Herz-Kreislaufrisiken

Grund zur Beunruhigung

d'Lëtzebuerger Land du 11.05.2012

Ganz ohne öffentliches Aufhebens und versteckt unter den „Actualités“ auf der Webseite www.sante.public.lu hat das Gesundheitsministerium am Freitag vergangener Woche den größten Teil der Studie Oriscav-Lux samt Schlussfolgerungen veröffentlicht. Mediziner sprechen davon, dass die Untersuchung, die das CRP-Santé realisiert hat, lange zurückgehalten worden sei – weil ihre Befunde so alarmierend sind. 

Oriscav-Lux berichtet über die in der Bevölkerung verbreiteten Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, auf die rund die Hälfte aller Todesfälle zurückzuführen ist. Es ist die erste Erhebung dieser Art. Zwischen Ende 2007 und Anfang 2009 war ein repräsentativer Querschnitt der erwachsenen Bevölkerung zunächst befragt und anschließend untersucht worden. Risiko-kriterien waren nach internationalen Standards der Tabakkonsum, der Grad an körperlicher Aktivität, der Body-Mass-Index, das Vorliegen einer Diabetes, von Bluthochdruck oder von gestörtem Fettstoffwechsel. Resultat: Über alle Alters- und Bevölkerungsgruppen betrachtet, sind Bluthochdruck und zu viel Cholesterol die beiden hierzulande am stärksten verbreiteten Risikofaktoren. 34,5 Prozent der Bevölkerung leiden an einem Blutdruck über 140/90, und bei gar 70 Prozent liegen die Cholesterolwerte über den von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie ausgegebenen Richtwerten.

Das allein ist jedoch noch nicht das Beunruhigendste. Oriscav-Lux räumt auch ein, dass die Cholesterol-Richtwerte erst vor ein paar Jahren verschärft wurden und was heute als unbedingt behandlungsbedürftig gilt, früher lediglich unter Vorbeugung fiel. Dass die Luxemburger Cholesterol-Bilanz im internationalen Vergleich spektakulär ausfällt, sei deshalb mit etwas Vorsicht zur Kenntnis zu nehmen, schreiben die Autoren vom CRP-Santé. 

Aber: Immerhin knapp ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung vereinigt drei Risikofaktoren oder mehr auf sich. Das ist sogar bei jedem Dreizehnten der unter 30-Jährigen schon der Fall. Noch mehr Besorgnis aber muss erregen, dass in Luxemburg ein Drittel aller Diabetesfälle nicht behandelt wird und dass in der Altersgruppe der über 40-Jährigen fast 40 Prozent an zu hohem Blutdruck leiden, jedoch nur ein Viertel davon blutdrucksenkende Medikamente einnimmt. 

Das deutet auf eine Zeitbombe für die öffentliche Gesundheit hin: Bluthochdruck ist nicht nur neben dem Tabakkonsum ein besonders wichtiger Risikofaktor für Gefäßerkrankungen. Bleibt er unbehandelt, wächst überdies das Risiko, an einer Altersdemenz zu erkranken, drastisch. Doch auch bei den 60- bis 69-Jährigen werden nur
56 Prozent aller Fälle von Bluthochdruck tatsächlich behandelt. Internationale Studien aber haben gezeigt, dass unter 70-Jährigen, die seit 30 Jahren an zu hohem Blutdruck leiden, jeder Zweite Anzeichen von Altersdemenz aufweist. Schwere Konsequenzen für die Lebensqualität im Alter, aber auch hohe Kosten für die Langzeitpflege scheinen daher schon programmiert.

Oriscav-Lux stellt gewisse soziale Korrelationen bei der Verteilung der Herzkreislauf-Risiken fest. Am deutlichsten ausgeprägt sind sie für den Tabakkonsum, der unter Geringverdienern, Arbeitslosen und Alleinstehenden besonders hoch ist, während Hausfrauen offenbar bemerkenswert oft von Bluthochdruck betroffen sind. Allgemein aber ist Bluthochdruck eher ein Problem der Männer, die über alle Altersgruppen betrachtet 1,7 bis 2,4 Mal häufiger darunter leiden als Frauen. Ebenfalls deutlich stärker ausgeprägt ist hoher Blutdruck unter in Portugal geborenen Bürgern (1,5 Mal mehr als bei den Stacklëtzebuergern), besonders selten dagegen bei Einwanderern aus Nicht-EU-Staaten.

Peter Feist
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