Heavens, Earth and People

Leere Landschaften

d'Lëtzebuerger Land du 11.07.2014

In der Woche vom 25. Juni bis zum 6. Juli fand in der Galerie d’art Armand Gaasch in Düdelingen die Ausstellung Heavens, Earth and People statt. Gezeigt wurden Werke der Japanerin Horiren First, der in England lebenden, japanischstämmigen Mayumi Hirata und des Luxemburgers Serge Ecker. Die drei Künstler, die sich in Japan kennenlernten, widmeten sich in ihren Arbeiten einem gemeinsamen Thema, dem 2011 vom Erdbeben und dem anschließenden Tsunami stark betroffenen Region Tohoku im Norden Japans, die inzwischen aus dem Blickfeld der internationalen Medien gerückt ist. Ziel sei es laut Ecker gewesen, ein aktuelles Bild dieser Region und ihrer Einwohner zu liefern, die auch nach drei Jahren massiv unter den Folgen der Katastrophe leiden.

Die Künstler, die über drei Jahre die Region besuchten, wählten unterschiedliche Herangehensweisen, um sich mit einzelnen Aspekten der Thematik auseinanderzusetzen, was durch die Dreiteilung des Ausstellungstitels verdeutlicht wird. So widmet sich die Fotografin Myumi Hirata dem Porträtieren der Menschen und der Dokumentation des Soziallebens. Zu sehen sind, unter anderem, großformatige Portraits von Fischern aus der Region. Als Symbol zieht sich dabei die Figur des Tigers durch ihre Werke, der in der japanischen Mythologie für Kampfgeist steht. Serge Ecker erklärt, dass sich die von Hirata porträtierten Fischer ebenfalls mit dieser Figur identifizieren; wie der Tiger auf eine lange und gefahrenreiche Jagd geht, begeben sie sich auf das Meer, um der Familie einen Fang nach Hause zu bringen. Auch der traditionelle Tigertanz ist in Hiratas Fotografien festgehalten. Dabei wird die Willenskraft der Menschen hervorgehoben, die in dieser Region geblieben sind, um auf dem Trümmerfeld der Katastrophe Neues aufzubauen und gleichzeitig bestrebt sind, an alte Traditionen anzuknüpfen.

Während Hirata einen dokumentarischen Ansatz verfolgt, setzt sich die Tattoo-Künstlerin Horiren First auf schöpferische Art mit dem Thema auseinander. Ihre dem Spirituellen zugewandten Malereien, die vor und nach dem Tsunami entstanden, beschäftigen sich mit Themen des Buddhismus und des Schintoismus. Hierbei verarbeitet Horiren First diese Kultur nicht einfach, sondern übernimmt einen Beitrag an ihrer Rekonstruktion und Erneuerung. Die Spende ihres gesamten Privatvermögens sowie die Schenkung einer Vielzahl ihrer Werke an neu zu weihende Tempel und Schreine in der Region um Tohoku verdeutlichen ihr großes Engagement und ihre Verbundenheit mit den Leuten in diesem Gebiet. Horiren First  füllt somit das vom Tsunami ausgespülte kulturelle Erbe mit neuem Gut auf.

Serge Ecker beschäftigt sich mit den ausgeräumten Landschaften und den ehemaligen Siedlungen, die von der Katastrophe gezeichnet sind. Als Medien der Darstellung dieser non-lieus wählt Ecker dabei sowohl die Fotografie als auch die Möglichkeiten digitaler Scans und 3D-Drucke. Seine Fotografien bilden die teilweise skurril anmutenden Hinterlassenschaften des Tsunamis ab. Was nach dem Rückzug des Wassers in den ausgespülten und leeren Landschaften stehen bleibt, sind Dinge wie Briefkästen, Treppenstufen oder die Überreste ebenerdig gebauter Badezimmer. Auch Getränkeautomaten sind zu sehen, die im Zuge der Wiederaufbaumaßnahmen nach dem Tsunami abgestellt wurden und mit buntem Inhalt in den leeren Landschaften stehen, wo sie tatsächlich auch intensiv genutzt werden, wie Ecker erzählt. Neue Häuser wurden hingegen keine errichtet; die Bewohner der zerstörten Städte bekamen improvisierte und marode Pappbehausungen gestellt. Eine der Fotografien zeigt das Innere eines Schutzzentrums, in dem über 200 Menschen den Tod fanden. Eine Linie direkt unterhalb der Decke des zweiten Stockwerks, die den damaligen Wasserstand kennzeichnet, zeugt vom monströsen Ausmaß der Flutwelle.

Neben den Fotografien sind es insbesondere die aufwändig aufbereiteten 3D-Drucke einzelner Fragmente und Geländeausschnitte, die einen räumlichen Eindruck der Szenerien vermitteln. Ecker erstellte die Drucke mithilfe eines Scanners, aber auch auf Basis von Fotografien oder Geländeaufnahmen von Google Earth und Google Maps. Diese Skulpturen umfassen Häuserruinen und deren einzelne Fragmente sowie eine ganze Bucht, in der sich zwei von den Wassermassen verschobene Häuser befinden. Die meisten der Gebäude seien wenige Tage später vollständig abgerissen worden, somit bot sich eine letzte Chance, das Gelände in diesem Übergangszustand zu dokumentieren. Am liebsten hätte er Teile der Häuserruinen mitgenommen, um sie auszustellen, sagt Ecker. Als Alternative griff er auf 3D-Technik zurück um das Vorgefundene aufzunehmen, in digitalisierter Form mitzubringen und hier in kleinerem Maßstab wieder aufzubauen. Ziel dieser Reproduktionen sei es, laut Ecker, den Betrachter in Kontakt mit Räumen zu bringen, die in der medialen Welt nur kurzzeitig im Zentrum des Interesses stehen. Auch wenn es sich um technisch exakte Nachbildungen handelt, sei es aufgrund der selektiven Auswahl und der Aufbereitung der digitalen Daten doch eine Interpretation des Raumes, die geliefert wird.

War die Vernissage gut besucht, so fanden in der darauffolgenden Woche relativ wenige Besucher den Weg in die Ausstellung, was schade ist in Anbetracht der Mühen und Widrigkeiten, die die Künstler bei der Organisation der Recherche dieses politisch durchaus brisanten Themas auf sich nahmen. Die aufwändig übermittelte kulturelle, soziale und räumliche Lebenswelt erzählt eine  facettenreiche Geschichte von Tohoku, es muss nur zugehört werden.

Boris Loder
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