van der Vekene, Emile: Reliures des XVIe et XVIIe siècles conservées à la BNL

Wertvolle Verpackungen

d'Lëtzebuerger Land du 28.06.2001

Im 19. Jahrhundert, dem Jahrhundert der industriellen Revolution und der allgemeinen Schulpflicht, wurden der Buchdruck vom Handwerk zur Industrie und die Verbreitung von Büchern damit demokratischer. Als der Buchdruck dagegen noch handwerklich und das Papier beständiger waren, wurden die Bücher  meist ohne Einband verkauft. Insbesondere die Adeligen, hohen Kleriker und reichen Bürger pflegten dann, ihre noch kostspieligen Bücher möglichst luxuriös einbinden zu lassen.

Denn ein sorgfältig gebundenes Buch ist nicht nur besser geschützt und liegt angenehmer in der Hand, sondern eine  Bücherwand voller Lederrücken mit Prägungen und Goldverzierung wirbt auch für Feinsinn, Belesenheit und Wohlstand ihres Besitzers. Aus diesen Blütezeiten besitzt die Nationalbibliothek eine Reihe Einbände, von denen Emile van der Vekene nun 112 in einem Katalog Reliures des XVIe et XVIIe siècles conservées à la Bibliothèque nationale de Luxembourg beschreibt.

Van der Vekene, Präsident der Amis de la reliure d'art ­ International, arbeitet derzeit an einer Geschichte des Buchbinderhandwerks in Luxemburg. Er war bis zu seinem Ruhestand 1996 Verantwortlicher der Réserve précieuse der Nationalbibliothek und ist der bedeutendste Historiker des Luxemburger Buch- und Druckwesens. 1968 veröffentlichte er eine beinahe endgültige  Bibliographie über Die Luxemburger Drucker und ihre Drucke bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, international machte er durch die erste umfangreiche Bibliotheca bibliographica historiae Sanctae Inquisituonis (1982-92) auf sich aufmerksam.

In seinem neuesten Werk beschreibt van der Vekene neben einem Dutzend gotischer vor allem rund 100 Renaissance- und Barockeinbände, deren Herkunft er aus französischen, belgischen, deutschen, luxemburgischen und anderen Werkstätten zu ergründen sucht. Jeder der nach Verzierung und Prägetechnik geordneten Einbände ist mit einem ganzseitigen Foto abgebildet, um Einbandforschern Vergleichmöglichkeiten zu bieten. Stolz der Einbandsammlung der Nationalbibliothek, die aus verschiedenen Kloster- und anderen alten Bibliotheken zusammengetragen und durch einige Zukäufe ergänzt wurde, ohne ihren Eklektizismus zu verlieren, sind die Mansfeld-Einbände, denen van de Vekene 1978 schon das Album Les reliures aux armoiries de Pierre Ernest de Mansfeld gewidmet hatte.

Das Verdienst des neuen Katalogs ist vor allem, als Ergänzung zu den ausländischen Veröffentlichungen über die einmaligen Luxuseinbände aus den großen europäischen Fürstenbibliotheken über 100 "zweitrangige" westeuropäische Einbände des 16. und 17. Jahrhunderts ausführlich abzubilden und zu beschreiben.

Schließlich helfen Einbände auch, den Ursprung und den Weg von Büchern durch die Jahrhunderte zu erforschen und so Rückschlüsse auf ihre Zirkulation und Wirkung in der Gesellschaft zu erlauben. Denn bei aller Faszination für ihre Einbände soll doch nicht der Inhalt der Bücher vergessen werden.

 

Emile van der Vekene: Reliures des XVIe et XVIIe siècles conservées à la Bibliothèque nationale de Luxembourg. Bibliothèque nationale de Luxembourg 2000. 276 S., 1 210 Fr.

 

 

 

Romain Hilgert
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