Sind Roboter die Lösung? Wie die Gastrobranche der Automatisierung entgegenblickt

Repas sur roues

Ein Servierroboter, Kostenpunkt  12 000 Euro
Photo: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land du 04.08.2023

Effizienz Im asiatischen Restaurant Kabuki im Garer Quartier warten Managerin Anina Hu und Inhaberin Li Hongying mit einem großen Lächeln auf. Sie begleiten uns zu einer etwas mehr als hüfthohen weißen Maschine mit zwei Plastikohren, einem katzenartigen Gesicht samt Kulleraugen und Schnurrhaaren auf einem Ipad-ähnlichen Bildschirm. Der Rest der Maschine besteht aus mehreren Tabletts. Ein paar Taps von Anina Hu, und der Roboter bewegt sich auf Tisch vier zu. „Votre commande est arrivée, bon appétit!“, tönt es mit einer fast kindlichen Stimme aus dem Roboter. Einer der beiden Männer am Tisch nimmt die Sushi-Platte selber vom Tablett und setzt sich wieder hin. Die Augen auf dem Bildschirm blinzeln, dann gleitet die Maschine wieder davon, positioniert sich neben der offenen Küche, wo die Köche Sushi zubereiten. „Niedlich, oder nicht? Er heißt Kiwi“, entgegnet die Managerin, die neben Li Hongying und ihrer Tochter auch die Gäste empfangen. Ihres Wissens nach ist Kabuki das erste Restaurant in Luxemburg-Stadt, das einen solchen gastronomischen Roboter benutzt.

Die Gastrobranche digitalisiert sich zunehmend. Während der Pandemie gewöhnte man sich an hässliche QR-Codes, um die Ansteckungsgefahr zu verringern; Ipads gehören mittlerweile in vielen Betrieben zum Bestellungsinventar, in manchen Etablissements hat es bis heute keine nachhaltige Rückkehr zur physischen Karte gegeben. Viele Läden bieten vornehmlich Online-Reservierungstools an. Konkrete Daten zur Digitalisierung und Automatisierung in der hiesigen Branche werden bisher nicht erhoben. Weder Informationen zum Stand der Zahl an Menschen, denen aufgrund von Digitalisierung gekündigt wurde; noch in welchem Ausmaß Betriebe sich zunehmend für Digitalisierung und Automatisierung entscheiden. Dabei hängen Personalnot und Digitalisierung eng zusammen. Waren die Restaurant-Betreiber/innen vor einem Jahr aufgrund des Personalmangels noch völlig verzweifelt, scheint sich die Panik mittlerweile ein wenig gelegt zu haben.

Laut der Generaldirektion für den Mittelstand gab es im Dezember 2022 im Vergleich zu Februar 2020 lediglich 40 weniger Genehmigungen für Restaurants und Cafés, insgesamt waren 4 760 ausgestellt worden. Das Gastgewerbe scheint die Pandemie also einigermaßen gut verkraftet zu haben. Da-
mien Valvasori, Sprecher der Generaldirektion, verweist darauf, dass der Sektor durch Programme wie Fit-4-Digital und Sme-Package-Digital dabei unterstützt werden kann, seine Prozesse zu digitalisieren und seine Alltagsaufgaben zu vereinfachen, etwa durch digitales Marketing oder elektronische Abrechnungssysteme. Gutscheine im Wert von 5 000 Euro sind dafür vorgesehen. Daten zur Kompetenznutzung auf der Arbeit geben Hinweise darauf, wie auch die Gastrobranche dem Wandel der Arbeitswelt unterliegen wird: Laut Statec nutzen fast 60 Prozent der momentan Angestellten derzeit „digitale Kompetenzen“ am Arbeitsplatz. 50 Prozent tätigen die meiste Zeit, oder zumindest die Hälfte der Zeit, „wiederholte Aktivitäten“. Als langweilig und repetitiv angesehene Tätigkeiten könnten demnach immer weiter ausgelagert werden, und das überall. Stehlen die Maschinen dadurch Arbeitsplätze, oder schaffen sie neue – oder beides? Laut dem letzten Future of Jobs Report des Weltwirtschaftsforum (Mai 2023) hat Technologie in den nächsten fünf Jahren trotz des tiefgreifenden Wandels einen positiven Effekt auf den Arbeitsmarkt, wobei langsameres Wirtschaftswachstum, Versorgungsknappheit und steigende Produktions- und Nebenkosten als Hauptmotoren für einen Verlust an Arbeitsplätzen eingeschätzt werden. Die Automatisierung gehe langsamer voran als gedacht: Geschätzte 34 Prozent aller Business-Aufgaben werden von Maschinen übernommen, der Rest von Menschen, berichteten die befragten Betriebe. Das Weltwirtschaftsforum sagt den Maschinen für die globale Mensch-Maschinen-Interaktion bis 2027 ein Plus an acht Prozent an Aktivität voraus – damit läge die Arbeit, die Menschen weltweit 2027 verrichten, bei 62 Prozent; der Rest werde dann von Maschinen erledigt.

Pragmatismus Das ehemalige Restaurant Palais de Chine, das in der Corona-Pandemie wie viele andere Betriebe in Schwierigkeiten geriet, musste sich als Kabuki neu erfinden, um sich eine Zukunft zu sichern, erzählt Anina Hu. Sie habe sich den Kopf darüber zerbrochen, wie ein neues Restaurant aussehen könnte. Kiwi steht neben uns und blinzelt mehrmals. Das Wort Modernisierung fällt oft, sie zeigt in Richtung Hinterraum, wo das Team eine Karaoke-Lounge eingerichtet hat. Die Hauptmotivation, Kiwi für die Neueröffnung nach der Renovierung zu kaufen, sei neben den finanziellen Ersparnissen und Personalnot auch die physische Arbeit, die er dem Team abnehmen kann. Statt 40 Kilometer am Tag habe sie die Laufwege dank Roboter auf nur zehn innerhalb des Restaurants reduziert; ihr Arm könne sich ebenfalls ausruhen, statt schwere Teller zu schleppen.

Außerdem schätzt Anina Hu, dass der Betrieb durch die Investition in den Roboter eine weitere Servicekraft einspart. Kiwi kostet 12 000 Euro, oder rund fünf Monate unqualifizierter Mindestlohn, rechnet sie vor. „Er wird nicht krank, er muss sich nicht wie ich ausruhen – und er kann auch am Sonntag arbeiten.“ Sie besteht darauf, dass der Roboter nur einen Teil der Arbeit verrichtet. Er sei lediglich in einer Helferfunktion: Die Gäste werden immer persönlich in Empfang genommen, wie alte Freunde kämen die Stammgäste, um die Mitarbeiterinnen zu sehen. Kein Kontakt mehr mit den Gästen zu haben, das sei ein No-Go, immerhin verbrächten immer mehr Menschen den ganzen Tag im Büro und sähen sonst niemanden: „Die Einzigartigkeit eines Restaurants basiert auf der Qualität seines Service“, sagt sie – obwohl dieses Restaurant den Gästen bei der Ankunft ein Ipad entgegenhält, um die Bestellungen so schnell und effizient wie möglich zu tätigen. Kiwi, der zweifelsohne als Marketing-Magnet funktioniert, komme jedenfalls sehr gut an. Eine Art Garantie für Social-Media-Traffic, könnte man sagen. Man beabsichtige jedoch nicht, mehr davon zu kaufen – „sonst hätte ich ja bald keine Arbeit mehr“, sagt Anina Hu.

Asien ist weltweiter Marktführer bei der Installation von Robotern, laut der International Federation of Robotics wurden 2021 74 Prozent aller neuen Roboter dort eingesetzt. In China, dem Spitzenreiter in Sachen Dienstleistungsroboter, gibt es mittlerweile eine KI Canteen, wo Künstliche Intelligenz und Roboter gemeinsam Mahlzeiten zubereiten. Allerdings funktioniert das bisher lediglich für einfache Gerichte, und die Kosten dieser Roboter sind beträchtlich. In Cambridge hat ein Forschungsteam einen Kochroboter – der problemlos Omelettes zubereitet – nun soweit, dass er während der Zubereitung einzuschätzen weiß, wie salzig etwas schmeckt. Es gibt Flippy, eine Maschine, die Burger eigenständig und ohne zu meckern anbrät, oder Pazzi, einen robotisierten Pizzabäcker, der bis zu 80 Pizzen in der Stunde zuzubereiten imstande ist. Das gleichnamige Restaurant, in dem Pazzi in Frankreich beschäftigt war, ist mittlerweile geschlossen. Es funktionierte quasi autonom, fast ohne menschliche Beihilfe; allein die Zutaten wurden von Menschen angeliefert. Der Vorsitzende von Pazzi, Philipp Goldman, machte das Scheitern auch an einem allgemeinen Misstrauen gegenüber Robotern fest. Tatsächlich schauen Menschen Robotern, ähnlich wie der Künstlichen Intelligenz, mit einem leicht beängstigten Amüsement entgegen.

Im Restaurant Ramen Shifu in der Nähe des Bahnhofs hält man die Idee eines Servierroboters bereits für überholt und nicht sonderlich hilfreich. Bowen Hong, Inhaber, zeugt von einem noch stärker ausgeprägten Pragmatismus als die Betreiberinnen des Kabuki. Auch er spart mit seinen Ipads, die an jedem Tisch befestigt sind, Geld. Mindestens zwei oder drei zusätzliche Kellner/innen bräuchte er, wenn die Bestellungen von einem Mitarbeiter aufgenommen würden. Die Optimierung der Prozesse ist ein weiterer Grund für die digitalen Bestellungen: Jeden Tag schaut Bowen sich abends am Bildschirm an, wie viel wovon gegessen wurde. Dadurch weiß er nicht nur, wie viel grünen Tee er nachbestellen muss, sondern auch, ob das vegetarisch-pikante Ramen sich beispielsweise immer noch gut verkauft – und passt seine Karte dementsprechend an den lokalen Gaumen an.

Tradition Luxemburg hat zwar laut Horesca geschätzte 1 600 Restaurants und laut Statec insgesamt rund 19 000 Arbeitskräfte in den Restaurants (Stand April 2023), doch Tech-Innovationen hat es in diesem Bereich nicht aufzubieten. François Koepp, Generalsekretär des Gastgewerbeverbands Horesca, erklärt, der Sektor sei hier noch kaum von Automatisierung betroffen. Auch die leistungsfähigste Spülmaschine bedürfe immer noch menschlicher Hilfe. Hinter den Kulissen arbeite man in vielen Restaurants aber mit Tools wie digital managers, die die Arbeitsläufe vereinfachen, etwa, um mit KI optimale Preise festzulegen und um Vorräte zu verwalten. Er kann sich vorstellen, dass auch die steigende bürokratische Arbeitslast, die in den Betrieben aufgrund von EU-Auflagen anfalle, zu mehr Digitalisierung führt. Er unterstreicht die Wichtigkeit des Menschen in der Branche, auch die soziale Funktion, die Restaurants etwa für Personen haben, die allein wohnen. Er denkt, circa 40 Prozent der Erfahrung habe mit der Geselligkeit zu tun, die man in einem Restaurant erlebt. „Die darf nicht verloren gehen. Wir sind Gastgeber, wir müssen kommunizieren.“ In der Branche empfinden viele das genauso und wehren sich dagegen, dass es sich grundlegend verändert, sagt er.

Es dürfte schwierig werden, jemanden über 15 Jahren zu finden, der nicht zustimmen würde, dass es neben dem Essen die menschliche Interaktion zwischen dem Personal und den Gästen ist, die den Restaurantbesuch zu einer Erfahrung machen, die über das hausgemachte Fusilli-mit-Tomatensauce-Abendessen hinausgeht: Die Empfehlungen, die einem die Kellnerin am Tisch macht, der freundliche oder grantige Umgangston bei der Bestellung, die Eigenheiten eines Ladens und seiner Betreiber/innen, die man aufgrund der jahrelangen Besuche kennt.

Anruf beim Michelin-Sternerestaurant Mosconi. Die Inhaberin Simonetta Mosconi, die das Restaurant seit 1986 mit ihrem Ehemann betreibt, schließt eine fundamentale Veränderung ihrer Prozesse aus. Für die 30 Tische, die sie und ihr Mann bewirten, sei es durchaus einfacher, nicht digital zu arbeiten. Es werde nicht auf Vorrat eingekauft, sondern jeden Abend neu bestellt. Auch wenn solche Restaurants ihrer Ansicht nach so bleiben sollten, wie sie sind, sei es wichtig, dass die Klientel sich erneuert. Das habe ihr Restaurant auch ohne eine digitale Modernisierung geschafft, sagt sie. Wäre es vorstellbar, dass menschliche Interaktion dem Luxussegment unter den Betrieben vorenthalten bleibt, während in Zukunft die billigeren Restaurants digitaler und automatisierter funktionieren? François Koepp kann eine solche Entwicklung zwar nicht vollkommen ausschließen; in absehbarer Zukunft sei das aber nicht vorstellbar.

Sarah Pepin
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