten Interview. Er vermeidet esvon sich selbst zu reden und seine Zeit bei HSBC anzusprechenwas ihn zu der eigenartigen Aussage führt„die Bank“ im allgemeinen sei „selbstverständlich“ all ihren Pflichten nachgekommen. Dabei hält Marx rechtlich gesehen nichts davon absich zu seiner Zeit bei HSBC zu äußern.

Marx ist überzeugtdass er sich nichts vorzuwerfen hat. Dass er sich dermaßen windetmuss also auf die irrtümliche Auffassung zurückzuführen seiner sei der Öffentlichkeit keine Rechenschaft schuldig.

Es ist diese Auffassungdie zur aktuellen Diskussion um seine Person geführt hat. Hätte er vor einem Jahr seine Karten auf den Tisch gelegtwäre er nun nicht in der Defensive. Marx ist nicht von einer Bank zur anderen gewechseltsondern er hat ein sehr hohesöffentliches Amt übernommen. Da hat die Öffentlichkeit durchaus ein Recht zu erfahrenob seine Weste makellos rein ist. Genauso wie die Öffentlichkeit von Beamten und Politikern wissen willwas sie bei einem Wechsel in die Privatwirtschaft alles mitnehmen.

Finanzminister Pierre Gramegna (DP) hatte es ähnlich persönlich genommenals er nach der Amtsübernahme größerer Aufmerksamkeit und einer genaueren Prüfung ausgesetzt war. Sein Beispiel zeigtwelche Folgen diese missverständliche Auffassung des öffentlichen Amtes haben kann. Nachdem sich herausstelltedass Gramegnas Tochter bei der Gesellschaft arbeitetedie seine Haushaltspostenprüfung durchführen solltewar der Elan aus besagter Prüfung raus.

Wenn Marx glaubtdas Fachpublikum am Finanzplatz verstehe seine Aussagen schon und es sei nicht so wichtigwas die breite Öffentlichkeit denkeirrt er sich ebenfalls. Den Fehler hatte schon Gramegnas Vorgänger Luc Frieden (CSV) gemachtals er immer meintein Fachkreisenauch im Auslandgenieße der Finanzplatz Luxemburg einen exzellenten Ruf. Wenige Jahre später istaufgrund des öffentlichen Drucksdas Bankgeheimnis abgeschafft und es werden Rulings zwischen Steuerverwaltungen ausgetauscht.

Wenn Claude Marx verhindern willdass die CSSF Schaden nimmtmuss offengelegt werdenwas die Prüfung von HSBC für den Zeitraumin dem er dort arbeiteteergeben hat. Dabei kann von Diskriminierung keine Rede sein. In der Vergangenheit hat die CSSF die Namen derjenigen veröffentlichtdie von ihr sanktioniert wurdenund dabei handelte es sich nicht um die Namen des ehemaligen Arbeitgebers ihres Direktors. Am 5. April geht der Finanzminister in den Finanz- und Haushaltsausschuss des Parlaments. Vielleicht eine gute Gelegenheitendlich wirklich reinen Tisch zu machen. ms

Footnote

Michèle Sinner
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