CSV

Schwarze Pechsträhne

d'Lëtzebuerger Land du 08.07.2010

Am nächsten Donnerstag nach Feierabend trifft sich die CSV im Hesperinger Bürgerzentrum zu einem außerordentlichen Nationalkongress. Sobald die administrativen Fragen geregelt sind, wollen sich die Delegierten ins jährliche CSV-Sommerfest stürzen. Doch die Partei, die noch vor einem Jahr als große Siegerin aus den Kammerwahlen hervorging, hat wenig Grund, um bei Bier und Lëtzebuerger Grillwurscht zu feiern. Denn nach einem weiteren gescheiterten Aufstand in der Frak­tion vergangene Woche sehen die Christlich-Sozia­len wie begossene Pudel aus.

Seit der OGB-L die in der Tripartite vorgelegten Spar-„Pisten“ publik gemacht und so die LSAP genötigt hatte, auf Distanz zum Koalitionspartner zu gehen, kommt die CSV nicht mehr aus der Defensive heraus. Die traditionell kritisch gegenüber ihrer Führung eingestellte LSAP-Basis treibt, unter dem Einfluss eines gewerkschaftsnahen, linken Flügels, auf Parteitagen ihre Minister vor sich her, die CSV kann nur noch reagieren und sich über das Gefühl ärgern, dass in der Koalition der Schwanz mit dem Hund wedelt.

Mehr noch als die christlich-sozia­len Minister sinnt die Fraktion auf Rache dafür, wie sie sich im Frühjahr von der LSAP vorgeführt fühlte. Premier Jean-Claude Juncker hatte nach der von ihm für beendet erklärten Tripartite-Runde seine liebe Mühe, die Fraktion von einer Fortsetzung der Koalition mit der LSAP zu überzeugen. Schließlich war noch nicht vergessen, wie die LSAP den Koali­tionspartner während der Euthanasie-Debatte in die politische Isolation getrieben hatte. Manche wütenden Abgeordnete wollten sich schon auf eigene Faust nach einem neuen Koalitionspartner umsehen. Andere nahmen dem der anhaltenden Führungsschwäche bezichtigten Premier das Versprechen ab, endlich den übermütigen Koalitionspartner auf seinen Platz zu verweisen.

Deshalb hatte die Fraktion vergangene Woche einen Befreiungsschlag versucht, um wieder die Initiative zu übernehmen. Mit der von ihr angestrengten Kammerdebatte über die Wettbewerbsfähigkeit wollte sie den sozialistischen Wirtschaftsminister Jeannot Krecké unter Druck setzten und gegen dessen eigene Partei ausspielen. Aber der Schuss ging nach hinten los. Spätestens als DP-Fraktionssprecher Xavier Bettel genüsslich aus der Pressemitteilung des CSV-Abgeordneten Robert Weber vorlas, entpuppte sich die CSV als hoffnungslos zerstritten. Hilflos musste Fraktionssprecher Jean-­Louis Schiltz während schier endloser Minuten den Spott und das schallende Gelächter von allen Bänken über sich ergehen lassen.

In der großen Volkspartei gibt es einen rechts-liberalen, unternehmerfreundlichen Flügel. Er nahm nicht nur kopfschüttelnd zur Kenntnis, dass die Zahl der LCGB-Funktionäre in der Fraktion seit den letzten Wahlen zugenommen hat, nachdem der Einfluss der Gewerkschaft in der Partei stetig gesunken war. Er findet auch, dass die Regierung die bereits vor dem Parlament demonstrierenden Unternehmer nicht mehr länger hinhalten kann. Unverzüglich soll ihnen entgegen gekommen werden, ohne bis zum Herbst und bis einer zu neuen Tripartite-Runde abzuwarten. Um so mehr als der ganze Zeitplan von Konjunkturprogramm und Ausstiegsszenario von immer neuen Konjunkturprognosen ad absurdum geführt wird. Und je länger die Regierung mt Krisenopfern zögert, umso näher rücken die Gemeindewahlen.

Die durch die Krise beschleunigte Verschärfung der sozialen Auseinandersetzung verschärft auch die Auseinandersetzung innerhalb einer Volkspartei, die seit jeher widersprüchliche soziale und wirtschaftliche Interessen unter einen Hut bringen muss. Seine perfekte Personifizierung erreichte dieser Konflikt vor einer Woche mit der öffentlichen Distanzierung des CSV-Abgeordneten Robert Weber vom CSV-Abgeordneten Lucien Thiel, der eine Gewerkschaftspräsident, der andere Direktor der Bankenvereinigung im Ruhestand. Wobei Webers zum CSV-Generalsekretär aufgestiegener LCGB-Kollege Marc Spautz sich demonstrativ zu den Index-Kritikern Schiltz und Thiel geschlagen hatte.

Die vergangene Woche angezettelte und im Desaster beendete Debatte, dass nicht bis zum Herbst und bis zu einer weiteren Tripartite gewartet werden soll, um die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, war auch ein offener Angriff auf den von Jean-­Claude Juncker in der Erklärung zur Lage der Nation angekündigten Zeitplan, das heißt den mit der LSAP ausgehandelten Kompromiss zur Rettung der Koalition. Ein wenig sollte es eine Neuauflage des Komplotts werden, das der damalige CSV-Fraktionssprecher Michel Wolter Ende 2005 gegen CSV-Finanzminister Jean-Claude Juncker und CSV-Budgetminister Luc Frieden angeführt hatte, um das Budgetdefizit durch zusätzliche Einsparungen von 150 Millionen Euro um die Hälfte zu kürzen. Zwar scheiterte der Versuch, aber die Autorität des Premiers und dessen Erbprinzen war öffentlich angekratzt.

Hinzu kommt, dass ein Teil des rechts-liberalen CSV-Flügels den ohnehin für einen Herz-Jesu-Marxisten gehaltenen Premier nicht nur aus ideologischen Gründen kritisiert. Einige seiner Vertreter glauben, keinen Grund mehr zu haben, um Juncker zu schonen, nachdem er sie 2009 oder schon 2004 nicht oder nicht mehr in seiner Regierung haben wollte. Somit geht es weiterhin auch um Junckers Nachfolge, der sich im letzten Herbst erfolglos nach Brüssel abzusetzen versucht hatte und immer weniger in der Öffentlichkeit auftaucht.

Romain Hilgert
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