Noch vor der Regierungserklärung des Premiers erwartet sich der Unternehmerverband UEL das „letzte Angebot“ des Finanzministers über den Staatszuschuss zur Mutualität der Unternehmen

Die Kuh, die vom Eis muss

d'Lëtzebuerger Land du 10.10.2014

Wer glaubt, die ganze Nation warte wie gebannt auf die Regierungserklärung von Premier Xavier Bettel kommenden Dienstag und auf den Staatshaushaltsentwurf 2015 durch Finanzminister Pierre Gramegna einen Tag später, und bis dahin fänden keine politischen Auseinandersetzungen mit der Regierungs statt – der täuscht sich. Der Unternehmerdachverband UEL rechnet noch vor Bettels Hochamt mit einem „letzten Angebot“ Gramegnas zur Mitfinanzierung der Krankengeld-Mu-tualität der Betriebe. Vergangene Woche hatte die UEL darüber beinah jeden Tag mit Sozialminister Romain Schneider, Arbeitsminister Nicolas Schmit und vor allem mit Gramegna verhandelt. Für die UEL ist die Angelegenheit „eine Kuh, die vom Eis muss“.

Ausgerechnet der frühere Direktor der Handelskammer und heutige Finanzminister hatte das Patronat zu dessen großem Entsetzen brüskiert, als er im April den Nachtragshaushalt fürs laufende Jahr präsentierte. In Gramegnas Budgetentwurf, der den provisorischen Zwölftel-Haushalt ersetzen sollte, den die blau-rot-grüne Regierung im Dezember hatte verabschieden lassen, waren statt 86 Millionen Euro nur 41 Millionen als Staatsbeitrag für die Mutualité des employeurs vorgesehen. Und das ohne jede Vorwarnung. Nicolas Henckes, der UEL-Generalsekretär und Präsident der Mutualität, erfuhr von der Kürzung erst nachdem er sich den Budgetentwurf aus dem Internet heruntergeladen hatte. UEL-Präsident Michel Wurth drohte der Regierung mit einer Gerichtsklage, schrieb einen offenen Brief an die Abgeordneten, doch ohne Erfolg. Das Parlament verabschiedete am 23. April einen Staatshaushalt 2014, in dem es für die Mutualität 45 Millionen Euro weniger als gedacht geben sollte.

Die Angelegenheit ist so politisch, weil sie den Tripartite-Deal vom April 2006 berührt. Dort war neben der „Modulation“ des Index auf höchstens eine Tranche pro Jahr und einer Desindexierung der Familienleistungen unter anderem auch das „Einheitsstatut“ für den Privatsektor beschlossen worden. Dass zum 1. Januar 2009 die Trennung zwischen „Arbeitern“ und „Angestellten“ wegfallen konnte, wurde wesentlich durch die Schaffung der Mutualität ermöglicht. Zuvor hatten krank geschriebene Arbeiter schon ab dem ersten Krankheitstag Krankengeld von den beiden Arbeiterkrankenkassen erhalten. Die Angestelltenkrankenkasse dagegen sprang erst ab der 16. Krankheitswoche ein – bis dahin zahlte der Betrieb das Gehalt weiter. Von der CNS, zu der Arbeiter- und Angestelltenkrankenkassen fusioniert wurden, gibt es seit 2009 ab der 13. Krankheitswoche Krankengeld. Doch bis es so weit ist, zahlt ein Betrieb kranken Mitarbeitern nicht das gesamte Gehalt fort, wie das für Angestellte vor dem Einheitsstatut der Fall war, sondern nur ein Fünftel. Die anderen 80 Prozent schießt er vor und erhält sie am Monatsende von der Mutualité des employeurs rückerstattet. Finanziert wird sie, wie der Name es suggeriert, in erster Linie von den Unternehmen. Diese werden je nach ihrem Krankenstand in der Vergangenheit in vier Risikoklassen eingeteilt, und je nachdem wie viel Krankengeld die Mutualität zuletzt insgesamt ausgab, kann sich Jahr für Jahr der Beitragssatz zu jeder Risikoklasse ändern. 2013 gab die Mutua-lität 323,9 Millionen Euro an Krankengeld aus. Technisch gesehen, war die Krankengeld-Solidargemeinschaft der Betriebe die größte Neuerung zum Statut unique.

Ihre politische Bedeutung ist ebenfalls groß. Dass Gewerkschaftsfunktionäre, wenn man sie fragt, mit einer gewissen Schadenfreude feststellen, die Unternehmer seien von der Regierung und dem Finanzminister mit Handelskammer-Vergangenheit „gebiischt ginn“, hat mit Technik wenig zu tun. Als nach dem Grundsatzbeschluss der Tripartite zum Einheitsstatut die Verhandlungen um dessen Ausgestaltung begannen, wurde den Gewerkschaften ziemlich bald klar, dass die Joerhonnertreform weniger die Modernisierung des Arbeitsrechts und die Abschaffung einer nicht mehr zeitgemäßen Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten bezweckte. Sondern sie sollte in erster Linie den Unternehmern keinen Anlass mehr bieten, von angeblich zu hohen Krankenständen und „blaumachenden Arbeitern“ zu sprechen. Der Industriellenverband Fedil und die Handwerkerföderation hatte immer wieder öffentlich geklagt, zu viele Arbeiter ließen sich mal eben ein paar Tage krankschreiben. Das sei zwar kein akutes Krankengeld-Problem, denn die Arbeiterkasse zahlte ja vom ersten Krankheitstag an, aber auf jeden Fall ein organisatorisches für die Betriebe. Lösen könne man es nur, trommelten sie im Wahlkampf 2004, wenn man entweder einen oder mehrere „Karenztage“ einführte, für die es kein Krankengeld gibt, oder das Krankengeld um zehn oder zwanzig Prozent kürzte.

Doch eine solche Reform durchsetzen zu wollen, hätte eine CSV-LSAP-Regierung nicht nur dem Konflikt mit ihren befreundeten Gewerkschaften ausgesetzt. Die Wirklichkeit war offenbar auch komplexer, als das Patronat sie beschrieb. Im Parlament erzählte man sich damals, so mancher Handwerksbetrieb würde seine Arbeiter in den Krankenschein schicken, wenn die Auftragslage schlecht war. Und als 2003 die Krankenkassenunion UCM den Arbeiter-Krankenstand näher untersuchte, fand sie heraus, dass er auch innerhalb von Branchen stark streute und bei der damaligen Arcelor etwa so hoch war, dass selbst die Arbed-Arbeiterkasse dafür keine Erklärung fand. Hinzu kamen sehr spezifisch Luxemburger Sachverhalte wie der, dass besonders viele Grenzgängerinnen mit Arbeiterstatut, die im Alter waren, Kinder zu haben, durch Kurzzeit-Krankmeldungen auffielen. Gut möglich, dass sie sich krankschreiben ließen, wenn ihr Kind erkrankt war und sich keine Betreuung organisieren ließ. Wie aber sollte Luxemburg mit seinem hohen Grenzpendleranteil darauf reagieren?

Das Einheitsstatut war der Kompromiss. Über die Mutualité des employeurs gab er die Zuständigkeit für den Krankenstand zum Teil ans Management der Betriebe. Die Risikoklassen der Mutualität mit den gestaffelten Beiträgen sollten Anreiz sein, alles zu tun, damit der absentéisme sinke. Die Regierung verstand aber, dass alle Vorstöße der Unternehmerverbände auch taktischer Natur waren und es dabei darum ging, die Lohnnebenkosten auf längere Sicht niedrig zu halten. Schon ins Tripartite-Abschlussdokument 2006 war der Passus gelangt, das Einheitsstatut müsse sich „gesamtwirtschaftlich kostenneutral“ auswirken. Heute sagen die Unternehmer, davon könne keine Rede mehr sein, wenn die Regierung die Staatsbeteiligung zur Mutualität kürzt. Und sie sagen, ihnen sei damals versprochen worden, dass durch das Einheitsstatut der Krankenstand sinken werde. Dass er von 3,27 Prozent im Jahr 2008 vor Einführung des Statut unique auf 3,73 Prozent im vergangenen Jahr zunahm, sei vielleicht nur eine geringe Steigerung, aber eben kein Rückgang.

Doch dass das Einheitsstatut dazu führen müsse, dass der Krankenstand sinkt, und andernfalls neue Maßnahmen zu ergreifen wären, darüber gibt es nichts Schriftliches aus den Verhandlungen zu der Joerhonnertreform. Überhaupt scheint es, dem Vernehmen nach, über die Verhandlungen wenig Schriftliches zu geben. So konnte es kommen, dass die UEL, als sie im Rahmen von Bipartite-Gesprächen mit der DP/LSAP/Grünen-Regierung auf Einheitsstatut und Mutualität zu sprechen kam, von den einen Ministern erfuhr, für einen höheren Staatsbeitrag zur Krankengeldkasse der Betriebe sei nun mal kein Geld da, und von den anderen lakonisch beschieden wurde, was auch immer 2007 und 2008 versprochen worden sei, es könne nicht ewig Bestand haben.

Was aber nicht heißt, dass die Regierung unempfänglich wäre für die Forderungen des Unternehmerdachverbands. Denn mag auch die damalige Regierung 2007 oder 2008 dem Patronat nicht versprochen haben, der Krankenstand werde sinken, so versprach die UEL das ihren Mitgliedern, um sie für das Statut unique zu gewinnen. Jeder Anschein, dass die heutige Regierung den Deal von damals in Frage stellt, verschafft dem Unternehmerdachverband ein Problem in den eigenen Reihen. Dass die Fedil Karenztage und Krankengeldkürzungen erneut ins Gespräch gebracht hat, deutet es an: Die Patronatsverbände überlassen die Verhandlungen mit der Regierung der UEL, aber nicht für alle bestünde die beste Lösung darin, dass der Staat der Mutualität doch mehr Geld zuschießt.

Eine interessante Frage ist natürlich, weshalb er ihr überhaupt etwas zuschießt. Er tut es, weil zumindest die CSV-LSAP-Regierung den Punkt „gesamtwirtschaftliche Kostenneutralität“ im Tripartite-Abschlusstext von 2006 durchaus ernst nahm. Fragen könnte man sich ja auch, weshalb die Lösung vor sechs Jahren nicht lauten konnte, auf die neuen Salariés mit Statut unique einfach das Krankengeldregime der Arbeiter auszudehnen und den Gehaltsersatz ab dem ersten Krankheitstag von der CNS zahlen zu lassen. Doch das hätte bedeutet, nicht nur den Beitragssatz der Angestellten zur Krankenversicherung auf einen Schlag drastisch zu erhöhen, sondern die part patronale im gleichen Maße. Weil für kranke Angestellte der Betrieb 15 Wochen lang den Lohn fortzahlte, lag vor dem Einheitsstatut der Beitragssatz für Krankengeld zur Angestelltenkrankenkasse für Versicherte wie für Arbeitgeber bei jeweils nur 0,1 Prozent des Bruttogehalts. Im Arbeiterregime dagegen waren es jeweils 2,35 Prozent. Als der OGBL während den Verhandlungen zum Einheitsstatut die Idee vorbrachte, im Krankheitsfall alle zu „Arbeitern“ zu machen, waren die Vertreter der Handwerkerföderation zunächst gar nicht abgeneigt. Kurz darauf jedoch schlossen sie sich dem Nein der anderen Unternehmerverbände an: Wer ohnehin schon viele Arbeiter, oft zum Mindestlohn, beschäftigte, den musste ein um das 22,5-Fache erhöhter Arbeitgeberanteil zur Krankengeldversicherung nicht schrecken. Eine Bank mit vielen gut verdienenden Angestellten dagegen schon.

Am Ende schnürte die CSV-LSAP-Regierung ein Paket. Zum einen wurde das Einheitsstatut an das Statut der Angestellten angelehnt und der Krankengeld-Beitragssatz auf einheitlich 0,5 Prozent des Bruttogehalts festgelegt – je 0,25 Prozent für den Salarié wie den Patron. Zum anderen meinte sie, den ehemaligen Arbeitern durch den von 2,35 Prozent auf 0,25 Prozent gesenkten Beitragssatz eine plötzliche Nettogehaltserhöhung zukommen zu lassen, sei politisch schwer zu verkaufen, wenn gleichzeitig den ehemaligen Angestellten eine kleine Nettogehaltssenkung um 0,15 Prozent bevorstand. 2009, dem Jahr der Einführung des Einheitsstatuts, standen ja auch Wahlen an. Und so wurde entschieden, den Arbeitern schrittweise netto mehr zu geben: 2009 und 2010 sollte der alte Beitragssatz für sie zunächst weiter gelten, 2011 auf 2,1 Prozent sinken, 2012 auf ein Prozent und 2013 auf 0,5 Prozent. Ab 2014 sollte es keinen Unterschied zwischen den Salariés und ihren Krankengeldbeitragssätzen mehr geben. Weil aber schon ab 2009 zur CNS nur 0,25 Prozent von jedem Salarié genommen wurden, sollten die ehemaligen Arbeiter mit allem was darüber hinausging, die Mutualité des employeurs mitfinanzieren. Was auch geschah.

In der Adventszeit 2011 geriet dieses System leicht durcheinander, als am 16. Dezember die Tripartite scheiterte, die damalige Regierung „ihre Verantwortung wahrnahm“, den Index weiterhin zu manipulieren beschloss und Premier Jean-Claude Juncker in der Mittagsstunde jenes Freitags dem Volk ein Füllhorn an Kompensationsmaßnahmen versprach: vom „landesweit einheitlichen Wasserpreis“, den es bis heute nicht gibt, bis zur Ankündigung, nicht erst 2014, sondern schon ab 2013 würden ehemalige Arbeiter die Mutualität nicht mehr mitfinanzieren und dadurch netto 0,75 Prozent mehr verdienen. Das ist ein nicht unwichtiges Detail. Im Einheitsstatutgesetz steht, der Staat trage ab 2014 den Gegenwert von 0,3 Prozent der Lohnmasse zur Mutualität der Betriebe bei. Nämlich dann, wenn diese keinen Beitragsüberschuss der Ex-Arbeiter mehr empfängt. Die Generalinspektion der Sozialversicherung (IGSS) könne sogar empfehlen, mehr als die 0,3 Prozent zu zahlen, falls der Krankenstand im Privatsektor stark steigt und/oder die Zahl der Beschäftigten rasch wächst. Ob dieser Empfehlung zu folgen sei, werde ein ad-hoc-Komitee entscheiden, dem Vertreter der Regierung, der Unternehmer und der Gewerkschaften angehören.

Auf diesen Passus beruft die heutige Regierung sich: Sozialminister Romain Schneider (LSAP) antwortete Ende April auf eine parlamentarische Anfrage der CSV, ab 2014 müsse die Regierung die 0,3 Prozent zur Mutualität beisteuern und könne mehr gewähren. Doch das Kabinett habe im Zuge seiner Sparüberlegungen beschlossen, mehr als 0,3 Prozent seien nicht drin. Mag auch die IGSS der Meinung sein, 0,63 Prozent seien angemessen und Schneider kurz nach seinem Amtsantritt im Dezember der Mutualität ein Budget für 2014 genehmigt haben, in dem die mit 0,63 Prozent rechnete. Sie entsprechen den 86 Millionen Euro vom Staat, die die UEL seit dem Frühjahr einfordert. Dagegen riet Schneider im April, die Mutualität könne ja entweder schon dieses Jahr die Beiträge der Unternehmen erhöhen, oder das erst nächstes Jahr tun und inzwischen von ihren Reserven zehren.

Ob das ein Bruch des Versprechens auf Kostenneutralität ist, ist schwer einzuschätzen, eine kopernikanische Wende im Umgang mit der UEL und ihrer Mutualität ist es aber. Denn die vorige Regierung ließ, weil die ehemaligen Arbeiter schon ab 2013 die Mutualität nicht mehr mitfinanzierten, schon damals zum Satz von 0,63 Prozent Staatsgeld an sie fließen; es waren 69,5 Mil-lionen Euro oder ein Zuschuss von 29 Prozent zu den Einnahmen der Mutualität aus den Beiträgen der Betriebe. Im Jahr zuvor hatte der Staat ihr 17,1 Millionen zukommen lassen. Und nie hatte ein comité ad hoc das validiert, wie es eigentlich laut Gesetz vorgesehen wäre – wenngleich auch erst ab 2014, nimmt man es ganz genau. Schon 2010 entschied die vorige Regierung, eine Mindestlohnerhöhung während sechs Jahren, von 2011 bis 2015, mit jährlich 25 Millionen Euro aus der Staatskasse zu subventionieren. Die 25 Millionen fließen an die Mutualität; wer viele Mindestlohnempfänger beschäftigt, kann bei ihr einen Ausgleich beantragen.

Dank all der Zuwendungen kam die Regierung daran vorbei, jene „Bilanz“ über die Auswirkungen des Statut unique anzufertigen, die eigentlich schon 2010 zum ersten Mal fällig gewesen wäre – das war tatsächlich abgemacht. Es hätte aber bedeutet, sich einer erneuten Diskussion um Krankengeld und Krankenstand auszusetzen, und das vor dem Hintergrund eines ab 2010 angespannten Sozialdialogs und der ab 2011 suspendierten Tripartite. Die Patronatsseite hätte mit Verweis auf die Statistik immer wieder Anlass gehabt zu erklären, der absentéisme im Lande sei zu hoch und unpopulärere Maßnahmen verlangen können.

Dieses politische Risiko ist nun die blau-rot-grüne Koalition eingegangen. Zur Verhandlung mit der UEL stand in der letzten Zeit nicht nur die Höhe des Staatszuschusses zur Mutualité des employeurs, und, wie Romain Schneider im Juli auf eine parlamentarische Anfrage schrieb, Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder zur besseren Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben. Optionen waren auch die Einführung von Beiträgen aller Salariés zur Mutualität, oder Karenztage, oder eine Krankengeldsenkung, oder vielleicht eine Herausnahme des konventionierten Sozialsektors und des Gesundheitswesens aus der Mutualität und die Übernahme der Krankengeldkosten beider Branchen durch den Staat. Immerhin ist der Sektor „Action sociale sans hébergement“ mit zuletzt 5,7 Prozent der Spitzenreiter im Krankenstand und liegt weit über dem Durchschnitt von 3,73 Prozent. Im Bauwesen, zum Vergleich, lag die Quote bei 4,3 Prozent, in der verarbeitenden Industrie bei 4,2 Prozent, in der Finanzbranche bei 2,5 Prozent und im IT-Gewerbe bei 2,2 Prozent.

Das Sozialministerium hat gegenüber der UEL insistiert, die Betriebe hätten noch nicht genug für die Senkung des Krankenstands unternommen. Es hat auch darauf verwiesen, dass im Parlament ein Gesetzentwurf zur Reform des medizinischen Kontrolldienstes der Sozialversicherung liegt, der diesem mehr Befugnisse verleihen und ihm unter anderem auch ermöglichen soll, krankgeschriebene Grenzpendler früher als bisher zum Kon-trolldokter nach Luxemburg zu rufen, denn Kontrollen im Ausland durch die CNS sind nach wie vor schwierig durchzuführen.

Was aus all dem wird, entscheidet sich in den nächsten Tagen, wenn der Finanzminister seine „meilleure offre“ formuliert hat. Vielleicht verweist er dann darauf, dass „gesamtwirtschaftliche Kostenneutralität“ für den Rest der Legislaturperiode auch so verstanden werden kann, dass den Betrieben schon zugesagt wurde, die Unternehmenssteuern nicht zu erhöhen, mag 2016 an Steuerreformvorschlägen kommen, was da will. Und dass die Koalition alles tun wird um zu verhindern, dass die Beiträge zur Krankenversicherung steigen. Und dass schon unter der letzten Regierung die gesetzliche Unfallversicherung so reformiert wurde, dass neue Unfall-Risikoklassen ganze Branchen entlasteten. Damit jedenfalls hatte die vorige Regierung immer argumentiert, wenn es um die „Kostenneutralität“ ging.

Letzten Endes wird Gramegna der UEL ein Angebot machen müssen, das dieser gegenüber ihren Mitgliedern das Gesicht zu wahren hilft. Schritte wie eine Krankengeldkürzung oder Karenztage wären jedoch selbst für eine liberal dominierte Regierung schwer durchzusetzen. Die Gewerkschaften könnten darauf verweisen, dass der absentéisme zwar insgesamt gestiegen ist, der Kurzzeit-Krankenstand bis 21 Tage aber seit 2006 so gut wie stabil ist und von 2,05 Prozent damals auf 2,14 Prozent im vergangenen Jahr wuchs. Dagegen nahm der Krankenstand über mehr als 21 Tage von 1,12 auf 1,59 Prozent zu, mit dem größten Anteil von diagnostizierten Depressionen und „autres pathologies liées au stress“. Und dagegen helfen Karenztage wahrscheinlich kaum – wie ihre Wirkung überhaupt fragwürdig ist (siehe nebenstehenden Artikel). Gut möglich, dass die Regierung für die Mutualität doch noch einmal in die Staatskasse greift, damit die Kuh vom Eis kommt, und mit Unternehmern und Gewerkschaften über andere Kapitel des Sparpakets und des „Staatshaushalts der neuen Generation“ gesprochen werden kann.

Peter Feist
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