Sprachen-Selfie I

Mehrsprachig ... und das ist gut so!

d'Lëtzebuerger Land du 17.03.2017

Es ist zum Mäusemelken. Kaum dachte man, es sei ein klein wenig Ruhe in der leidigen Sprachendebatte eingekehrt, schon steht mal wieder eine diesbezügliche Petition ins Haus. Diesmal ist dem betreffenden Antragsteller ein frühzeitiges Heranführen der Klein(st)kinder an die französische Sprache ein Dorn im Auge, womit denn auch jenes rote Tuch bereits benannt wäre, das in letzter Instanz nahezu jeder selbst ernannte Gralshüter des Luxemburgischen früher oder später schwenkt, zumeist ganz offen, ab und an auch wieder eher zwischen den Zeilen versteckt: das ach so verhasste „Français“, dem nachgesagt wird, es wolle – von irgendwelchen abstrusen Lobbys „gepusht“ und uns von Heerscharen lothringischer Grenzgänger „aufgezwängt“ – den waschechten Luxemburger seiner einzig wahren Sprache berauben, immer schön nach dem gebetsmühlenartig heruntergeleierten Motto: „Et kann een néirens méi Lëtzebuergesch schwätzen!“

Womit unterstellt wird, das habe man „früher“, sprich noch vor 20, 30 Jahren, überall gekonnt, eine romantisierende Darstellung vergangener Zeiten, wie es sie so eigentlich nie wirklich gegeben hat, erinnert der Schreiber dieser Zeilen sich doch beispielsweise bestens daran, dass wir Anfang der 1980-er Jahre bei den zum Trimesterende angesagten „Klassefriessen“ unsere Pizzen stets auf Französisch bestellten und wir auch damals bereits in vielen hiesigen Kleiderläden, Bars oder Diskotheken mit dem Personal nicht unbedingt in unserer Muttersprache kommunizierten. Dennoch kein Grund zum „Caca nerveux“, im Gegenteil, so zeigte sich, dass die vielen Deutsch-, Französisch- und Englischschulstunden sich auch im Alltag durch handfesten praktischen Nutzen bewährten. Eine Zeit, in der es übrigens auch niemandem eingefallen wäre, hinter einem höflichen Bonjour bereits eine „respektlose Beleidigung des Gastlandes“ zu wittern, im Gegenteil, eigentlich war es damals eher üblich, Fremden gegenüber demütig das französischstämmige Grußwort zu benutzen, während „Moien“ bestenfalls im engeren Familien- und Freundeskreis angesagt war.

Doch zurück zur eingangs erwähnten Petition: Es liegt mir fern, pauschal jedem, der sich dagegen sträubt, Kinder frühzeitig und eher spielend an eine Sprache heranzuführen, um sich mit ihr, ihrem Klangbild vertraut zu machen und damit eine positive Grundeinstellung zu schaffen, bevor es dann später im wirklichen Sprachunterricht ans Eingemachte (Vokabeln, Grammatik...) geht, der Frankophobie zu bezichtigen. Und dennoch: In vielen Diskussionen düftelt es zaghaft bis unverhohlen nach Abscheu gegenüber allem Französischen (sei es nun der Sprache, den Sprechern oder ihren Verteidigern, die sich wahlweise dem Vorwurf, ein „elitärer Lobbyist“ oder aber „fieser Landesverräter“ zu sein, ausgesetzt sehen), eine Aversion, die nicht selten auf der Angst zu gründen scheint, selbst der Sprache Voltaires nicht mächtig genug zu sein, dem Traumata, sich eine Blöße geben zu müssen, wenn einem dieses oder jenes Wort nicht gleich einfällt oder es vielleicht an der Aussprache hapern könnte.

So what? Sprache dient in allererster Linie der Kommunikation, dem Austausch zwischen zwei oder mehr Personen. Und wo ein wirklicher Wille zu einem solchen Austausch besteht, findet sich stets auch ein Weg, helfen Mimik, Gestik, Blickkontakte, einen vielleicht nicht ganz so perfekten Wortschatz wettzumachen.

Etwas, das gerade hierzulande tagtäglich Abertausende von aus aller Herren Ländern zugereisten Mitbürgern und Grenzgängern aufs Trefflichste vorexerzieren, die sich – fernab des Eindrucks eines vermeintlichen Babels der Neuzeit – im Alltag zu einem kunterbunten Sprachengewirr zusammenfinden, in dem die Suche nach dem jeweils gemeinsamen linguistischen Nenner sich an der betreffenden Situation und nicht dem Dogma einer von Nationalstolz und Prinzipien diktierten, einheitlichen Umgangszwangsprache orientiert. Gelebte Vielsprachigkeit und bunte Vielfalt, der sich ausgerechnet eine Parallelgesellschaft „eingeborener“ Sturköpfe zu verschließen droht, die eigentlich den unschätzbaren Vorteil hätten, aufgrund der durch die geografische Lage und die schulischen Voraussetzungen gegebenen Kenntnisse ihre vermittelnde Rolle als sprachliche Brückenbauer mit Stolz und Freude auszuschöpfen.

Patrick Weber
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