Der Konkurs der Merscher Imprimerie François Faber sagt twas über die Strukturkrise der Druckereien und über die dritte Generation von Familienbetrieben aus

Ein Familienbetrieb geht unter

d'Lëtzebuerger Land du 06.11.2015

François Faber stammt aus Walferdingen. Er besuchte einige Jahre in Diekirch das Kolléisch. Nach dem Passage-Examen ging er in Longwy in die Lehre, um Buchdrucker zu werden. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, machte sich der Handwerkermeister selbstständig und gründete in Mersch seine eigene Druckerei. Er war gerade 21 Jahre alt. Es war eine Goldene Zeit des Druckhandwerks. Jedes Städtchen hatte mehrere Druckereien und jedes Stadtviertel hatte seine Druckerei, aus der das rhythmische Zischen der schweren, schwarzen Maschinen zu hören war, die Broschüren, Plakate, Briefpapier und Visitenkarten herstellten. In den Sechzigerjahren erlebte François Faber noch die Umstellung seines Betriebs vom Bleisatz auf den Flachdruck. Den Umzug in eine neue, größere Werkhalle in der Industriezone Mierscherbierg sah er nicht mehr. Vergangenes Jahr feierten seine Enkel zusammen mit Kunden, Geschäftspartnern und Lokalpolitikern den hundertsten Geburtstag der Imprimerie François Faber. Am Donnerstag vergangener Woche meldete sie Konkurs an.

Am Freitag erschien die Konkursverwalterin in Mersch. Sie sperrte die Belegschaft aus und ließ die Schlösser der Druckerei auswechseln. Damit der Betrieb oder wenigstens die Maschinen und das Material verkauft werden können, um die Schulden zu begleichen. Die höchste Schuld sind Mietrückstände. 1984 hatten François Fabers Söhne Ernest und Georges die Faber immobi­lière s.c. gegründet und ihr die ererbten Gebäude und Grundstücke der Druckerei sowie mehrere Wohnhäuser überschrieben. 965 000 Euro Miete schuldet die Druckerei Faber der Immobi­liengesellschaft Faber, die wollen sich François Fabers Enkel nun aus der Konkursmasse auszahlen lassen. Die Grundstücke im Zentrum von Mersch werden für Wohnzwecke erschlossen, vielleicht ist das rentabler als eine Druckerei.

Die Imprimerie Faber war eine größere, angesehene Druckerei, die sich nicht mit der Brotarbeit zufrieden gab. Sie erledigte auch anspruchsvolle Druckaufträge, stellte aufwändig gestaltete Publikationen her. Sie versuchte zu innovieren. Als sich überall Computer durchsetzten, stellte sie Endlospapier für Computer-Drucker her. 1999 gründete sie die Firma Faber Digital Solutions, um mit dem Zertifikat eines „professionnel du secteur financier“ Kontoauszüge drucken zu können. Auf ihrem Stand auf der ICT-Messe im Frühjahr dieses Jahres fertigte sie mit einem 3D-Drucker eine kleine Statue des liberalen Erziehungsministers Claude Meisch an.

Denn die Zeiten für Druckereien sind schwierig geworden. Bedeutende Druckaufträge gehen an industrielle Druckereien in den Nachbarländern, selbst kleinere Aufträge gegen in Billiglohnländer in Osteuropa oder Asien. Die Association des maîtres imprimeurs du grand-duché de Luxembourg (Amil) hat das Label „Printed in Luxembourg“ geschaffen, aber auch ihre Mitglieder reichen Aufträge an ausländische Subunternehmer oder Tochterfirmen weiter. Schuh- und Schlüsseldienste bieten inzwischen Akzidenzdruck an, Firmen und Vereine stellen Drucksachen am Computer her. So starben die kleinen Druckereien stumm mit ihren Besitzern. Die größeren versuchten mitzuhalten und investierten, in den technologischen Wandel, der binnen einer Generation vom Bleisatz über Fotosatz und Offsetdruck zum Computersatz und nun zum digitalen Druck führte, und in Dienstleistungen vor und nach dem Druckvorgang. Dadurch entstanden hoch verschuldete Betriebe und Überkapazitäten. Selbst Großdruckereien leisteten sich kostspielige Fehlinvesti­tionen. Die Gewinnspannen schrumpften; Druckagenten, die zwischen Kunden und Druckereien mitverdienen, verringern sie zusätzlich. Vor zehn Jahren hatte die Sankt-Paulus-Druckerei begonnen, lokale Druckereien aufzukaufen, aber auch das ging schief und führte nur zu einer kostspieligen Marktbereinigung.

Nachdem Finanzminister Pierre Gramegna Anfang des Monats den Staatshaushalt wieder auf einem USB-Schlüssel vorgestellt und sich gefreut hatte, dass umfangreiche Teile des Memorial nur noch im Internet veröffentlicht würden, forderten die Druckermeister der Amil die Regierung erneut auf, „den undifferenzierten Trend zur Digitalisierung zu überdenken“, der die Druckereien Aufträge kostet. Um Druck- und Portokosten zu sparen, werden immer mehr Dokumente, Mitteilungen und Einladungen über Internet verbreitet. Nach Angaben der Amil sank die Zahl der Druckereibetriebe zwischen 2000 und 2014 um ein Viertel von 63 auf 48. Gleichzeitig gingen 442 Arbeitsplätze verloren. Gegenüber 1 344 im Jahr 2000 beschäftigte die Branche vergangenes Jahr noch 902 Leute. Laut Handwerkskammer erreichten die Geschäfte des Druckgewerbes Anfang 2011 ihren Tiefpunkt und nahmen dann bis Anfang 2012 wieder zu. Dann stagnierten sie und verbesserten sich Anfang dieses Jahres nur leicht.

Vor dieser Entwicklung blieb die Imprimerie Faber nicht verschont. 2007 war eines ihrer besten Geschäftsjahre, als sie bei einem Umsatz von 11,56 Millionen Euro einen Gewinn von 809 098 Euro bilanzieren konnte. 2008 war das letzte Jahr, in dem ihr Umsatz deutlich stieg. Seit 2009 wies sie nur noch ein Jahr, 2011, einen bescheidenen Gewinn aus. Seither verschlechterte sich die Ertragslage unaufhaltsam. Die Verluste betrugen 2012: 691 401,0 Euro, 2013: 1 229 052,5 Euro und 2014: 1 026 492,5 Euro. Damit übertraf der Verlustvortrag vergangenes Jahr das inzwischen auf 1 948 671,7 Euro geschrumpfte Gesellschaftskapital, die Aktiva machten nicht einmal mehr die Hälfte des gezeichneten Kapitals aus. Die mit der Prüfung der Bücher beauftragte Fiduciaire internationale weigerte sich daraufhin am 19. Juni dieses Jahres, die Konten gutzuheißen. Seit 2010 wurde ein Viertel der Arbeitsplätze abgebaut.

Auch andere Druckereien scheinen ihrem klassischen Gewerbe nicht mehr recht zu trauen. Selbst die größten haben ihre Grundstücke und Fabrikhallen als wertvollstes Betriebsvermögen in getrennte Immobiliengesellschaften ausgelagert. Für zukunftsweisend gehaltene Internet-Dienstleistungen bieten sie über eigenständige Firmen an, ein Teil der Druckarbeiten lassen sie in Niedriglohnländern ausführen. Das eigentliche Druckgeschäft droht so zu einem Kostenfaktor zu verkümmern. Die älteste Druckerei, die auf die 1802 gegründete Druckerei Lamort zurückgehende Imprimerie Buck, hatte den Druckereibetrieb vor wenigen Jahren ganz eingestellt, bevor sie unter dem Namen Qatena zusammen mit ihrer slowakischen Tochtergesellschaft unterging.

Aber eine nun arbeitslose Angestellte der Druckerei Faber wehrte sich am Dienstag im Versammlungssaal des OGBL im hauptstädtischen Bahnhofsviertel: „Wir hatten genug Aufträge. Wir haben uns nie gelangweilt. Ohne den Streit in der Familie wäre die Druckerei ganz bestimmt nicht in Konkurs!“ Ihre Kollegen pflichteten ihr kopfnickend und murrend bei. Wenn es um die gemeinsamen Firmen geht, verkehren François Fabers Enkelinnen Myriam und Eliane über Anwälte mit ihrem Bruder François. In den letzten Jahren war der Verwaltungsrat nicht einmal mehr in der Lage, die Geschäftskonten von 2012 und 2013 zu stimmen. So wurden auch keine Investitionen entschieden. Dabei hätte die Druckerei eine Maschine für den Vierfarbdruck gebraucht, statt Aufträge in zwei Gängen auf einer Zweifarbenmaschine zu erledigen, klagt Ausschusspräsident Claude Ries. Nötig sei auch eine Maschine gewesen, um kleinere Formate als DIN A1 ohne viel Papierabfall zu drucken. Am 7. Februar 2013 reichte Verwaltungsratspräsident Claude Faber seinen Rücktritt ein, am 15. Mai dieses Jahres trat der nach dem Firmengründer getaufte François Faber aus dem Verwaltungsrat aus. Auch die Direktoren blieben nicht lange.

Gewerkschaften und Personalausschuss erinnern daran, dass im Juni 2009 der erste Plan de maintien dans l‘emploi begann, im November 2013 der nächste. Doch bis vergangene Woche sei die Betriebsleitung nicht mehr in der Lage gewesen, dem Konjunkturkomitee die Unterlagen über die Geschäftslage und die Lohnmasse für einen dritten Plan zuzustellen. Obwohl sich seit Anfang Oktober die Versammlungen zur Rettung des Betriebs häuften, hatte die Firmenleitung „nicht einmal mehr den Anstand“, so OGBL-Sekretär Pierre Schreiner, die 75 Angestellten über den Konkursantrag zu informieren. Statt dessen hatte der Verwaltungsrat ein knappes Kommunikee an die Presse geschickt, in dem er die Belegschaft für den Konkurs verantwortlich macht. Die Angestellten, „alle eine große Familie“, wie es noch bei der Jahrhundertfeier geheißen hatte, erfuhren im Internet vom Konkurs.

Die Firmenleitung hatte im Sommer den Unternehmensberater Tom Elvinger verpflichtet. Dem fiel nicht viel mehr ein, als eine 20-prozentige Senkung der Lohnmasse vorzuschlagen. Die Gewerkschaften waren nicht weniger ratlos, der OGBL schlug einen Augenblick lang vor, die Angestellten sollten dem Unternehmen Geld leihen, mit dem dann wohl ihre Löhne bezahlt werden sollten. Eine Mehrheit der Angestellten lehnte vergangene Woche die Lohnkürzungen ab. Die einen fürchteten, am Monatsende nicht mehr auszukommen. Die anderen wurden vom chaotischen Vorgehen der Firmenleitung abgeschreckt. Alle fragten sich, ob die zerstrittene Eigentümerfamilie überhaupt noch Lust hat, den Betrieb fortzuführen. Der Rechtsanwalt des OGBL wolle jetzt einmal prüfen, ob der Konkurs nicht gezielt herbeigeführt worden sei, meinte ­Pierre Schreiner am Dienstag. Um das Geld für einen Sozialplan und Abgangsentschädigungen zu sparen, mutmaßte Ausschusspräsident Claude Ries.

Romain Hilgert
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