Hillenbrand, Tom: Gefährliche Empfehlungen

Let’s make it-Häppchen

Guide Gabin
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d'Lëtzebuerger Land du 03.03.2017

Tom Hillenbrand schreibt offensichtlich nach einem Erfolgsrezept: Schon zum fünften Mal schickt er seinen Luxemburger Koch mit dem kriminalistischen Talent auf die Spuren von Verbrecherbanden. Hillenbrands Romane sind längst nicht nur bei Luxemburger Lesern beliebt, die sich ins Fäustchen lachen, wenn Kieffer seine Ducal raucht, im „Omega“ am Bahnhof in Luxemburg-Stadt einkehrt, eine Lanze für Crémant bricht oder luxemburgische Schimpfwörter zum Besten gibt. Mehrere der „kulinarischen Krimis“ landeten auf der Bestsellerliste des Spiegel – der Beweis eines kommerziellen Erfolgs, von dem Luxemburger Krimi-Autoren nur träumen können. Angesichts der doch erstaunlichen Tatsache, dass ein deutscher Autor (vermutlich unabsichtlich) zum Aushängeschild der Unterhaltungsliteratur mit Bezug zu Luxemburg geworden ist und ein durchaus positives Nation Branding häppchenweise an ein breites deutschsprachiges Publikum verfüttert, wäre die Frage zu stellen, welche Fertigkeiten man sich von diesem Mann abschauen kann.

Doch zunächst zur Geschichte des neuen Romans: In Gefährliche Empfehlungen sucht Xavier Kieffer nach einer seltenen Vorkriegsausgabe eines gastronomischen Führers namens Guide Gabin, die so brisante Informationen enthält, dass Geheimdienste hinter dem Buch her sind und Mitwisser zu Tode kommen. Historischer Hintergrund dieser Geschichte ist das Kartenmaterial des Guide Michelin, das aufgrund seiner akkuraten Wiedergabe der Ortskerne im Zweiten Weltkrieg tatsächlich von beiden Seiten genutzt wurde. Obwohl es eine ganze Weile dauert, bis Kieffer sich diesen Wissensstand erarbeitet hat, wird die Lektüre nicht fad. Das liegt zum einen daran, dass sich der Autor über die vergangenen Jahre eine erstaunliche Routine erschrieben hat, die seiner Art zu erzählen zugute kommt. Die Handlung geht schnell voran, sie bleibt übersichtlich, auch wenn der Leser mehrere Stränge im Auge behalten muss, die Handlungsträger sind sympathisch.

Vorbei auch die Zeiten der überzogenen Bildlichkeit. Wenn Kieffer einen seiner schnoddrigen Vergleiche anstellt, passt der wie die Faust aufs Auge (zum Beispiel: „Sein Gebiss strahlte wie das Matterhorn“, oder: „Er war dem Koch in etwa so wohlgesinnt wie ein Frettchen einem Karnickel.“). Apropos: Auch was die Handgemenge anbelangt, lautet das Motto: Amüsemang! Setzen ihm kriminelle Schlägertrupps zu, macht Kieffer das, was ihm an Sportlichkeit fehlt, mit Spontanität und Einfallsreichtum locker wett. Auch hilft dem Roman, dass Hillenbrand mittlerweile auf eine ganze Reihe von Figuren zurückgreifen kann, die dem Leser aus den vorherigen Büchern bekannt sind: auf den trinkfreudigen Frauenheld Pekka etwa, den aalglatten Poser-Koch Esteban oder die kaltschnäuzige Lobato von der Luxemburger Polizei. Die Widersprüche und Kauzigkeiten, die den Protagonisten kennzeichnen, dürfen in Zwischenzeit ebenfalls als etabliert gelten, seine Technikverachtung genauso wie seine gute Menschenkenntnis und sein Misstrauen gegenüber Machtmenschen aller Art. Kieffer ist nicht gesellig, aber loyal, nicht ehrgeizig, aber hartnäckig, in manchen Dingen ein traditionalistischer Prinzipienreiter, aber immer wieder überraschend flexibel und kreativ, wenn es ans Eingemachte geht.

In einer Hinsicht weicht Hillenbrand allerdings vom Konzept der bisherigen Romane ab: Aufhänger für den Plot ist mit den Karten des Guide Gabin/Michelin eine historische Anekdote, kein aktueller Skandal der Lebensmittelindustrie. Vormals hatte der Autor den Leser noch mittels einer unterhaltsamen Fiktion auf den bedenklichen Einsatz von Geschmacksverstärkern hingewiesen, auf Börsenspekulanten, die die Getreidepreise manipulieren, auf gepanschtes Olivenöl oder die Schattenseiten der Fischzucht. Eigentlicher Antrieb der ersten vier Kieffer-Krimis war eine aufklärerische, wenn nicht sogar pädagogische Tendenz, den Leser zum kritischen Nachdenken über sein Konsumverhalten und seine Essgewohnheiten anzuhalten. In Gefährliche Empfehlungen kommen derartige Impulse nur noch am Rande vor, dort etwa, wo sich Kieffer an Küchenrobotern stört oder dem charakterlosen Corporate Design von Restaurantketten. Einerseits gewinnt das Buch dadurch an erzählerischer Leichtigkeit; der Leser braucht vom Lesespaß nicht direkt auf ein schlechtes Gewissen umzuschalten. Andererseits verliert die Lektüre an der Dringlichkeit, die Hillenbrands Krimis bisher über die Masse eines unabsehbaren Angebots an Kriminalliteratur herausgehoben haben, und wird zu einem harmlosen Vergnügen. Noch schöner wäre dieses Vergnügen, wenn Kieffer keine Sätze in Witz-Moselfränkisch von sich geben würde: „Du exa-
géiers mat dem Gefëmms“, „ech schwieren bäi de Kachengëtter“. Wie sollen deutsche Leser so jemals Luxemburgisch lernen?

Tom Hillenbrand: Gefährliche Empfehlungen. Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffer ermittelt. 407 S. Verlag Kiepenheuer & WitschKöln 2017.
ISBN 978-3-462-04922-0. Ca. 10 Euro.

Elise Schmit
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