Theater

NaGa total gaga?!

d'Lëtzebuerger Land du 05.10.2018

Das Plakat bereitete selbst Kennern der Kunstszene Kopfzerbrechen. Ein großes X in den Farben des Nation Branding warb für die Eröffnung der neuen Luxemburger Nationalgalerie mit der Aufschrift „NaGa“, noch kurz vor den Wahlen. Mag man sich über die offene Verschmelzung von Kunst und Kommerz in diesem Land nicht mehr wundern, so wurde man beim Blick auf die verfremdeten Sponsoren (Deloite – Mossack Fonseca – Uberweis) doch stutzig oder zumindest neugierig ...

Ein gelungener Coup des Künstlerkollektivs Richtung22, das mit NaGa seinem Ärger über die Entwicklungen in der Kulturpolitik Luft machte. Ausgerechnet in den maroden Räumlichkeiten des Hariko in Bonneweg, zwischen Volksküche, Foyer Ulysee und Fixerstuff – einem sozialen Brennpunkt im Herzen des sich in Gentrifizierung befindenden Stadtviertels –, hat das Kollektiv die fiktive Eröffnung der Nationalgalerie angesiedelt. „Als Ort der Gründung der ersten Nationalgalerie könnte das Hariko nicht symbolträchtiger sein“, betont das Künstlerkollektiv denn auch im Vorwort der Broschüre. „Dass der Kulturminister erst stillschweigend mitansieht, wie sich die Kreativen des Hariko drei Jahre lang in einem maroden und vermutlich von Asbest befallenen Gebäude mit kaputten Heizungen und Wasserleitungen herumschlagen und schlussendlich auch dieses Gebäude noch verlieren – und parallel eine von niemandem gefragte Nationalgalerie zum Umbaupreis von 36 Millionen Euro verkündet, erfüllt uns mit Wut und stärkt unseren Willen, dem kreativ entgegen zu gehen“, heißt es weiter.

Keine Frage, Richtung22 hat seine Wut mit dem Projekt NaGa kreativ kanalisiert. Spaziert man durch die Kunstgalerie des Hariko, so finden sich zahlreiche Anspielungen auf das Nation branding der Regierung. Im Spiel des Lebens kann man Zettel ziehen und herausfinden, wo man steht. Ein Holzsarg mit einem Kreuz trägt den Titel: Le frontalier inconnu: „aufgewachsen im strukturschwachen Ausland, in Luxemburg gehasst und im Finanzsektor versklavt, gestorben im Stau auf der A3“. Feministische Plakate mit Figuren im Stile Niki de Saint Phalles und der Aufschrift „Girl, you’re your own superhero“ wirken als erfrischender Kontrapunkt zu den ermüdenden männerdominierten Talkrunden im Wahlkampf.

In der begleitenden NaGa-Broschüre, dem Nagazine, ist neben einem mit Anabolika aufgeputschten Kind, das auf dem Cover für Claude Meischs neues Buch Staark Kanner mit einem Nachwort von Georges Christen wirbt, eine gemeinsame Wahlwerbeanzeige von ADR und DP abgedruckt. Ironisch stellt Richtung22 hier heraus, wie beide Parteien in ihren Wahlprogrammen auf die luxemburgische Sprache setzen und sich in ihrem nationalistischen Diskurs („Die luxemburgische Sprache ist Teil unserer Identität und unseres kulturellen Erbes...“) kaum unterscheiden.

Etwas klamaukig wirkt dagegen das rund einstündige Theaterstück, in dem die DP und das Kulturministerium die volle Breitseite abbekommen. Da kündigt Maxi Lacour das Rahmenprogramm der Eröffnung der neuen Nationalgalerie an (mit Tanzeinlagen einer sich nackt rekelnden Sylvia Camarda), bevor Raphael Lemaire in der Rolle des Xavier Bettel grinsend das Podium besteigt und sich in Worthülsen verliert. „Die neue Nationalgalerie ist ein schönes und wichtiges Gebäude – nous sommes NaGa!“ Die Regierung habe versprochen, die Fenster weit aufzureißen; „kein Luxusburger“ müsse sich fortan mehr verstecken, denn bald werde Lëtzebuergesch sogar auf dem Mars gesprochen.

Der Infrastrukturminister baue derzeit am Findel ein Lager, um die Flüchtlinge aus der Stadt herauszukärchern... Bettel habe sich die Frage gestellt: brauchen sie den Raum oder braucht es eine Nationalgalerie? Noch lange wird der vermeintliche Kulturminister grinsend wie ein Honigkuchenpferd vor der Menge stehen – verzückt von dem Gedanken, sich mit der Nationalgalerie selbst ein Denkmal zu setzen.

Jo Cox (nicht Kox oder Koks!) fungiert als moralisches Gewissen des Kulturministers: „Dann kommst Du auch noch und benennst die Nationalgalerie nach Dir selbst ...“ Der Kulturentwicklungsplan? Ein reines Ablenkungsmanöver, um den Künstlern Partizipation vorzugaukeln und noch vor den Wahlen etwas in Sachen Kultur vorzuweisen. Denn: „Es ist viertel vor CSV!“ Dann taucht Maggy Nagel wie aus dem Nichts auf, dabei war sie doch im wahrsten Sinne des Wortes in die Wüste geschickt worden, und vollführt eine Stand-Up Comedy, indem sie bemerkt: „Mir brauchen e Plang und zwar Dalí!“ Die Kunst sei wie ein Büffet: „Mein Slogan war immer: Art à volonté!“ Bisweilen sind die Wortspiele von Richtung22 amüsant, bisweilen etwas zu forciert auf den Effekt angelegt.

Insgesamt beweist das Künstlerkollektiv mit NaGa jedoch, dass es aus den Kinderschuhen herausgewachsen ist und sich so langsam zur festen Größe in der offenen Theaterszene mausert. Und selbst, wenn Richtung22 mit seinen Performances auf Lëtzebuergesch weite Teile der hiesigen Bevölkerung ausschließt, schafft die Gruppe etwas in diesen finsteren Zeiten Notwendiges: furiose politische (Real-)Satire.

Keine weiteren Vorstellungen vorgesehen; Informationen: richtung22.org/nationalgalerie/

Anina Valle Thiele
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