Liveticker im Sommerloch

d'Lëtzebuerger Land du 28.07.2023

Unter Live – Aktuelles aus der Welt hat die RTL-Webseite vor ein paar Wochen einen Dauer-Liveticker eingerichtet. Diese Woche knallten dort unterschiedliche Headlines aneinander: „Op d’mannst 15 Doudeger bei Bootsongléck an Indonesien“, „Gréissten Evakuatiounsaktioun, déi et wéinst Bëschbränn jeemools gouf“ und „Drohnen-Attack op d’Krim“. Einmalige Events überdauernde Liveticker sind ein Nebenprodukt der Pandemie. Gab es zuvor kurzlebige Liveticker über die Rede zur Lage der Nation und Wahlen, gewöhnte man sich zwei Jahre lang an den gleichen Corona-Ticker und dessen Update-Getue.

Auf der Seite des Radio 100,7 findet man einen Newsticker. Hier wird Nationales und Internationales zusammengewürfelt. Yves Cruchten referiert in einem Feed über die Dreierkoalition, in der Kurznachricht darunter wird ein TV-Auftritt des französischen Präsidenten Emmanuel Macron besprochen, anschließend brennt erneut der Wald in Griechenland. Auch hier wurde die Monothematik, wie im neuen RTL-Ticker, aufgehoben. „Die Live- und Newsticker werden häufig aufgerufen“, sagt Radio 100,7-Geschäftsführer Jean-Lou Siweck auf Land-Nachfrage. Eine ähnliche Antwort erhält man von Pierre Weimerskirch aus der RTL-Online-Redaktion. Und beide versichern, dass ihre Ticker im Sommer keinen Urlaub machen – „er ist ein zentrales Angebote unserer Inernetseite“, so Pierre Weimerskirch. 

Früher war der Ticker eine lärmige Maschine, die pausenlos Agenturmeldungen in Redaktionen spulte. In der Regel waren das geprüfte Nachrichtentexte. Vom Format her knüpft der Newsticker von Radio 100,7 an dieses Genre an, weil es nur journalistisch aufbereitete Meldungen bringt. In der RTL-Livewelt kann es allerdings zu einer bunten Vermischung von Agenturnachrichten, Amateuraufnahmen und Social-Media-Kommentaren kommen. So verlinkte RTL vergangenes Wochenende einen Videoschnipsel von einem Sandsturm in Mexiko, der über Twitter geteilt wurde.

Das Fließband an News, die in ein Übersicht schaffendes Textgefäß gegossen werden, zeigt sich ideal auf einem Smartphone an. Dieses übertrumpft laut Beesecure in Bezug auf die Nutzungsdauer alle anderen elektronischen Geräte. Jeder zweite Teenie im Alter von zwölf bis 16 Jahren sitzt mehr als drei Stunden täglich an seinem Minicomputer. Noch höher fällt die Nutzungsdauer unter den 17- bis 30-Jährigen aus. Die Newsfeeds sind also dort, wo diejenigen sind, die ihre Finger und Augen nicht über die gedruckte Presse streifen lassen.

Handelt es sich bei den Livetickern demnach um eine Kopfgeburt des Medien- und Technologie-Zeitgeistes? In gewisser Weise, wenn man nicht übersehen will, wie Sender und Empfänger sich in der Mediensphäre angenähert haben, wie Mobiltelefon-User den Redaktionen Material zuspielen und Presseinhalte fleißig kommentieren. Aber nicht nur. Das Radio war früh im Breaking News-Modus unterwegs und versuchte schnellstmöglich über neueste Entwicklungen zu berichten. „Insofern ist es schlüssig, dass wir die Frontstellung, die wir über die Antenne erzielen, auch in Schriftform erreichen wollen“, analysiert Jean-Lou Siweck.

Stéphanie Majerus
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