Korruption, heißt es plötzlich, gab es bereits länger im Mittelstandsministerium. Ohne das Wissen des Ministers?

Das Vermächtnis des Fernand Boden

CSV, congrès du parti
d'Lëtzebuerger Land du 03.03.2017

First things first Es ist ihm gelungen: Gaston Vogel, Verteidiger von Joseph L., dem Hauptangeklagten in der Fälschungs- und Korruptionsaffäre, die derzeit vor dem Strafgericht verhandelt wird, hat eine Affäre in der Affäre geschaffen. Was er damit bezweckt, ist nicht ganz klar. Denn sein Mandant ist geständig. Joseph L. und den sieben weiteren Angeklagten wird in verschiedenen Konstellationen Unterlagenfälschung, aktive und passive Korruption vorgeworfen, im Hinblick auf die Beschaffung von Handelsermächtigungen. Unabhängig davon, wie die ehemalige konsultative Kommission für die Genehmigungen im Mittelstandsministerium – sie ist seit 2008 abgeschafft –, die die Anträge begutachtete, funktionierte oder eben nicht, unabhängig davon, ob es strikte Prozeduren zur Handhabung der Anträge gab: Unterlagen fälschen, Dossiers aus dem Ministerium herausgeben, Geld zahlen oder welches annehmen, durften die Angeklagten nicht.

Nebenkriegsschauplatz Dennoch ist das Geschehen auf dem Nebenkriegsschauplatz interessant, weil es letztlich zu der Frage führt, wie der ehemalige CSV-Minister Fernand Boden sein Ministe­rium führte und was er von Korruptionsvorwürfen gegen Mitarbeiter wusste, noch bevor die jetzt Angeklagten ihre mutmaßlich kriminellen Geschäfte aufnahmen.

Nëmme Mëscht Laut Vogel funktionierte die Kommission nicht. Dort, so sein lautstark und mittels allerlei Kraftausdrücken vorgetragener Vorwurf, hätten VIPs aus verschiedenen Ministerien und den Berufskammern Jetons kassiert, ohne ihren Auftrag zu erfüllen, die Anträge zu prüfen. Wie sonst sei zu erklären, dass niemandem die Fälschungen aufgefallen wären, wenn doch immer das gleiche Muster angewandt worden sei, die gleichen Zertifikate vorgelegt worden seien, mit der gleichen Unterschrift und dem gleichen Stempel?

Vorausgesetzt, Vogels Altersweisheit lässt ihn nicht im Stich, missversteht er die Sachlage absichtlich. Denn die strittigen Zertifikate gehen auf eine EU-Richtlinie über die Anerkennung der Berufsqualifikationen zurück. Dass solche Zertifikate nicht nur von portugiesischen Staatsbürgern eingereicht wurden, sagte ein ehemaliger Mitarbeiter des mittlerweile vom Wirtschaftsministerium geschluckten Mittelstandsministeriums vor Gericht aus. Es handelt sich dabei um Formulare, auf denen Berufserfahrung und Ausbildungsdiplome eingetragen werden. Dass sie alle gleich aussehen, ist nur normal. Dass der gleiche Beamte der portugiesischen Industriekammer sie unterzeichnet hat, muss kein Indiz für einen Missstand sein, sondern kann auch einfach darauf zurückzuführen sein, dass es eine Person gibt, deren Job es ist, diese Zertifikate auszustellen. Ganz legitim. Und sie offensichtlich mit dem gleichen Stempel abstempelt. Dass es mehr portugiesische als beispielsweise dänische Zertifikate gab, hängt nicht zuletzt mit der Zusammensetzung der Bevölkerung zusammen.

Kein halbes Prozent Rund 300 „falsche“ Handelsermächtigungen aus dem Zeitraum 2002 bis 2007 konnten die Ermittler der Kriminalpolizei ausfindig machen. Das sind zwar längst nicht so viele, wie der Steuerbeamte Marius Kohl Rulings ausstellte, lässt aber doch vermuten, dass auch der portugiesische Mitarbeiter der Industriekammer Fließbandarbeit leistete. Doch als das Mittelstandsministerium am 24. April 2006, ein Jahr bevor die derzeit verhandelte Affäre aufflog, mitteilte, der Genehmigungsprozess für das Ausstellen der Handelsermächtigungen sei nun vom Tüv-Cert ISO-zertifiziert, lieferte es im Presseschreiben folgende Statistiken mit: 2002 gingen 7 954 Anträge ein, 2003 8 342 Anträge, 2004 10 248, 2005 10 950 und laut dem ehemaligen Regierungsrat im Mittelstandsministerium Emmanuel B. wurden 2007 12 000 Anträge bearbeitet. Insgesamt sprachen sich die Mitglieder der konsultativen Kommission also von 2002 bis 2007 für oder gegen die Gewährung von über 60 000 Handelsermächtigungen aus. Im Vergleich zu dieser Menge an Anträgen stellen die „falschen“ Handelsermächtigungen keine 0,5 Prozent dar.

Christian S., der im Mittelstandsministerium für die Handelsermächtigungen zuständige Beamte, führte deshalb nicht nur die ISO-Prozedur und Zertifizierung ein, sondern ließ die konsultative Kommission zwei- statt einmal wöchentlich tagen. Zwischen 100 und 200 Dossiers pro Sitzung nahm sie durch, damit es schneller voranging. In der Pressemitteilung von April 2006 heißt es stolz, es dauere nun im Schnitt 19 Tage, bis eine Handelsermächtigung ausgestellt werde. Vor Gericht sagte Christian S. aus, er habe auch zusätzliches Personal verlangt, um die Anträge vorzubereiten, damit es schneller gehe. Das sei ihm lange verwehrt geblieben. Die Arbeitsteilung sah deshalb vor, dass Raymond S. und ein Kollege alle Anträge in der Kommission vorstellten, die eindeutig und vollständig waren. S. selbst stellte die Anträge vor, deren Sachlage nicht so eindeutig war.

Eine zu effiziente Verwaltung Am Mittwoch zauberte Benoît Entringer, Verteidiger von Simone B., ehemalige Mitarbeiterin im Ministerium, ein ihm „anonym“ zugeschicktes Schreiben hervor, auf das indes nur Mitarbeiter des Mittelstandsminis­teriums Zugang hatten, und brachte so Christian S. in Verlegenheit. Es handelt sich um einen Antrag zur Überschreibung einer bestehenden Handelsermächtigung auf einen neuen technischen Geschäftsführer, den die Anwaltskanzlei, die S.s Frau beschäftigte, im März 2007 eingereicht hatte. Er wurde dem Anschein nach am gleichen Tag von der Kommission begutachtet, an dem er beim Ministerium einging. So wollten die Verteidiger S. unterstellen, er habe den Antrag bevorzugt behandelt, weil er aus der Kanzlei komme, bei der seine Frau beschäftigt war. Was das „anonyme“ Schreiben nicht zeigt, ist, wie lange schon Unterlagen beim Ministerium vorlagen, wann die definitive Genehmigung ausgestellt wurde und wer das Dossier bearbeitet hatte. Obwohl S. von der Staatsanwaltschaft nichts vorgeworfen wird und sie ihn im Prozess als Zeugen aufgerufen hatte, musste er sich verteidigen, er habe die anderen Kommi­sionsmitglieder in jedem Fall darauf hingewiesen, dass seine Frau in der betreffenden Kanzlei arbeitete, und darauf aufmerksam gemacht, dass mehr Personal notwendig sei, um solchen Situationen vozubeugen. Was das Schreiben durchaus zeigt, ist erstens, dass keine Eile bestand, da eine gültige vorläufige Genehmigung vorlag. Und es verdeutlicht zweitens, wie schnell die Dossiers in der Kommission abgehandelt wurden. Die Mitglieder setzten ihre Unterschrift auf ein Formular, in dem per Hand eingetragen wurde, wie viele von ihnen für eine Genehmigung und wie viele dagegen gestimmt hatten. Christian S. versuchte zu erklären, dass man die Bearbeitungszeiten dermaßen reduziert hatte, dass die Bearbeitung am Eingangstag ebenso gewöhnlich gewesen sei wie das Ausstellen einer Genehmigung binnen einer Woche. S. musste sich quasi dafür entschuldigen, dass im Mittelstandsministerium zu effizient gearbeitet wurde.

Trau dech Eine Genehmigung binnen einer Woche? Darüber mag mancher in der Privatwirtschaft staunen, je nachdem, wann er seine eigene Genehmigung beantragt hat. Denn 2004 hatte das Mittelstandsministerium einen Bericht über die Reduzierung des Verwaltungsaufwands vorgelegt, später machte Staatsminister Jean-Claude Juncker (CSV) die simplification administrative zur Chefsache und das Omnibusgesetz wurde erst vor wenigen Wochen gestimmt. Während allerhand Initiativen à la „Trau dech“ und „1,2,3 Go“ ins Leben gerufen wurden, um den Unternehmergeist zu beschwören und junge Leute zur Unternehmensgründung zu motivieren, wurde sich in Unternehmerkreisen gleichzeitig über die langen Wartezeiten bei der Ausstellung von Handelsermächtigungen beschwert. Vor der ISO-Prozedur konnte es durchaus mehrere Monate dauern, bis aus dem Mittelstandsministerium eine Handelsermächtigung erging. Das lag einerseits natürlich an der großen Masse von Anträgen und am wenigen Personal, das sie bearbeiten sollte. Aber auch an S.s Vorgänger als Präsident der konsultativen Kommission und Zeichnungsberechtigten der Genehmigungen: Albert F.. Christian S. sprach bei seiner Anhörung im Vorfeld des Prozesses erstmals aus, was bis dahin scheinbar niemand hatte beweisen können. „Je peux vous dire qu’il était de notoriété générale que Mon­sieur F. était corrompu. Souvent il se présentait les dix dernières minutes [in den Kommissionssitzungen, Anmerkung der Red.] pour faire signer ses dossiers particuliers, généralement six à douze dossiers par réunion et que tout le monde signait même si certains semblaient le faire à mon avis à contre-cœur. Je l’avais signalé à Monsieur B. [Regierungsberater von Fernand Boden, Anmerkung der Red.]. Même si ce dernier était de mon avis, il n’a pas réussi à faire sortir Monsieur F..“ In Unternehmerkreisen riet man angehenden Firmengründern zu Fs. Zeiten, selbst wenn alle Bedingungen zur Vergabe einer Handelsermächtigung erfüllt waren, einen Geldumschlag bereit zu halten, falls man innerhalb eines überschaubaren Zeitraums seine Genehmigung haben wollte. F. hatte mehr Zeit als die Firmengründer, er konnte monatelang auf Dossiers sitzen bleiben, wenn er wollte. Deshalb sagte Christian S. auch diese Woche noch vor Gericht, die Beschleunigung der Genehmigungsprozedur sei wichtig, weil dadurch Anreize zur Korruption verschwinden würden.

Da Christian S. angab, Emmanuel B., der das Ministerium mittlerweile verlassen hat, ebenfalls von der Staatsanwaltschaft als Zeuge geladen, über F. ins Bild gesetzt zu haben, musste sich dieser am Dienstag die Frage gefallen lassen, was er daraufhin unternommen habe. Es war für den übervorsichtigen B. ein sichtlich unangenehmer Moment. Er holte erst einmal tief Luft und schwieg. Nach einigem Ringen erklärte er, man habe Albert F. mehrmals darauf erklärt, „dass das nicht geht“. Dann legte B. wieder eine Pause ein und zuckte mit den Schultern. Dann fuhr er fort. F. sei am Karriereende gewesen. Er habe den Minister, mangels Beweisen mit anderen Worten, darauf hingewiesen. Seines Wissens, so B., sei daraufhin „nichts passiert“.

Am Mittwoch bestätigten weitere ehemalige Mitarbeiter des Mittelstandsministeriums, darunter der Angeklagte Raymond S., Christian S.s Darstellung, wonach Albert F. jeweils nur mit ein paar Dossiers gegen Ende der Kommissionsitzungen aufgetaucht sei. In seinem Büro hätten sich die Antragsakten gestapelt, seine Sekretärin habe mitunter die Herausgabe verweigert.

Kein Vertrauen in die Justiz Vor allem berichteten sie, schon früher, zu Zeiten, in denen Albert F. bereits stellvertretender Präsident der konsultativen Kommission war und über eine Unterschriftsbefugnis für die Genehmigungen verfügte, zweimal Geld in Umschlägen entdeckt zu haben. Einmal habe der Mitarbeiter einen Antrag am Schalter entgegengenommen und den Umschlag wegwerfen wollen. Daraufhin habe ihm der Antragsteller gesagt, er solle vorher lieber hineinschauen. Er habe darin 1 000 Franken entdeckt und flugs den Antragsteller auf Nimmerwiedersehen mitsamt Geld und Unterlagen wegschickt. Ein weiteres Mal seien in einem Umschlag 10 000 Franken entdeckt worden. Den Umschlag, sagte der ehemalige Mitarbeiter im Mittelstandsministerium, habe er daraufhin auf Geheiß seines Vorgesetzten persönlich den Justizbehörden übermittelt. Ob eine Untersuchung wurde, wisse er nicht. Sein damaliger Arbeitskollege, der ebenfalls aussagte, meinte, er habe damals das Vertrauen in die Justiz verloren.

Die Angeklagte Simone B. sagte am Donnerstag aus, auch Albert F. habe ihr Dossiers zur Vorbereitung für die Kommission gegeben, manchmal mit dem Hinweis, sie kämen von Joseph L. und ihr später gesagt, sie könne auch direkt Dossiers von ihrem Verwandten entgegennehmen. Albert F. hat die heute Angeklagten quasi eingeführt.

F. kontrollierte zu seiner Zeit aber nicht nur die Handelsermächtigungen. Er konnte unter Fernand Boden Positionen kumulieren, die ihm die Kontrolle von Anfang bis zum Ende der Kette gaben: Von der Examenskommission der Berufskammern über die konsultative Kommission für die Handelsermächtigungen bis hin zu den staatlichen Beihilfen für Unternehmen hielt er zeitweise alle Fäden in der Hand. Sogar für einen lupenreinen Beamten eine Konzentration von Macht.

Genehmigungsverweigerung mit Todesfolge Selbst wenn Fernand Boden in den Jahren vorher nichts von alledem mitbekommen haben sollte, musste er sich spätestens im Herbst 2004 Fragen stellen. Denn am 5. Oktober 2004 übergoss sich Maggy Delvaux-Mufu Mpia, 42-jährige Mutter von drei Kindern, gegen 11.45 auf der Place d’armes mit Bezin und steckte sich selbst in Brand nachdem sie „ich bin Opfer von Rassismus“ schrie. Mag sein, dass dies teilweise ein Irrtum war und sie vielleicht Opfer eines korrupten Beamten sowie protektionistischen Reflexen war. Delvaux Mufu-Mpia, stellte sich kurz danach heraus, wusste keinen Ausweg mehr aus der finanziellen Misere, in die sie und ihr Mann geraten waren, nachdem sie einen Autohandel mit Werkstatt in Oberwampach übernehmen wollten. Doch ihr Mann erhielt trotz Ingenieur-Diplom „mécanique générale“ und Berufserfahrung unter Albert F. keine Handelsermächtigung für eine Autowerkstatt, weil er kein Automechaniker sei. Sie legten ein Widerspruchsverfahren (recours gracieux) gegen die Verweigerung ein. Das Mittelstandsministerium, beziehungsweise der zuständige Beamte, Albert F., ließ die Drei-Monatsfrist ohne Antwort verstreichen. Daraufhin leiteten sie ein Streitverfahren ein; sechs Monate waren seit dem ersten Antrag vergangen. Am 14. Januar 2004 bekam das Ehepaar Delvaux vor dem Verwaltungsgericht Recht. Das Gericht lehnte die Argumentation des Ministeriums und der Handwerkskammer, Olivier Delvaux’ Ingenieur-Diplom sei zu generell und deshalb einem Meisterbrief als Automechaniker nicht ebenbürtig, ohne Wenn und Aber ab. Erst danach konnte die Genehmigung ausgestellt werden, die die Delvaux wirklich brauchten. Doch da hatten die Mitarbeiter bereits gekündigt, die Familie war hochverschuldet und der Autohersteller entzog die Konzession.

Großherzogin Maria Teresa besuchte Maggy Delvaux-Mufu Mpia in Metz im Krankenhaus bevor sie starb. Fernand Boden wies jede Verantwortung seines Ministeriums von sich, seine Beamten hätten sich „korrekt“ verhalten. Das Tageblatt zitierte Tage später Ted Matgen, den stellvertretenden Direktor der Handwerkskammer. Die Leidensgeschichte von Maggy Delvaux-Mufu Mpia bezeichnete der als „Räibergeschichten“ und sagte, es habe keinen Grund gegeben, „esou en Zauber ze maachen“.

Ruhet in Frieden Matgens Name fällt dieser Tage oft vor Gericht, weil er die Handwerkskammer in der konsultativen Kommission vertrat. Gerne würde ihn die Verteidigung als Zeugen aufrufen, weil er von heftigen Diskussionen im Zusammenhang mit den Handelsermächtigungen für die portugiesischen Staatsbürger berichtet haben soll. Matgen wird nicht erscheinen, er ist verstorben. Nachdem sich Delvaux-Mufu Mpia angezündet hatte, erklärte Handwerkskammerdirektor Paul Ensch gegenüber Le Jeudi: „Le droit d’établissement est de plus en plus liberalisé. Nous ne nous opposons pas au fait que, sous conditions, des ressortissants d’autres pays créent des sociétés.“ Das Verwaltungsgericht habe ihnen Recht gegeben, Delvaux habe sich niederlassen können, so Ensch, der sich von Matgens Aussagen distanzierte. Dass Staatsbürger anderer Länder via Äquivalenzen die Meisterprüfung umgehen konnten, gefiel den Handwerkern gar nicht, die auch an anderer Stelle Protektionismus übten. Beispielsweise indem via ausschließlich deutschsprachige Meisterprüfungen eine natürliche Selektion durchgeführt wurde.

Nachdem die „falschen“ Handelsermächtigungen aufflogen, wurde Albert F. angehört. Angeklagt wurde er nie, schon damals wies man in Justizkreisen darauf hin, der Gesetzeslage nach belaste sich jeder der ihm Geld gegeben habe, selbst zu schwer, als dass jemand aussagen würde, und man F. deshalb nichts nachweise könne. Seither sind zehn Jahre vergangen. Letztes Jahr ist Albert F. verstorben. Er war, wie Angeklagten bestätigten, ein Bekannter von Joseph L., der in ihn in seinem Büro besuchte.

Ein Gruß aus dem CSV-Staat Fernand Boden wurde von der Staatsanwaltschaft nicht einmal als Zeuge aufgerufen, obwohl er selbst, Joseph L. und Simone B. gegenüber den Ermittlern bestätigten, dass der Minister die beiden samt Ehegatten und der kleinen Tochter von Simone B. bei sich zu Hause in Echternach empfing. Der Besuch fand statt, nachdem der Minister vom Verdacht gegen Joseph L. und der am 3. April 2007 von ihren Vorgesetzten vorgeladene Simone B. erfuhr. Boden ließ zwei Tage vor dem Osterwochenende verstreichen, so dass erst am 10. April Anzeige erstattet wurde. Ein Rausschmiss von Simone B. und Raymond S. wegen schweren Fehlverhaltens, erklärte Emmanuel B. am Dienstag, hielt man für zu riskant, deshalb blieben Simone B. und Raymond S. einstweilen auf ihren Posten, obwohl beiden zugegeben hatten, Joseph L. behilflich gewesen zu sein. Nach einiger Zeit wurden sie ohne Disziplinarverfahren in ein anderes Boden-Ministerium versetzt. Dort sind sie für die Vergabe der Beihilfen zuständig, also in einer Position, in der sie mit Antragstellern zu tun haben, die von ihnen etwas brauchen, nämlich Geld. Ein Vorgang wie ein Gruß aus der Vergangenheit, aus dem CSV-Staat.

Mancher Prozessbeobachter mutmaßt jetzt schon, dass die Verteidigung im Falle von Verurteilungen der acht Angeklagten in Berufung geht, bis die Sache in Straßburg landet und Luxemburg dort wegen zu langer Fristen verurteilt wird. Von den Antragstellern der falschen Handelsermächtigungen, fast alle Portugiesen, wurden in den vergangenen Jahren vielen bereits der Prozess gemacht. Wie viele, konnten die Justizbehörden auf Nachfrage nicht genau feststellen.

Michèle Sinner
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