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Citizen Mank

d'Lëtzebuerger Land du 15.01.2021

Nachdem Netflix bereits für Martin Scorseses aufwändiges Gangsterdrama The Irishman die nötige Finanzierung zur Verfügung stellte, verhalf der Streaming-Dienst nun auch David Fincher, einem weiteren bekannten Zeitgenossen Hollywoods, zu der Realisierung eines lang gehegten Wunschprojekts: Basierend auf einem Drehbuch seines Vaters, Jack Fincher, erzählt Mank von der spannungsreichen Entstehungsgeschichte des Films aller Filme: Citizen Kane. Auf den Ranglisten der besten Filme aller Zeiten belegt der Film von Orson Welles aus dem Jahr 1941 den ersten Platz. In der britischen Filmzeitschrift Sight & Sound wurde er erst 2012 im Rahmen einer Umfrage nach rund 50 Jahren von Alfred Hitchcocks Vertigo abgelöst. Citizen Kane ist zweifellos ein wichtiger Film für die Filmgeschichte, seine Drehbuch-autorschaft ist aber umstritten. Die einflussreiche Filmkritikerin Pauline Kael griff den Wunderregisseur Orson Welles in ihrem Buch Rising Kane offen an, und stellte den Drehbuchautor Herman J. Mankiewicz, Bruder des bekannten Regisseurs Joseph Mankiewicz, ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Autorschaft und damit verbunden die damaligen Innovationen in der Filmsprache, die Citizen Kane so berühmt machten, seien zuvorderst sein Verdienst. Somit stellte sie sich offenkundig gegen die aus Frankreich stammende Wertschätzung des Filmregisseurs als Auteur, der zufolge der Regisseur als alleinige kreative Künstlerinstanz für ein Werk verantwortlich sei.

Damit ist der kontextuelle Rahmen von Mank gesetzt: David Fincher folgt in seinem Film den Auslegungen Kaels und setzt Gary Oldman als alkoholabhängigen, impulsiven und einfallsreichen Mankiewicz prominent in Szene, der von Tom Burke verkörperte Orson Welles kommt im Film indes kaum vor, bleibt eher blass. Und so ist Mank denn auch keine reine Rivalitätsgeschichte, kein Duell zweier Künstlerpersönlichkeiten, sondern versteht sich eher als Plädoyer für die immer mehr in Vergessenheit geratenen Drehbuchautoren aus Hollywoods goldener Ära. Mank erfindet die Filmsprache gewiss nicht neu, folgt seinem Vorbild aber vor allem in Bezug auf seine Erzählweise: Mittels einer komplexen Rückblendenstruktur erzählt Fincher von den Begegnungen und den Rückschlägen, die Mankiewicz während seiner Zeit in Hollywood erlebt hat und die ihn beim Schreiben des späteren Drehbuchs inspirierten. Der Zeitungsmogul William Randolph Hearst (Charles Dance) und dessen Geliebte Marion Davies (Amanda Seyfried) sollen so etwa ihren Weg ins Drehbuch zu Citizen Kane gefunden haben. Im Gegensatz zu Netflix‘ märchenhafter Serie Hollywood will Mank ein erdrückendes Gefühl von diesem einstigen Hollywood vermitteln, das hinter der Fassade als Traumfabrik Menschen als Ware denkt, sie aufbaut und fallen lässt.

Ein wichtiger Künstler in der Entstehungsgeschichte von Citizen Kane, Kameramann Gregg Toland, tritt im Film gar nicht auf. Fincher und sein Kameramann Erik Messerschmidt erweisen diesem wichtigen Bildermacher der klassischen Studiozeit freilich ihre Hochachtung, indem sie seine Bildsprache zitieren: Von der Lichtführung zu den Großaufnahmen, zu den eindrücklichen untersichtigen Kameraperspektiven bis zur Tiefenschärfe erweisen sie dem Filmklassiker ihre Reverenz, schaffen Bildzitate im Bild. Alles Zitieren hilft aber nicht darüber hinweg, dass der Erzählfluss unter der hohen Dialogizität leidet. Überhaupt wirkt der Schwarz-Weiß-Film wie aus der Zeit gefallen: Es ist ein Film, der altmodisch ist und diese Altmodischkeit bewusst inszeniert. Aus diesem Umstand heraus wird erklärbar, warum die großen Filmstudios Hollywoods David Finchers neuen Film ablehnten, immerhin liegt sein letztes Werk Gone Girl rund sechs Jahre zurück. Netflix indes bedient damit die Nische in deren Angebot, die sich nicht an die breite Masse, sondern an ein filmgeschichtlich bewandertes Publikum richtet. Wie selbstverständlich scheint das Streaming-Portal sich darauf zu verlassen, dass die Abonnent/innen, die sich Mank ansehen werden, auch Citizen Kane kennen, dabei befindet sich der Film noch nicht einmal in Netflix’ Filmkatalog – das ist schon eine perfide Geschicht-vergessenheit höherer Ordnung.

Marc Trappendreher
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