Die Hauptstadt soll ein kommunales Freibad erhalten und vielleicht noch eine weitere Freiluftbadestelle. Der Einwohnerzuwachs hat denkbar werden lassen, was vor zehn Jahren noch „nicht prioritär“ war

Boomtown-Badespaß

d'Lëtzebuerger Land du 11.09.2015

Baden und Schwimmen unter freiem Himmel in der Hauptstadt? – Wer nicht auf eigene Gefahr in einen der Kockelscheuer Seen oder in die Alzette steigt, kann das nur in dem kleinen Freibad neben dem Dommeldinger Parc Hôtel tun. „Stark besucht“ sei es im Hitzesommer 2015 gewesen, ist vom Management des Hotels zu hören. Stark besucht heißt, oft überlastet. Die vor 60 Jahren neben einem Campingplatz entstandene Anlage, die später dem Hotel angeschlossen wurde, bietet nur ein 25-Meter-Schwimmbecken und ein Kinderbassin zum Plantschen.

Für die 111 000 Hauptstadtbewohner ist das nicht gerade viel. Trier bietet seinen 107 000 Bürgern zwei große kommunale Freibäder. Dass es im 120 000 Einwohner zählenden Metz kein einziges gibt und dort seit 2008 nur während vier Wochen im Sommer unweit der Mosel zwei kleine, provisorische Bassins aufgestellt werden und „Metz Plage“ heißen, zeigt freilich, dass sich auch mit noch weniger Angebot leben lässt. Denn ein Freibad zu unterhalten, kostet ziemlich viel Geld.

Das ist auch der Grund, weshalb von der Gemeindeführung von Luxemburg-Stadt jahrelang zu hören war, es gebe genug Hallenbäder und ein zweites Freibad, ein richtig großes, „brauchen wir nicht“. Als Paul Helminger (DP) Bürgermeister war, wurde die Stadt zwar vermarktet und als Erlebnisort inszeniert wie nie zuvor. Doch kam die Rede auf Freiluft-Badefreuden, war Helminger ganz Gemeindemanager und rechnete vor, wie unrentabel eine Freizeiteinrichtung sei, die Jahr für Jahr „bestenfalls zwei Monate lang mit genügend vielen zahlenden Besuchern rechnen“ könne (d’Land, 26.7.2002).

Da sah es so aus, als sei das Thema Freibad in der Hauptstadt nur eines für Nostalgiker, die sich noch an das Schwimmbad an der Cloche d’or erinnern, das vor vier Jahrzehnten schloss – anschließend gab es abgesehen von dem Dommeldinger Hotelbad nur noch den kleinen Pool nahe der Alzette bei Gantebeensmillen, der 1934 vom Betreiber der Gastwirtschaft nebenan eröffnet worden war. In den Neunzigerjahren ging auch dieses Bad außer Betrieb. Von der Zaldoteschwëmm in der Alzette im Stadtgrund, die bis 1918 bestand, erzählen nur noch historische Dokumente.

Wahrscheinlich hat es mit dem starken Einwohnerzuwachs zu tun, dass die aktuelle Hauptstadtführung anders gestimmt ist als die unter Helminger es war. Zumindest äußert sie sich anders. Helminger erklärte im Frühsommer 2005 ein Freibad sogar für „nicht prioritär“, nachdem der damalige DP-CSV-Schöffenrat ein Stadtentwicklungskonzept angenommen hatte, in dem das Gegenteil stand: „Ein Freibad mit großzügiger Liegewiese“ wäre, so las man, „ein wichtiger Beitrag“, um den „Rückstand“ aufzuholen, der im Freizeitsportangebot von Luxemburg-Stadt „inhaltlich“ nicht nur gegenüber anderen Hauptstädten bestehe, sondern auch gegenüber „Städten vergleichbarer Größenordnung“. Das war zu einer Zeit, da die Einwohnerzahl bei rund 85 000 stagnierte. Seit 2010 wächst sie stark, und bis 2020 scheinen 120 000 Bürger nicht unrealistisch. Heute sagt Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP), „ein Freibad einzurichten, ist unser Ziel“. Der blau-grüne Schöffenrat werde „schauen, was sich über den neuen Generalbebauungsplan machen lässt“. Persönlich erinnert Polfer sich gern ans Freibad Cloche d’or. „Das war super!“

Trotz aller Begeisterung der Bürgermeisterin heißt das jedoch nicht, dass Luxemburg-Stadt schon demnächst ein Freibad erhalten wird, das die Gemeinde betreibt und das ähnlich groß wäre wie das in Remich oder das in Oberkorn. Sondern nur, dass DP und Grüne dabei sind zu tun, was sie sich nach den Gemeindewahlen 2011 in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen haben. Darin steht im Kapitel „Sport“ unter anderem, „die Möglichkeit, ein Freiluftschwimmbad einzurichten, wird analysiert“. Diese Analyse dauert noch an.

Etwas verdächtig sieht das schon aus. Denn bereits das Stadtentwicklungskonzept vor zehn Jahren hob nicht nur hervor, das Schwimmbad am Parc Hôtel könne „der Nachfrage qualitativ wie quantitativ nur unzureichend genügen“. Es enthielt auch ein paar Ideen, wo „ein öffentliches Voll-Freibad“ angelegt werden könnte.

Eine davon entzückte sogar den freibadskeptischen Paul Helminger: ein „Panoramabad“ auf der großen Wiese hinter dem Institut national des sports in Cents. „Panoramabad“, weil es auf einem Plateau eingerichtet worden wäre, von dem aus sich ein spektakulärer Blick auf die Altstadt und die Festungsanlagen geboten hätte. Helminger meinte bei der Vorstellung des Stadtentwicklungskonzepts im Juni 2005, ein solches Schwimmbad wäre eine echte Attraktion für die Stadt, nicht nur eine Sportstätte. „Obwohl ich ja meine, wir brauchen so was nicht.“

Einer anderen Idee zufolge hätte ein Freibad auf dem Kirchberg, im Landschaftspark nahe der Coque, angelegt werden können. Ein dritter Vorschlag lautete „Waldschwimmbad“ – entweder im Bambësch oder im Freizeitzentrum Kockelscheuer. Ein „ausreichend großes Freibad im Stadtgebiet“ zu haben, sei nicht nur wichtig, um Kindern und Jugendlichen im Sommer einen Treffpunkt zu bieten, sondern auch für den „Feierabendsport“, hieß es im Stadtentwicklungskonzept noch. Und dass es der „Verkehrsvermeidung“ diene, wenn weniger Stadtbewohner in den Sommermonaten an den Stausee oder die Baggerseen in Remerschen fahren müssten.

Weiter vertieft wurden diese Ideen aber nie. Im Grunde ereilte sie das gleiche Schicksal wie jenes Freiluftschwimmbad, das 1972 in den Plänen der Stadt für die Waldparklandschaft, die Eissporthalle und den Campingplatz in Kockelscheuer enthalten war. Sein Bau war vom Gemeinderat sogar schon beschlossen. In der Stahlkrise der Siebzigerjahre fiel er aber dem Rotstift zum Opfer.

Wird Luxemburg-Stadt sich also wirklich ein kommunales Freibad leisten? Zumal in den letzten Jahren im Speckgürtel um die Hauptstadt zwei Hallenbäder mit Außenbecken und Liegewiese eröffnet wurden und auch in der Coque auf dem Kirchberg im Sommer die Türen zur „Coque Plage“ genannten Liegewiese geöffnet werden?

Lydie Polfer versichert, ihr und dem Schöffenrat sei klar, dass ein Freibad „nie“ kostendeckend sein könne. Man wolle aber etwas „für die Bürger tun“. Damit die Kosten nicht aus dem Ruder laufen, werde darüber nachgedacht, ein Freibad „vielleicht in Kombination mit einem Hallenbad“ zu bauen und zu betreiben. Oder als eine Art „Jahreszeiten-Schwimmbad“, ähnlich wie das Piko in Rodange, dessen Wände und Dach bei warmem Wetter „geöffnet“ werden können. „Schwimmbäder sind nun mal personalintensiv, und die Mitarbeiter eines Freibads kann man nicht für ein Vierteljahr einstellen und dann wieder entlassen“, sagt die Bürgermeisterin ganz zu recht. Andere Gemeinden gehen ebenfalls erfinderisch mit der Freibadpersonalfrage um. Die Gemeinde Remich zum Beispiel beschäftigt ihre Schwimmmeister außerhalb der Sommersaison teils in der kommunalen Eissporthalle, teils in anderen Bereichen der Gemeindeverwaltung.

Wie die Dinge derzeit liegen, könnte das Freibad, in welcher Form auch immer, im Süden der Hauptstadt entstehen. Jedenfalls ist das eine Option für den Schöffenrat, und vielleicht sogar eine realistische: Vor allem die Viertel Gasperich und Cessingen können und sollen noch besonders stark an Bevölkerung zulegen. Dann könnte das Schwimmbad auch für den Schwimmunterricht angelegt werden. Die Frage stelle sich nur, an welchem Standort genau, sagt Lydie Polfer.

Es sind demnach tatsächlich vor allem die Wachstumsperspektiven der Stadt, die ein Freibad haben denkbar werden lassen – anders als in den Achtzigern und Neunzigern, als Polfer während 17 Jahren schon einmal Bürgermeisterin war und die Hauptstadt immer unattraktiver zu werden schien und der Einwohnerzuwachs anderswo stattfand. Damals versprachen Polfer und die Stater DP den Leuten kein Freibad. In den letzten sechs Jahren dagegen hat nicht nur dieser Trend sich umgekehrt. An der Einwohnerschaft von Luxemburg-Stadt nimmt auch der Anteil wohlhabender Ausländer zu, die Großstadtleben gewohnt sind. Und schon nach der Jahrtausendwende, als unter Paul Helminger das Stadtentwicklungskonzept in Stadtviertelgesprächen mit den Bürgern diskutiert wurde, hatten vor allem Ausländer nach einem großen Freibad verlangt. Gut möglich, dass darüber nun auch Helminger anders dächte, wäre er noch der Chef im Rathaus auf dem Knuedler.

Immer mehr Stater Bürger mit immer mehr Freizeitansprüchen – die Aussicht bietet auch eine gewisse Garantie dafür, dass der Schöffenrat, der aus den Gemeindewahlen in zwei Jahren hervorgehen wird, die Freibadfrage nicht ganz anders sieht. Und am Ende könnte Luxemburg-Stadt sogar noch eine weitere Freiluftbadestelle erhalten: Als Xavier Bettel Bürgermeister war, erzählte er im Herbst 2013 dem Luxemburger Wort, der größte jener Seen, die in dem 20 Hektar umfassenden Park im Ban de Gasperich entstehen sollen, werde als Badesee hergerichtet. Die Idee soll von Bettel selber stammen. Verfolgt wird sie von der Hauptstadtgemeinde nach wie vor, ist aber noch nicht über das Stadium „Vorentwurf“ hinaus gelangt. Man sei noch dabei zu klären, wie die Seen im Park mit Wasser gespeist werden und wie sich am besten für ihre Selbstreinigung durch Wasserpflanzen sorgen lässt, teilt Lydie Polfer mit. Und dass dieses Vorhaben nichts mit dem „Freibad“ im Koalitionsvertrag zu tun habe und das eine das andere nicht ausschließe.

Doch: Schon „für morgen“ sind alle diese Vorhaben nicht. Die Arbeiten am Park sollen erst Anfang 2017 starten, und ob der aktuelle blau-grüne Schöffenrat es noch schafft, das Fazit aus der Freibad-Analyse laut Koalitionsprogramm zu ziehen, bleibt abzuwarten. Bauen lassen müsste wohl in jedem Fall der nächste. Oder der übernächste. Und hoffen, dass das Wirtschaftswachstum nicht einbricht und er den Leuten nicht erklären muss, dass alles nicht so ernst gemeint war.

Peter Feist
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