Strategische Partnerschaft eines Emirats und eines Großherzogtums

Luxemburgs Arabischer Frühling

d'Lëtzebuerger Land du 16.06.2011

Vom „Beginn einer sehr langen strategischen Zusammenarbeit“ schwärmte Premier Jean-Claude Juncker vergangene Woche über den Besuch seines Amtskollegen aus dem Emirat Katar am Persischen Golf, Scheich Hamad ibn Dschasim ibn Dschabir Al Thani. Und der Scheich, der viele Gemeinsamkeiten zwischen dem kleinen, reichen Großherzogtum und dem kleinen, reichen, nur vier Mal größeren Emirat ausmachte, versprach, „lange ein guter Partner“ sein zu wollen.

Spektakulärstes Zeichen dieser neuen Partnerschaft war am Donnerstag die Unterzeichnung eines Abkommens, laut dem Qatar Airways 35 Prozent von Cargolux kauft. Am gleichen Tag unterzeichnete die SES in Betzdorf ein Abkommen mit dem Obersten Rat für Information und Kommunikationstechnologie Katars über die gemeinsame Ausbeutung von Orbitalpositio­nen und Bodensegmenten mit Hilfe von SES-Satelliten. Außerdem kündigten die beiden Regierungschefs die Gründung einer Tochter der Qatar National Bank in Luxemburg an. Die Regierung von Katar soll zudem über den Finanzplatz ihre in Europa investierten Petrodollars verwalten. Dabei kann auch die direkte Flugverbindung zwischen Doha und Luxemburg nützlich sein, die Qatar Airways nächstes Jahr eröffnen will. Zusammengearbeitet werden soll aber auch in den Bereichen Pharmatechnologie, erneuerbare Energien, Investmentfonds und Risikokapital.

Dem offiziellen Besuch zur Besiegelung der langen strategischen Zusammenarbeit war eine rege diplomatische Tätigkeit auf höchster Ebene vorausgegangen. Zuletzt waren im Februar Erbgroßherzog Guillaume und Finanzminister Luc Frieden, im April Außenminister Jean Asselborn und im Mai Großherzog Henri und Finanzminister Luc Frieden in Katar gewesen. Manche Minister, die bis zum großen Krach vor zwei Jahren für das Modell Dubai geschwärmt hatten, haben nun ihre Liebe zu Katar entdeckt, die sie mit dem treffend aus der Luftfahrt entlehnten Zauberwort „Hub“ zusammenfassen: Luxemburg bietet sich Katar als Drehscheibe für Geschäfte in Europa an und sucht an der ehemaligen Piratenküste einen Umschlagplatz für den Na­hen Osten und Afrika.

Tatsächlich haben die kleine absolutistische und die kleine parlamentarische Monarchie mit ihrem wahhabitischen Islam und ihrem ultramontanen Katholizismus manche Gemeinsamkeiten. Die jungen Natio­nalstaaten sind ein wenig Zufälle der Geschichte: Luxemburg verdankt seine moderne Eigenstaatlichkeit der strategischen Bedeutung seiner Festung, Katar der Bohrkonzession von BP. Im Ausland waren beide lange Zeit bloß durch ihre aggressiv über die Landesgrenzen funkenden Rundfunksender RTL und Al Jazeera bekannt. Ihre Volkswirtschaften sind von einem sehr gewinnbringenden Exportsektor abhängig: hier Erdöl, dort das Finanzgeschäft. Der wirtschaftliche Erfolg führte zu einer starken Immigration und einer weit verbreite­ten Mehrsprachigkeit. Um zur guten Letzt auch kulturell aufzumotzen, ließen beide Staaten sich von I.M. Pei ein Museum für zeitgenössische beziehungsweise islami­sche Kunst bauen.

Das Modell Katar ist seit jeher auch das Geheimrezept des CSV-Staats: aggressive Wirtschaftspolitik, opportunistische Außenpolitik und konservative Innenpolitik. Katar kon­trolliert zwar zusammen mit dem Iran das größte Erdgasvorkommen der Erde, aber über den Staatsfonds, an dem Kammerpräsident Laurent Mosar vergangene Woche besonders interessiert war, investiert es nicht nur Milliarden in die erdgasverarbeitende und andere Industrien, den Fremdenverkehr, die Schiff- und Luftfahrt, sondern auch in ausländische Firmen. Die Qatar Founda­tion finanziert die Zusammenarbeit mit amerikanischen Nobeluniversitä­ten und internationalen Forschungszentren. Also dieselben Strategie wie in Luxemburg, nur teuerer.

Außenpolitisch versucht auch Kadar, mit diplomatischen Vermittlungsangeboten in der Region, symbolischen Beteiligungen an Militäreinsätzen und großzügigen Spenden an ärmere Staaten, international ernst genommen zu werden, um seine diplomatischen und Geschäftsinteressen zu verteidigen. Das führt dann zu allerlei Opportunismus und Widersprüchen. So beteiligte sich das katarische Regime am Einmarsch in Bahrain zur Niederschlagung des dortigen Aufstands und nimmt gleichzeitig mit sechs Mirage-Flugzeugen an der Bombardierung Libyens teil. Katar gibt sich mit seinem Nachrichtensender Al Jazeera als Sprecher eines modernen und fortschrittlichen arabischen Nationalismus und vermietet den USA den riesigen Militär­stützpunkt Al Udeid, von wo aus die US-Armee fast den gesamten Irakkrieg führte.

Innenpolitisch gibt es in Doha zwar ein Parlamentsgsebäude, aber kein Parlament. Gewerkschaften, welche das zweistellige Wirtschafstwachstum behindern könnten, sind verboten. Pressefreiheit gilt für die Auslandsberichterstattung, nicht aber für Kritik an der Regierungspolitik. Alle wichtigen Ämter in Regierung, Verwaltung und Wirtschaft werden von der sehr prinzenreichen Familie des Emirs, Scheich Hamad ibn Chalifa ibn Hamad ibn Abdullah ibn Jassim ibn Muhammed Al Thani besetzt, der 1995 zusammen mit seinem Vetter, dem gerade in Luxemburg empfangenen Premier- und Außenminister Scheich Hamad ibn Dschasim ibn Dschabir Al Thani, gegen seinen Vater geputscht hatte. Dass der Premier, der sich über den Einstieg der Qatar Aiways bei Cargolux freute, neben dem Staatsfonds einer der größten Aktionäre von Qatar Airways ist, gehört zur Landessitte.

Romain Hilgert
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