Eisenbahn

Güterzug vor TGV

d'Lëtzebuerger Land du 24.06.2010

Bequemes und schnelles Reisen in Doppelstockzügen – das verspricht der neue Fernsehwerbespot der CFL. Womöglich aber könnte in absehbarer Zeit der Personenverkehr hierzulande gestört werden. Am Mittwoch vergangener Woche erteilte das Europaparlament in zweiter Lesung einer Verordnung grünes Licht, mit der der Schienengüterverkehr „wettbewerbsfähiger“ gemacht werden soll. Auf internationalen Frachtkorridoren sollen in drei Jahren Güterzüge Vorfahrt vor Personenzügen im Nah- und Fernverkehr erhalten.

Luxemburg ist an einem solchen Korridor beteiligt. Und zwar an dem von Rotterdam und Antwerpen über Metz nach Basel und Lyon. Doch ob die CFL in drei Jahren im Stande sein werden, Güterzügen die Vorfahrt zu gewähren, ohne den Personenverkehr zu stören, scheint nicht so sicher. Dass die Direktion der Bahn auch eine Woche nach einer Anfrage des Land noch keine Stellung genommen hatte, könnte darauf hindeuten, dass Probleme gar nicht unwahrscheinlich sind.

Klar ist, dass die CFL den aus Belgien kommenden Frachtverkehr in Zukunft höchstens noch zu einem kleinen Teil über Athus und die Südstrecke via Esch/Alzette und Bettemburg nach Frankreich führen wollen. Vielmehr sollen Güterzüge aus Antwerpen über die Petinger Strecke rollen, die derzeit zweigleisig ausgebaut wird, und über Luxemburg-Stadt und Bettemburg weiter nach Frankreich. Doch während die zweigleisige Petinger Strecke vermutlich fertig sein wird, wenn im Sommer 2013 die neuen Vorfahrtsregeln gelten, dürfte die Strecke zwischen der Hauptstadt und Bettemburg dann nach wie vor jener Abschnitt im heimischen Netz sein, der von den CFL schon seit Jahren „bei weitem überlastet“ genannt wird.

Ein Streckenneubau entlang der Autobahn A3 ist zwar geplant und hat alle Finanzierungsvorbehalte der Regierung überstanden. Doch da es für das Projekt, das Viergleisigkeit herstellen würde, noch nicht mal einen Gesetzentwurf gibt, dürfte es kaum in drei Jahren abgeschlossen sein. Dass in der Zwischenzeit das Vorfahrtsgebot abgeschwächt werden könnte, weil Kapazitätsengpässe bestehen, ist laut der Verordnung zwar möglich. Sicher wäre es aber wohl trotzdem nicht, dass dann etwa ein TGV nach Paris Vorrang vor einem Güterzug erhielte. Denn es werden nicht die nationalen Behörden sein, die die Fahrten in den Korridoren genehmigen, sondern europäische Superstrukturen.

Möglicherweise liegt es ja am Werdegang dieser Verordnung in den europäischen Instanzen, dass der Neubau der Bettemburger Strecke nach den Haushalts-Klausurtagungen der Regierung Anfang des Jahres im Senninger Schloss sogar „absolute Priorität“ erhielt. Die CFL hatten den Streckenneubau bereits Ende der Neunzigerjahre in einem Infrastruktur-Strategiepapier vordringlich genannt. Die zuständigen Transportminister aber stuften ihn entweder als nachrangig ein, wie der Liberale Henri Grethen, oder wollten sich, wie der Sozialist Lucien Lux, aus Rücksicht auf die Süd-Wähler jahrelang nicht entscheiden, ob dem Neubau nach Bettemburg oder einer Neubaustrecke von Luxemburg-Stadt nach Esch/Alzette die Priorität gehöre.

Peter Feist
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