leitartikel

Salonfähiger

d'Lëtzebuerger Land du 31.05.2024

Ob auch die ADR die Gefahr eines „Rechtsrucks“ in der EU erkenne, wollte die Journalistin von RTL-Radio am Freitag voriger Woche von ihrem „Invité vun der Redaktioun“ Fernand Kartheiser wissen. Und hatte vielleicht damit gerechnet, dass er zu einem Vortrag ansetzen würde, wie falsch verstanden dieser Begriff sei. Doch der ADR-Spitzenkandidat zu den Europawahlen gab ihr recht: „Ich sehe diese Gefahr.“ Er sehe allerdings auch „den Extremismus von Woken, Öko-Radikalen und Islamisten“. Seine eigene Partei würde er nicht mit Rechtsruck in Verbindung bringen. Die ADR sei einfach „méi konservativ“.

In dem Durcheinander um „Schicksalswahl“, Grünen-Bashing, den Kriegen in der Ukraine und in Gaza versucht der eloquente Ex-Diplomat Fernand Kartheiser die ADR als Mainstream-Partei zu verkaufen. Bei öffentlichen Aufftritten gelingt ihm das umso besser, wenn er in einer größeren Runde sitzt und Schreihälse teilnehmen. Erzählt zum Beispiel Jean-Marie Jacoby von der Bewegung Mir d’Vollek, dass der Klimawandel von der Sonnenaktivität abhänge und nicht vom Tun der Menschen, und dass die Regierung der Ukraine „faschistisch“ sei, ist die Rolle des Schmuddelkinds vergeben. Dann kann Fernand Kartheiser in ruhigen und wohlgesetzen Worten für den Verbrennungsmotor auch nach 2035 eintreten und für Friedensverhandlungen der Ukraine mit Russland. Kann das Programm der ADR als gesunden Menschenverstand ausgeben.

Dabei ist das ADR-Programm zu den Europawahlen nicht bloß „konservativer“ als etwa das der CSV. Die Wortwahl der ADR zur „illegalen Einwanderung“ ist nicht so weit weg von der, wie sie in Deutschland die AFD benutzt. Die seit drei Wochen aufgrund eines Gerichtsbeschlusses in zweiter Instanz auch weiterhin wegen des Verdachts auf Rechtsextremismus geheimdienstlich observiert werden darf. Die AFD beschreibt in ihrem Programm „die irreguläre und illegale Masseneinwanderung aus kulturfremden Regionen nach Europa“ als etwas, das „zum Schutz unserer Freiheit, unserer Lebensweise und unserer Identität beendet werden“ müsse. Beenden will auch die ADR sie, schreibt aber statt von Identität von der „chrëschtlech Kultur“: „Mënschen, déi an Europa kommen, hunn dëst ze respektéieren a sech an hirem Behuelen un deene Referenzen ze orientéieren“ (S. 23). Das gefährliche Fremde gibt es auch bei ihr.

Fernand Kartheiser legt Wert darauf, die ADR von der AFD abzugrenzen, mit der neuerdings – und vorläufig – weder der französische Rassemblement national etwas zu tun haben will, noch die italienische Lega. Die Fraktion Identität und Demokratie im Europaparlament hat die AFD ausgeschlossen. Ideologische und programmatische Übereinstimmungen hat das natürlich nicht beseitigt. Die mit der ADR sind auch geblieben. Im RTL-Interview sagte Fernand Kartheiser vor einer Woche auf die Frage nach einer „Zusammenarbeit“ von ADR und AFD, das habe sich „erledigt“. Dem Wort erklärte er diesen Mittwoch, wo Asylverfahren in Zukunft stattfinden, sei „sekundär“. Im ADR-Wahlprogramm steht auf Seite 39 anders: „D’Behandlung vun Asyldemandë soll méiglechst systematesch baussent dem Territoire vun der EU gemach ginn.“

Die Frage, ob die ADR rechtsextrem ist, ist müßig. Sie ist ein Vektor, der extremem Gedankengut in die Gesellschaft verhilft. Sie wendet sich an ein unschuldiges Volk und verspricht ihm Schutz. Bestimmte Kreise aber scheint es nicht zu stören, dass die ADR, die vor den Europawahlen Kreide gefressen hat, an Salonfähigkeit gewinnt. Das größere Problem liegt hier. Dass CSV und DP vor einem Monat im Parlament die ADR-Motion mittrugen, „op kee Fall“ das Einstimmigkeitsprinzip im Rat zu Steuerfragen aufzugeben, hat gezeigt, dass die Regierungskoalition keine Linie hat. Oder aber die, alles zu akzeptieren, was Linke, Sozialisten und Grüne schwächt. Dass in Luxemburg der politische Richtungspfeil nach rechts zeigt, liegt bei weitem nicht nur an Fernand Kartheiser oder noch Radikaleren in der ADR.

Peter Feist
© 2024 d’Lëtzebuerger Land