The Hub – internationales Netzwerk, Firmen-Inkubator für sozial verantwortliches Unternehmertum – ist in Luxemburg angekommen. Die Nachfrage ist da, sagen die Initiatoren

Gute Tat vom Chef

d'Lëtzebuerger Land du 07.09.2012
Noch lässt sich nicht wirklich erahnen, was hier Besonderes entstehen soll. Die Räumlichkeiten der Nummer 29 Boulevard Grand-Duchesse Charlotte zeigen keinen besonderen Reiz, sind weder alt noch neu. Es ist einfach ziemlich leer auf den 260 Quadratmetern von The Hub Luxemburg. Das soll sich bald ändern, wenn es nach Sandy Lopes und Emmanuelle Benzimra geht. Sie und ihr Kollege Per-Frederik Hagermark sind von der Vereinigung ohne Gewinnzweck eingestellt, um The Hub auf- und auszubauen. Dass sich ausgerechnet eine ASBL zum Ziel setzt, angehende Unternehmer als Mitglieder zu rekrutieren, ihnen beim Geschäftsaufbau zu helfen, mag ein wenig verwirren. Schließlich sind hier direkt keine Business Angels oder Wagniskapital-Spezialisten am Werk, die nach Investitionsideen suchen. Kein Arbeitgeberverein, der ganz generell den Unternehmergeist beschwört. Kein staatliches Förderprogramm steht hinter der Initiative, sondern eine Reihe von Privatpersonen. Und dennoch soll The Hub ein Firmen-Inkubator sein. Aber nicht nur. Auf drei Hauptachsen beruht die Tätigkeit von The Hub: dem Lokal, den Events und der Mitgliedergemeinschaft. So in etwa bietet das auch die Handelskammer. Mit einigen Unterschieden. Die Hub-Gründer haben ganz bewusst einen gemeinnützigen Verein gegründet, um zu zeigen, dass Profit und Rendite nicht zu den Hauptzielen gehören. Das Gemeinwohl steht auf ihrer Prioritätenliste weit oben. Firmen, die im Hub entstehen, sollen eines gemeinsam haben: ihre „soziale“ und „nachhaltige“ Grundausrichtung. Es geht um Social business. Mit ihrem Produkt oder ihrer Dienstleistung sollen sie der Gesellschaft dienen und, verkitscht ausgedrückt, die Welt ein wenig besser machen, statt nur den Kontostand zu verbessern. Auch andere ASBL, nicht nur Firmen und Unternehmer, können im Hub Mitglied werden. Denn an guten Ideen fehlt es nicht, sind Lopes und Benzimra überzeugt, eher an der Möglichkeit, solche Ideen umzusetzen. Das will The Hub ändern. Indem man zu allererst Arbeitsräumlichkeiten zur Verfügung stellt. Co-Working-Space lautet das Zauberwort – Gemeinschaftsbüros. Beim Hub Luxemburg sind das die Flächen am Boulevard Grand-Duchesse Charlotte, welche die Stadt Luxemburg zur Verfügung stellt. Zum zusammengewürfelten Mobiliar gehören ein paar Schreibtische, Bürostühle, eine Küchenecke, sowie einn kleiner Konferenzraum für Kundentermine und ein spartanischer Veranstaltungsraum. Hauptsache, die Internetverbindung steht. Nur den eigenen Laptop müssen die angehenden Unternehmer dabei haben. Und was sie sonst noch mitbringen möchten. „Die Mitglieder sollen bei der Einrichtung mitwirken“, erklärt Benzimra das Konzept. „Das Lokal soll sich mit steigenden Mitgliederzahlen weiterentwickeln und nachher die Menschen widerspiegeln, die wir hier willkommen heißen“, fährt sie fort. Deren Fotos und Tätigkeitsfeld sollen bald im Treppenhaus hängen – Facebook in echt. Die Mitglieds- oder Tarifebenen sind vielfältig. Hub Connect heißt beispielsweise der Basis-Tarif. Für 25 Euro monatlich kann man dafür fünf Stunden „Schreibtischzeit“ während der Büro-Öffnungszeiten, inklusive Internetanschluss, Kaffee und Tee erwerben und bekommt 25 Prozent Rabatt auf den Workshop-Gebühren. Am anderen Ende der Tabelle: der Premium Tarif Hub Unlimited. Wer 550 Euro monatlich zahlt, erhält seinen eigenen Schlüssel für die Büros, kann so lange dort bleiben wie er will, hat Anspruch auf acht Stunden Konferenzraum und mehr Rabatt bei Veranstaltungen und Workshops. Kein schlechtes Angebot für angehende Unternehmer, die noch nicht so weit sind, einen Mietvertrag für eigene Räumlichkeiten zu unterschreiben. Ähnliche Angebote für „Tagesbüros“ gibt es auch von kommerziellen Firmen. Nicht zuletzt von Regus, dem globalen Anbieter für fertig eingerichtete Büros mit Sitz in Luxemburg. Doch Regus bietet den Kunden keine Gemeinschaft von Gleichgesinnten, wie The Hub sie aufbauen will, und keine Workshops, die auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft zugeschnitten sind. Mit wem man dort die Räumlichkeiten teilt, entscheidet der Zufall. Anders bei The Hub. Nicht jeder, der will, kann Mitglied werden. Sondern muss vor dem Kollegium bestehen. „Im Gespräch ermitteln wir, warum der- oder diejenige Mitglied werden will, was sie machen wollen, ob das zu uns passt, und ob wir auf einer Linie liegen. Je nachdem, was er oder sie braucht, können wir sie anderswo hin leiten. “, so Lopes, „zum Beispiel zu anderen Co-working-Anbietern oder zur Handelskammer oder anderen Firmen-Inkubatoren“. Eine feste Prozedur oder Kriterien gibt es nicht. Der Spirit muss stimmen. The Hub richtet sich an Unternehmer im „Embryonalstadium“, führt Benzimra aus. Diejenigen, die zwar eine Idee, aber weder Konzept noch Businessplan haben. Bei der Ausarbeitung der Pläne sollen sich die Mitglieder – wenn gewünscht – gegenseitig helfen, Erfahrungen austauschen. Wer allerdings mehr als einen Laptop zur Umsetzung braucht, ist bei The Hub falsch. Wer sich schnell weiterentwickelt, muss irgendwann raus – schon allein, weil die Räumlichkeiten keinen reellen Firmenausbau zulassen, dafür sind sie nicht geeignet. Eher für die Nomaden der digitalen Dienstleistungsgesellschaft. Ob es in Luxemburg mit der stark ausgeprägten, Mein-Haus-mein-Auto-mein-Büro-meine-Idee-Mentalität eine Nachfrage für diese Art von Angebot gibt? Davon sind die Hub-Pioniere überzeugt. Zum ersten Co-Kreations-Ereignis sind, ohne viel Werbung, 60 Neugierige gekommen. Kaum war das Lokal mit dem Nötigsten eingerichtet, kamen erste Nutzer. Zwar waren es anfangs nur drei. Doch im tiefsten Sommerloch sind auch andere Büros nicht stärker besetzt. Was angehende Unternehmer im Hub suchen? Anne Canel war bis April vergangenen Jahres im Bankwesen tätig. Dann ist sie ausgestiegen, hat sich als Modeschöpferin und Unternehmerin neu erfunden. Sie hat unter ihren Label AAA – keine Bonitätsbewertung, sondern das Kürzel für Audace, Allure, Ambition – eine eigene Kollektion entworfen und bietet Maßanfertigungen an. Es läuft gut. Für das erste Jahr hatte sie sich 20 Kundinnen als Ziel gesetzt. Es wurden 25, 18 wollen wiederkommen. Für das Jahr 2015 will sie ihre Kundenkartei auf 500 Kundinnen erweitern. Wie? Indem sie ihren Internetshop ausbaut. Bei internationalen Konferenzen hat sie eine neue Zielgruppe ermittelt: Business-Frauen, die gerne gut gekleidet sind. Außerdem so, dass die Business-Männer daran weder zu viel Gefallen finden, noch Anstoß nehmen können. Geschäftsfrauen, die eine Rüstung für den Arbeitsalltag brauchen. Weil die wenig Zeit fürs Einkaufen, geschweige denn für Anproben haben, will Canel ihnen Kostüme übers Internet verkaufen. Aber Kleidung nach Maß aus dem Netz – wie soll das gehen, ohne Anprobe? Über die Webcam, die die Kundinnen vor ihrem Rechner zuhause vermisst. Die Software dafür hat Canel in Zusammenarbeit mit Luxinnovation gesucht und entwickelt. Nun steht sie vor der nächsten Hürde: Wie soll die Applikation in ihre Webseite und den Shop integriert werden? „Weil The Hub so stark auf IT ausgelegt ist, hoffe ich dort Leute zu treffen, die mir sagen können, ‚das brauchst du und der oder diejenige kann das machen’“, erklärt Canel. Im Austausch dafür hat sie ihre Finanzkompetenzen anzubieten. Wie man Business-Pläne aufstellt und Investoren angeht, weiß sie aus ihrer Bankerkarriere. Weshalb aber jemand, der teure Kleidung nach Maß anbietet, überhaupt zu The Hub passt? Ihr Geschäft ist in gewissem Sinne „Fair Trade“. „Ich beschäftige europäische Handwerker“, sagt Canel. Sie näht nicht selbst. Eine Reihe von lothringischen Näherinnen führen die Auftragsbestellungen aus. Für die Business-Kostüme wird sie mit deutschen und tschechischen Näherinnen arbeiten. Auch ihre Stoffe sind europäisch, aus Naturmaterialen, ein kostbares Gut, das nicht verschwendet wird. In ihrem – noch zu entwickelnden – neuen Online-Shop will sie auch Accessoires anbieten. Immer hochwertige Ware, die individuell bestellt und gefertigt wird, von „Künstlern in ihrem jeweiligen Bereich. Schuhe beispielsweise, die von portugiesischen Schuhmachern hergestellt werden, gegen eine Vermittlungskommission von 30 Prozent. Das ist ihre Art des Social business. Im Hub sucht sie den Austausch, die Begegnung mit anderen. „Das ist mir sehr wichtig“. Ihr Atelier hingegen wird sie nicht dort ansiedeln können. „Das ist eine Einschränkung.“ Keith O’Donnell ist Mitbegründer von The Hub, hat darin Privatvermögen investiert und war „sofort bereit, sich zu engagieren“. Er ist hauptberuflich Partner der Steuerkanzlei Atoz und steht damit im kapitalistischen Luxemburg ganz oben in der Nahrungskette. Wohl deshalb geht es ihm auch darum, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Er sagt: „Wir müssen mehr Unternehmer ermutigen und ausbilden.“ Er sieht The Hub als Firmen-Inkubator der besonderen Art, wegen der sozialen Dimension. „Dass die Grenzen zwischen Unternehmertum und dem sozialen Bereich verschwimmen, ist eine relativ rezente Bewegung“, fügt er hinzu. Die er auch auf ein Gesellschaftsphänomen und einen Generationswechsel zurückführt. „Nach der Generation X kommt die Generation Y. Sie hat andere Ambitionen und denkt, anders als ihre Eltern, nicht zu erst an die materiellen Gewinn. Ihr geht es um den gesellschaftlichen Gewinn, die Umwelt“, analysiert O’Donnell. Dass die Generation Y andere Statussymbole hochhält als ihre Vorgängergenerationen, beschäftigt Meinungsforscher und Personalabteilungen schon seit geraumer Zeit. Die nach 1980 Geborenen legen demnach beispielsweise weniger Wert auf ein eigenes Büro, dafür mehr Wert auf kollegiale Zusammenarbeit, und Flexibilität in der Arbeitszeit und Urlaub. Für dieses Plus an Lebensqualität sind sie bereit, Lohneinschnitte hinzunehmen, glauben Personaler weltweit. Ob die Finanz- und Wirtschaftskrise für diesen Mentalitätswandel verantwortlich ist? Benzimra ist ebenfalls eine Finanzaussteigerin. Lopes hat bis vor kurzem für den Bekleidungsriesen H&M den betriebsinternen Wandel gemanagt. „Höchstens beschleunigt“, stimmen sie mit O’Donnell überein. Auch in Luxemburg. „Initiativen wie Objectif plein emploi, wie Co-Labor oder auch IUEOA gibt es nicht erst seit gestern“, untermauern die beiden ihre Ansichten. Auch wenn in Luxemburg alles ein bisschen länger dauert oder später kommt. The Hub beispielsweise ist ein internationales Netzwerk, wurde 2005 in London begründet. Mittlerweile gibt es weltweit 25, 50 sind im Entstehen, 4 000 Mitglieder gibt es weltweit. Ideen, wie sie im Hub entstehen: In Zürich wurde Urban Farmers gegründet. Die Initiative zielt darauf ab, ungenutzte urbane Flächen, Dächer beispielsweise, zur Gemüseproduktion und Fischzucht – in einem geschlossenen Kreislauf – zu nutzen. Welche überraschenden Ideen im Hub Luxemburg entstehen und gefördert werden, bleibt abzuwarten. Was konkret daraus wird auch. Skeptiker werden darin schlichtes Gutmenschentum vermuten. Dass aber solche Initiativen entstehen, zeigt wie auch das Projekt Kreatiffabrik in Differdingen (siehe nebenstehenden Artikel), dass es in Luxemburg Leute gibt, die nicht nur danach streben, eine Beamtenkarriere einzuschlagen. Das kann so schlecht nicht sein.
Michèle Sinner
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