Die kleine Zeitzeugin

Taskforce Schweinchenpest

d'Lëtzebuerger Land du 28.09.2018

Schweinepest statt Schweinegrippe, schluck, und es gibt nicht mal eine Schluckimpfung, es ist zum rinderwahnsinnig werden.

Aber schon heißt es, sie sei nicht gefährlich für den Menschen, selbst wenn wir Pestfleisch oder Restpestfleisch essen. Und schon wird es total uninteressant für alle, die nicht ein paar Tausend Paarhufer_innen Kost und Logis gewähren, wofür die nur mit dem Leben zahlen. So what?, denkt sich Schreckensexpertin, tragisch für die Betroffenen zwar, aber jetzt nicht direkt für mich, widerborstig zwar, aber doch nicht dem Borstentierreich zugehörig. Offiziell.

Obschon wir, grübelgrübel, doch wirklich sehr viele Gemeinsamkeiten haben, beinahe nur. Fett, Hängebäuche, Panikattacken, den Hang, uns zu suhlen, manche von uns gehen gar schon Couch-Potato-Partnerschaften mit einem dieser gemütlichen Wesen mit dem legendären Gemüt ein. Unsern Soul Brothers und Sisters, man schaue ihnen nur in die verschmitzten blond bewimperten Augen, sie haben Humor, von Katzen lässt sich so was wohl nicht behaupten. Ganz zu schweigen von der ebenso legendären Intelligenz.

Wie sollen wir diesen Virus davon überzeugen, dass wir nur entfernte Verwandte sind?

Denn er ist schließlich schon da, total nah, er steht schon vor dem Tor. Auf leisen Wildschweinchensohlen beziehungsweise Paarhuferhufen ist er aus Polen und dem Baltikum und Russland gekommen, in Afrika ist er einfach aufs Schiff gestiegen, Kurz hat nicht aufgepasst. Und jetzt begehrt er vorfreudig Einlass in unser Schweinchenparadies. Mehr als 150 000 warten auf ihn. Aber wir sind schweinchen- und bauernschlau zugleich und lassen ihn nicht rein!

Alles gut organisiert. Muss es ja auch, unter Organdealer_innen geht es manchmal ziemlich schweinisch zu. Es muss also alles ganz genau dereguliert sein. Auf dem luxemburgischen Landwirtschaftsportal zum Beispiel ist nicht von Schweinehaltung, sondern von Schweineproduktion die Rede. Die erfolgt in geschlossenen Produktionssystemen. Es gibt Zucht- und Mastschweine und Ferkel. Auf Fro de Bauer, einem Internet-Portal zur Image-Pflege, hält ein Jungbauernkalenderbauer ein Schweinchen-Babe im Arm. Hier kann man sich informieren, so einen Bauern sieht man ja sonst nur noch im Fernsehen, und da sucht er immer nur eine Frau. Nie lugt er mehr hinter dem Misthaufen hervor, um mit denen aus der Stadt bärbeißig freundlich zum Schweinekoben zu stiefeln, wo Schweinefamily-
life live zu bewundern ist, die Stadtmenschenkinder quieken freudig.

Auf Fro de Bauer ist die Würde der Tiere, die ja in Luxemburg gesetzlich verankert ist, kein Thema, wahrscheinlich fragt keiner danach. Dafür lernen wir rauschige Säue kennen, die besamt werden, um dann abzuferkeln. Während ihre Mütter, die Altsäue, der Nahrungskette zugeführt werden. Ihr Fleisch, für ältere Damen klingt das Lob überraschend, sei fest und beherzt. Väter scheint es hier nicht zu geben, Großväter schon gar nicht. Eber, bei den Germanen noch Heilige, kann man nur über exklusiv luxemburgisches Spitzenschweineperma anbietende Spitzenschweinespermaanbieter kontaktieren. Von diesen Absahnern werden sie wöchentlich pünktlich abgesamt.

Kein Wunder, dass die Viren Schlange stehen und sogar aus Afrika kommen!

Aber sie werden raffiniert ausgesperrt, Hochrisikozonen abgesperrt. Eine Schweinchenschlau- Taskforce wird aufgestellt. Aber kaum denkt man, kein wildes Schweinchen könne unerlaubt so ein Hausschweinchen, wie die Todeszelleninsass_innen etwas irreführend genannt werden, daten oder ihm ein Geschenk machen – Wildschweinragout zum Beispiel –, tritt ein neuer Verdächtiger auf die Weltbühne. Der osteuropäische Fernfahrer! Er kommt aus diesem Osten und hat sicher ein Essen mit, ebenfalls aus diesem Osten, wahrscheinlich was Schweinisches. Von Fernkraftfahrern aus Osteuropa importierte Essensreste stellen eine Infektionsgefahr für die heimische Fauna dar, warnt Doktor Wildschutz, der Direktor der Veterinärinspektion. Besonders, da die Lebenserwartung der Viren in Lebensmitteln so hoch ist. Also unbedingt Warnschilder auf Rastplätzen und Flughäfen aufstellen.

Keine blinden afrikanischen Passagiere in deiner Ostwurstsemmel!

Michèle Thoma
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