Mit der Gesundheitsreform auf du und du

Abenteuer Kategorie 14

d'Lëtzebuerger Land du 12.08.2010

Änderungen wie diese fallen im Text zur Gesundheitsreform kaum auf und klingen eh nach viel Bürokratie: In Artikel 32 des Code de la sécurité sociale soll der sechste Unterpunkt von Paragraf 1 ergänzt werden durch „et 14)“.

Doch eine Kleinigkeit ist das nicht. Unter die „Kategorie 14“ fallen Studenten und Auszubildende über 18 Jahre, die weder über eine Kranken-Mitversicherung durch ihre Eltern verfügen, noch bei der CNS freiwillig versichert sind. Träte diese Änderung am Sozialversicherungsgesetzbuch in Kraft, würden sie Unternehmern und Freiberuflern gleichgestellt und müssten künftig den Arbeitnehmer- und den Arbeitgeberanteil an ihrem Kassenbeitrag übernehmen. Und nicht nur das: Bisher kommt für ihre Krankenversicherung der Staatshaushalt auf. So dass die Beitragspflicht sie gewissermaßen doppelt träfe.

Aber die Zuwendungen aus der Staatskasse hätten „avec l’implantation d’une université au Luxembourg une toute autre envergure“ angenommen „que celle visée à l’origine par le législateur de quelques cas exceptionnels“, steht zur Begründung dieser Gesetzesänderung im Vorentwurf zur Gesundheitsreform zu lesen, den Sozialminister Mars Di Bartolomeo (LSAP) Ende Juli vorstellte.

Eigentlich ist das erstaunlich. Denn die Regelung, dass Studenten ohne Krankenversicherung eine solche vom Staat finanziert bekämen, wurde gar nicht im Zusammenhang mit Hochschulstudien in Luxemburg getroffen. Vielmehr geht sie auf das Sportgesetz vom 3. August 2005 zurück und wird darin „en application“ verschiedener „mesures d’appui particulières pour le sportif d’élite” aufgeführt. Sollten Elitesportler, die gar keine sind, in großer Zahl als Studen­ten an der Uni Luxemburg weilen?

Vermutlich nicht. Denn im Sozialversicherungsgesetzbuch wird die staatlich finanzierte Krankenversicherung ausgedehnt auf alle Studenten und Auszubildenden ohne Lehrvertrag mit einem Betrieb, die zwischen 18 und 30 und ohne eigenen Versicherungsschutz sind. Nur in einer Fußnote wird auf das Sportgesetz verwiesen. Laut Generalinspektion der Sozialversicherung komme die staatliche Zuwendung allen möglichen Studierenden zugute: von den “sehr seltenen” Luxemburgern ohne eigenen Versicherungsschutz bis hin zu Studenten aus China.

Das wiederum ist ebenfalls erstaunlich. Denn wer nicht Bürger eines EU- oder Efta-Staats ist und hierzulande studieren will, erhält laut Einwanderungsgesetz ohne eigene Krankenversicherung gar keine Aufenthaltsgenehmigung. Sollte der Staat in diesem Punkt bisher besonders groß­zügig verfahren sein; vielleicht, um der jungen Uni Luxemburg zu Studierenden zu verhelfen? Dass laut Staatshaushalt 2009 für die Studen­ten-Krankenversicherungen 385 860 Euro eingeplant waren und es in diesem Jahr 378 580 Euro sind, könnte darauf hindeuten.

Der auf diese Frage angesprochene Hochschulminister François Biltgen (CSV) erklärt sich für nicht zuständig: Einwanderungsfragen seien Sache des Enwanderungsministeriums. Im Übrigen habe der Regierungsrat in den drei Sitzungen, in denen die Gesundheitsreform zur Debatte stand, darüber “so detailliert noch gar nicht gesprochen”, dass über die Maßnahmen, die Studenten betreffen, schon diskutiert worden wäre.

Politisch interessieren muss Biltgen der geplante Schritt dennoch. Sind die Lebenshaltungskosten für Studenten in Luxemburg doch alles andere als gering: Um die 800 Euro monatlich betrügen sie, rechnete die Universitätsverwaltung vor zwei Jahren aus. Nach Abzug von 350 bis 500 Euro für Unterkunft und 45 Euro für Transport blieben im Schnitt 300 Euro im Monat zum Leben (d’Land, 30.05.2008). Davon aber könnte in Zukunft knapp ein Drittel fällig werden für die Kranken-Selbstversicherung: Sie soll in Ermangelung anderer Berechnungsgrundlagen auf dem Mindestlohn für Unqualifizierte über 18 Jahre ermittelt werden. Beim derzeitigen Stand von Mindestlohn und Kassenbeitragssatz beliefe sie sich auf 93 Euro im Monat – so viel, wie ein lohnabhängig Beschäftigter zahlen muss, der den doppelten Mindestlohn verdient. Zu jobben ist Studen­ten aus Drittstaaten dagegen nur an zehn Stunden pro Woche erlaubt – durchschnittlich und über eine Referenzperiode von einem Monat. Wer sich nicht daran hält, kann seine Aufenthaltsgenehmigung verlieren.

“L’Université du Luxembourg se doit de refléter la multiculturalité de la société luxembourgeoise”, schrieb vor zwei Jahren der parlamentarische Ausschuss für auswärtige Angelegenhei­ten in seinem Abschlussbericht zum neuen Einwanderungsgesetz. “Plus que d’autres universités européennes, elle se doit d’être un modèle de tolérance, d’ouverture et de diversité en se rendant attrayante pour des étudiants du monde entier. De tels efforts doivent être accompagnés par une législation permet­tant à tous les étudiants de poursuivre des études dans des conditions de vie décentes.”

Ob der Regierungsrat die Krankenversicherung für Studenten aus Drittstaaten in diesem Lichte noch einmal diskutiert, bleibt abzuwarten. Womöglich ist die Entscheidung ja schon gefallen: Mit den öffentlichen Finanzen vertraute Regierungsbeamte weisen darauf hin, dass das Thema schon seit ein paar Jahren bei der Aufstellung jedes neuen Staatshaushaltsentwurfs auf den Tisch komme und die Höhe der Ausgaben Sorgen bereite. Sollte dem so sein, könnte sich die Frage stellen, ob Luxemburg es sich schon leisten kann, nach den Elitesportlern Elitestudenten anziehen zu wollen.

Peter Feist
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