Einheits-Wasserpreis und soziale Staffelung

Auf zum neuen Modell

d'Lëtzebuerger Land du 08.06.2012

Im Wasserwirtschaftsamt des Innenministeriums werden wieder Kosten kalkuliert und Preisentwicklungen simuliert. Bis zum Herbst will Minister Jean-Marie Halsdorf (CSV) als Modell zur Diskussion stellen, was Premier Jean-Claude Juncker am 8. Mai in seiner Erklärung zur Lage der Nation ankündigte: den „nationalen Einheits-Wasserpreis“. Er wünsche sich, sagt Halsdorf dem Land, eine „objektivierte Debatte“.

Die wird sich nicht zuletzt darum drehen müssen, wo welche Kosten entstehen. Denn der Weg zum Einheitspreis soll nach Auffassung des Innenministers nicht über eine Verstaatlichung der Wasserwirtschaft führen, sondern „vorzugsweise“ über eine „Mutualisierung“. Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung würden in diesem Fall Gemeindesache bleiben, aber verschiedene Aktivitäten gebündelt und vor allem ein Kostenausgleich zwischen den Gemeinden eingeführt. Am Ende stünde für jede Verbraucherkategorie landesweit ein Preis. Der für Privat-
haushalte werde voraussichtlich zwischen 6,10 und 6,70 Euro pro Kubikmeter liegen, Trink- und Abwasser zusammengenommen; so viel kann das Wasserwirtschaftsamt schon prognostizieren.

Das hieße freilich auch, Preissteigerungen da, wo der Kubikmeter heute weniger kostet. Derzeit streuen die Endpreise für Haushalte zwischen 4,09 Euro in Kehlen und 9,83 Euro in Weiswampach. Aber 42 der 106 Gemeinden sind noch nicht konform zum Wassergesetz von 2008. Sie unterscheiden nicht zwischen den drei Verbraucherkategorien Privathaushalte, Bauernbetriebe und Industrie, und was sie an Preisen nehmen, ist noch nicht kostendeckend – allen Rundschreiben aus dem Ministerium zum Trotz und obwohl der letzte Termin zur Anwendung des mittlerweile berüchtigten „Kostendeckungsprinzips beim Wasser“ der 1. Januar 2011 war.

Nicht viel Wirkung hatte aber auch Halsdorfs Appell vom März vergangenen Jahres, gemeinsam auf eine landesweite „Preisharmonisierung“ hinzuarbeiten. Er war die Reaktion auf die Kritiken von Bauernverbänden, Hotelbesitzern und Campingplatzbetreibern an den von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlichen Endpreisen, und auf die Versprechen mancher Bürgermeister an ihre Einwohner, die gegenüber früher gestiegenen Preise durch Staffelungen oder durch Gratis-Mengen abzufedern. Die harmonisierte Berechnungsbasis aus dem Wasserwirtschaftsamt, die der Minister vor 15 Monaten vorschlug, sollte den Endpreis für Haushalte auf sieben Euro deckeln. Der für die Landwirtschaft sollte sich bei rund zwei Euro einpendeln. Aber nur 24 der 106 Gemeinden kalkulieren ihre Preise schon so. Dass nun der Einheitspreis im Raum steht, ist auch ein Eingeständnis, dass die Harmonisierung per Excel-Tabelle nicht klappt.

Woran das liegt, ist nicht leicht zu sagen. Dass die Berechnungsvorschriften des Wasserwirtschaftsamts zu kompliziert seien, führten Gemeinden immer wieder an, oder dass das Amt ihnen nicht genug zur Seite gestanden habe. Andererseits haben auch große Gemeinden mit eigenem Wasserdienst dem Wasserwirtschaftsamt noch nicht mitgeteilt, wie bei ihnen vor Ort die Infrastruktur beschaffen ist. Das soll erlauben, den Investitionsaufwand über Land präzise zu veranschlagen – und damit einen wichtigen Punkt bei den Kostenunterschieden aufzuklären,
denn die Wasser-Gestehungskosten sind zu über 60 Prozent Infrastrukturkosten. Dieses Kalkül, das seit zwei Jahren von den Gemeinden verlangt wird, haben 95 von ihnen angestellt. Aber unter den elf säumigen sind nicht nur Dörfer wie Wahl oder Hobscheid, sondern auch Städte wie Echternach und Esch/Alzette.

Diese Berechnungen werden nötig sein, um das Einheitspreismodell, das Halsdorf im Herbst vorlegen und mit dem Gemeindeverband Syvicol diskutieren will, auszufeilen. Denn es soll, wie der Innenminister sich ausdrückt, „auf keinen Fall gute Schüler bestrafen“ – jene Gemeinden also, die schon viel investierten. 

Dass der Einheitspreis eine Vorbedingung sei, um die „landesweite soziale Staffelung“ einführen zu können, die der Premier am 16. Dezember versprochen hat, findet der Innenminister nicht. Entgegengekommen werden soll nach den Plänen der Regierung nur den Beziehern von RMG und Teuerungszulage. „Ihnen könnte ihre Gemeinde den Wasserpreis gestaffelt erlassen: 90 Prozent für 20 Liter am Tag und 50 Prozent für 21 bis 100 Liter. Wer mehr verbraucht, müsste voll zahlen.“ 

Peter Feist
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