Sechs Personen suchen einen Komponisten

Unvollendeter Sinnesrausch

Marie Jung, Sechs Personen suchen einen Komponisten
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d'Lëtzebuerger Land du 10.03.2017

Bühnenexperimente bergen Risiken. Die Uraufführung von Luigi Pirandellos Sechs Personen suchen einen Autor 1921 in Rom war ein Skandal. „Irrenhaus!“ skandierte das Publikum, während der Nobelpreisträger unter Beschimpfungen durch eine Seitentür fliehen musste.
Gediegen dagegen die Uraufführung von Sechs Personen suchen einen Komponisten im TNL. Der Luxemburger Komponist Claude Lenners hat aus dem Pirandello-Stoff kurzerhand ein Musiktheaterstück gestrickt. „Nur Musik kann die Geschichte und das wahre Leid der sechs Personen darstellen“, die auf der Suche nach einem Direktor in die Proben eines Orchesters hineinplatzen, behaupten Lenners und TNL-Intendant Frank Hoffmann in ihrer Bühnenfassung.
Pirandellos berühmtes Theater im Theater wird in der Lennerschen Bearbeitung zu einer Orchesterprobe, die sich dank der herumirrenden Schaustellergruppe zu einem Opernstück entwickeln wird. Gleichwohl könnten sich Liebhaber der zeitgenössischen Musik das Klanggeschehen wie ein Konzert anhören, heißt es im Begleitheft. – Ein ambitioniertes Vorhaben, das zwar am Ende stimmig ist, jedoch über zwei Stunden auch Längen zeigt. Denn das Schauspiel entwickelt sich so langsam, als wären die verstaubten Figuren wie Aufziehpuppen in Zeitlupe einer Mottenkiste entstiegen.
Einzeln treten die wachsbleichen Figuren auf die Bühne und belehren den Direktor: „Man kommt als Bühnenfigur zur Welt“, um sich dann nach Kräften zu beweisen. Streckenweise gleicht dies einem Live-Bühnencasting, das nicht frei ist von grotesken Elementen und Situationskomik. So etwa, wenn eine Putzfrau tollpatschig mit ihrem Wagen über die Bühne tapst und auf das Frauen-Orchester (Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen) prallt.
Ein Junge lehnt lässig mit einer Gitarre an einer Holzwand und wirkt dabei wie ein verhinderter James Dean; Marie Jung tanzt lasziv als Dirne im Negligé vor sich hin, während der Direktor immer wieder beteuern wird: „Aber das ist doch Literatur!“ Bis die Symbiose zwischen Orchester und Schaustellergruppe gelingt, ist es ein langer Theaterabend – bisweilen schrill-überdreht und unruhig.
„Eine Bühne ist ein Ort, an dem man so tut, als wäre alles ernst und wir spielen hier jetzt eine Oper!“, wird die Mutter einem ihrer Kinder das Prinzip erklären und das Projekt pädagogisch auf den Punkt bringen.
Am Ende steht dann aber doch ein sinnliches Fest und es ist vollbracht: Die Genres vermischen sich nahezu, das Orchester spielt virtuos mit Theater, und ein Opernstück ist geboren. Ein etwas zu langer, aber anspruchsvoller und klangvoller Abend voller Überraschungen!

Anina Valle Thiele
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