Als Verfasser der Abenteuerromane Das Totenschiff oder Der Schatz der Sierra Madre ist B. Traven wohl vor allem Filmliebhabern ein Begriff: Spätestens diese Verfilmungen – die erste mit Horst Buchholz und Mario Adorf in den Hauptrollen, die zweite mit Humphrey Bogart und Walter Huston – machten nicht nur die Bücher berühmt, sondern auch den Autor, dem das Centre national de littérature in Mersch zurzeit eine Ausstellung widmet.
Doch wer war eigentlich B. Traven? Dem „Rätsel“, das der Besucher der Ausstellung am Ende getrost als gelöst betrachten kann, kamen die unmittelbaren Zeitgenossen nicht auf die Spur: Zahlreiche Journalisten und Germanisten versuchten seit den 50-er Jahren, in dem Katz-und-Maus-Spiel, das der erfolgreiche Schriftsteller mit der Öffentlichkeit trieb, die Oberhand zu gewinnen. Dass der Mann, der sich zeitweise als sein eigener Agent ausgab, in Mexiko lebte, war zwar bekannt, doch um seine Herkunft wie um seine Lebensumstände rankten sich vom Autor sorgsam gestreute Gerüchte, die sich trotz gewissenhafter Forschungsarbeit zum Teil bis heute halten1.
B. Traven war nicht, wie seine Frau in einem Interview behauptet hat, der Sohn Wilhelms II.; er war auch weder der in Chicago geborene Sohn skandinavischer Einwanderer, noch der Literatur-agent Hal Croves, als der er bei den Dreharbeiten von The Treasure of the Sierra Madre auftauchte. In mühevoller Detailarbeit trägt die Ausstellung Belege für die verschiedenen biografischen Etappen zusammen. B. Traven war demnach kein amerikanischer Staatsbürger, sondern wurde 1882 unter dem Namen Otto Feige in einer Kleinstadt in der preußischen Provinz Brandenburg (heute: Polen) geboren, wo er in einfachen Verhältnissen aufwuchs. Die beengten finanziellen Umstände erlaubten den Eltern nicht, den begabten Sohn aufs Gymnasium zu schicken. Als Metallarbeiter kam Otto Feige nach Gelsenkirchen, wo er bald als Gewerkschafter tätig wurde. Als er sich 1907 bei der Polizei abmeldete, legte er mit seiner Adresse auch seinen Namen und seine bisherige Identität ab: Als er andernorts als Schauspieler Ret Marut auf sich aufmerksam macht, als dessen Geburtstort er San Francisco angibt, profitiert er von dem Umstand, dass dort ein Jahr zuvor bei dem verheerenden Erdbeben ein Großteil der behördlichen Akten vernichtet worden waren.
Über Jahre versucht der künftige Bestsellerautor in Städten wie Danzig, Düsseldorf und München vergeblich, sich als Charakterdarsteller zu etablieren. Als er erkennt, dass aus der großen Schauspielkarriere nichts wird, kommt es zum erneuten biografischen Bruch: Ret Marut veröffentlicht in München den Ziegelbrenner, eine Zeitschrift nach dem Modell von Karl Kraus’ Fackel, die sich mit sozialen und politischen Fragen befasst. Die Artikel schreibt der Herausgeber, der sich auch später in seinen Romanen immer wieder mit gesellschaftspolitischen und ideologischen Fragestellungen befassen wird, offenbar größtenteils selbst.
Zurecht verwendet die Ausstellung viel Raum auf die Darstellung des Ziegelbrenners; hier zeigt sich nämlich, wenn man so will, das Eigeninteresse des Literaturinstituts am Autor: Der Ziegelbrenner wurde – das ist der eigentliche „Scoop“ der Ausstellung – von einigen Luxemburger Studenten aufmerksam gelesen, zu denen auch die Autoren Gust van Werveke und Pol Michels zählten. Ein von Gast Mannes herausgegebener und sorgfältig kommentierter Begleitband stellt die Korrespondenz der beiden Luxemburger mit Ret Marut vor, die sogar zu einer sporadischen Mitarbeit am Ziegelbrenner führt. Der kurze Brief- und Postkartenwechsel zeigt exemplarisch, wie bedacht auf Abschottung Ret Marut war. „Das ‚Besuche verbeten!’ gilt für alle“, schreibt er 1917 an Gust van Werveke: „Sie würden vergebens vor meiner Tür stehen.“ 2
Als die Räterepublik zu Ende geht, wird Ret Marut, mittlerweile Leiter des Presseamts und Chefzensor für sämtliche Tageszeitungen in Bayern, verhaftet. Aus Deutschland kann der umtriebige Autor noch flüchten, aber die Überfahrt nach Amerika misslingt. 1923 entgeht Ret Marut in London knapp der Abschiebehaft und heuert schließlich auf einem Dampfer an – eine Erfahrung, die später ihren Niederschlag im Roman Das Totenschiff finden wird.
Erste literarische Versuche hat der Flüchtling schon hinter sich, als er sich auf der anderen Seite des Atlantiks als „Traven Torsvan“ ausgibt, der 1890 in Chicago geboren worden sei. Ab 1926 lebt er in Mexiko, schreibt als „B. Traven“ die sozialkritischen Abenteuerromane, die ihm bald ein Auskommen garantieren, und meidet geflissentlich alle persönlichen Auftritte in der Öffentlichkeit. Mit Erfolg: Selbst dem Regisseur John Huston, von dem das CNL übrigens einen Originalbrief an B. Traven zeigt, soll nicht aufgegangen sein, dass der angebliche Literaturagent Hal Croves, mit dem er sich traf, um über die Verfilmung von Der Schatz der Sierra Madre zu sprechen, in Wahrheit der Autor selbst war. Als B. Traven 1969 in Mexico City starb, hatte er die Spuren seiner Identität auf lange Zeit völlig verwischt.
Die chronologisch geordnete Ausstellung lässt das Leben von Ret Marut/ B. Traven mit seinen radikalen Umschwüngen und Brüchen selbst wie einen Abenteuerroman erscheinen: Hier lohnt es sich wirklich, die erläuternden Plakate der Reihe nach aufmerksam zu lesen und sich nicht nur an den Exponaten entlang zu hangeln. Beim Verschleiß an Pseudonymen unter den einheimischen Autoren mag es höchstens verwundern, dass die Ausstellung – möglicherweise aufgrund fehlenden Belegmaterials – nicht näher auf die Konzeption der verschiedenen Namen eingeht, die sich der Autor im Lauf seines Lebens zulegte: In Internetforen wird zum Beispiel darüber spekuliert, was es mit „Ret Marut“ als Anagramm von „Der Traum“ auf sich hat3. Immerhin werden so die Wünsche des Autors selbst gewahrt, man möge sich lieber an das Werk halten als an die Person.
Die Dame, die sich im Gästebuch des Instituts dafür ausspricht, dass B. Traven in die Lehrpläne der Schulen aufgenommen werde, sei übrigens beruhigt: Dort ist er längst4.