Der Dialog ist perfekt eingeübt, die Akteure sind mit ihren Rollen derart vertraut, dass sie ihre Sätze gegenseitig beenden können: Martina Holbach von Greenpeace eröffnet: „Immer wieder kommt von Seiten des Verwaltungsrates des Fonds de Compensation (FDC) das Argument, man könne nicht einfach verschiedene Sektoren aus dem Investitionsportfolio ausklammern“. „Der Verwaltungsrat des FDC bleibt überzeugt, dass Ausschlüsse aus dem Investitionsuniversum nach exklusiv thematischen Kriterien, wie Greenpeace es will, nur möglich sind, wenn die Mission des FDC über den Weg einer Gesetzesänderung ergänzt und spezifiziert wird“, bestätigt Fernand Lepage, Präsident des FDC, per E-Mail und macht dem Sozialministerium die Bühne frei: Minister Romain Schneider (LSAP) habe „den Präsidenten des FDC gebeten, das Thema zuerst im Verwaltungsrat zu thematisieren. Dies wurde so mit den Sozialpartnern ausgemacht, da sie von diesem Thema direkt betroffen sind. Auf Basis des Feedbacks wird der Minister dann entscheiden, was die nächsten Schritte sind. Bis wir keine Rückmeldung haben, können wir uns zu dem Thema nicht groß äußern“, schreibt Abílio Fernandes, Erster Regierungsrat im Sozialministerium.
FDC, Mitte Bühne: Genau dieser erste Nachhaltigkeitsbericht, bestätigt Lepage, wird samt Klimaanalyse Ende November veröffentlicht. Er werde dabei helfen, die Investitionsstrategie des Verwaltungsrates zu definieren. Finale, alle im Einklang: „Anfang Dezember werden Greenpeace, der Minister und der FDC sich treffen, um über den Bericht zu sprechen. Vorhang fällt. Happy End?
Nicht-Null-Summen-Spiel Der thetralischen Karusselfahrt zugrunde liegen die 1,2 Prozent der Aktien des FDC, der mit der Betreuung der 22,18 Milliarden Euro schweren Rentenreserve beauftragt ist, und seiner Sicav. 1,2 Prozent ihres Portfolios befinden sich laut ihrem FDC-Präsident Lepage gegenwärtig in Aktien von Unternehmen, die im Sektor der fossilen Energien aktiv sind. Rund 256 Millionen Euro sollen alleine im Jahr 2019 laut einer Studie des deutschen Ökonomen Martin Granzow, die im Auftrag von Greenpeace durchgeführt wurde, in „einige der größten Kohleunternehmen der Welt“ geflossen sein. Das Problem mit dieser Investitionspolitik liegt laut der Umweltschutzorganisation nicht primär bei ihrem ökologischen Fußabdruck. Stattdessen zielt Greenpeace dorthin, wo es wehtut: „Der FDC verstößt hier eindeutig gegen seine Pflichten als Treuhänder. Fossile Energie ist kein interessantes long term investment und mit akuten finanziellen Risiken verbunden. Dies wird durch rezente Studien immer deutlicher.“ Diese Risiken, so Martina Holbachs Argumentation, stehe in direktem Gegensatz zur gesetzlich festgelegten raison d’étre des FDC: der Risikominimierung. „Sie wird in diesem Fall ihrem Anspruch offensichtlich nicht gerecht. Wir wollen den Mythos abschaffen, dass in dreckige Aktien investiert werden muss, um Risiken zu minimieren.“ So seien 90 Prozent der nachhaltigen, grünen Investitionen heute performanter als ihre braunen Konterparts. Nicht transformable Unternehmen seien, so das Kernargument von Greenpeace, finanziell schlichtweg nicht länger interessant und stellten dadurch ein Risiko dar.
Im Bericht zu einer Sitzung des parlamentarischen Sozialausschusses, vom Juli diesen Jahres, die auf Antrag der Linken einberufen wurde, zitiert FDC-Präsident Fernand Lepage die exakt gleichen 1,2 Prozent als „Risikolimitierung an und für sich“. Verlieren die betroffenen Unternehmen – gemessen an festgelegten Benchmarks – zu viel Wert, so werden die Anteile, die der FDC besitzt, entsprechend reduziert oder abgestoßen. Auch Teilverwalter der Aktiva durch Unterfonds – die große Mehrheit der Reserve – sind nicht befugt, Gelder in in Gefahr zu bringen. Die bestehenden Mechanismen, festgelegt durch den legislativen Rahmen, würden so die Investitionen wirksam schützen, unterstreicht Lepage. Sie würden erlauben, die gesetzlich festgelegte Mission des FDC zu erfüllen: den Fortbestand der Rentenreserve zu sichern, indem die Risiken diversifiziert und somit minimiert werden. Während der FDC-Verwaltungsrat prinzipiell einer „thematischen“ Ausschlussliste, wie die Forderungen von Greenpeace voraussetzen würden, nicht entgegenstünde, wäre sie im aktuellen legalen Rahmen nicht möglich. Eine Liste von Investitionen ausgeschlossener Unternehmen besteht bereits, aber nicht nach Themen, sondern nach Legalität: 126 Einträge umfasst die Exclusion List des Fonds (Stand Mai 2020) aktuell, 16 davon wegen Verstößen gegen Kriterien der „Norm Area: Environment“. Es darf demnach in nichts investiert werden, das illegal ist oder gegen die Umwelt- und Menschenrechtsstandards des FDC verstößt. Internationale Konventionen und legale Einschränkungen gelten auch für den Finanzbereich und der FDC ist keine Ausnahme. Da es jedoch keine legale Einschränkungen bezüglich Kohle, Öl oder Erdgas gibt, so die Logik, existiert auch keine legale Grundlage, solche Investitionen pauschal auszuschließen.
Einfach, zumindest konzeptuell. Josée Lorsché, Präsidentin der Fraktion von Déi Gréng, sieht in dieser Liste einen ersten wichtigen Schritt auf dem Weg zum Divestment aus nicht nachhaltigen Anlagen – wenn auch keinen ausreichenden. „Denn der FDC investiert auch heute in klimafeindliche Firmen.“ Firmen, die laut Lorsché mit Hinblick auf das Pariser Abkommen durch den Fonds nicht finanziert werden dürften. Diese Arbeit fällt der Politik zu. Kein Problem mit Aktien fossiler Energie-Unternehmen hat Fernand Kartheiser (ADR). Im Gegenteil: Die Politik solle sich so weit wie möglich aus der Verwaltung der Pensionsreserve raushalten. „Die Wettbewerbsfähigkeit der fossilen Energien wird vor allem durch Übersubventionierung alternativer Energien in Frage gestellt, was eine ökonomisch unsinnige Herangehensweise ist.“ Alternative Energien, sagt Kartheiser mit Verweis auf auf kongolesische Kobaltminen und durch Lithium-Abbau bedingte Wasserprobleme in verschiedenen Gegenden in Chile, seinen bezüglich „Menschenrechte und Nachhaltigkeit selbst alles andere als vorbildlich“. Die Exclusion List des FDC umfasst aktuell bereits 45 Unternehmen wegen Geschäftspraktiken, die gegen Menschenrechte verstoßen, und vier, weil sie gegen das Arbeitsrecht verstoßen.
Stickeralbum Neben der rechtlichen Frage, auf die sowohl Greenpeace wie auch der FDC sich berufen, steht nur leicht außerhalb des Rampenlichts die Frage des Umweltschutzes an und für sich. Das Portfolio des FDC umfasst aktuell neun Teilfonds mit dem von LuxFlag ausgestellten Label „ESG“ und einen mit dem Label „Environment“. Laut Greenpeace haben vier der sechs (von insgesamt 24) Unterfonds des FDC trotz ihrer Labels in Öl-, Kohle- und Gasunternehmen oder auch beispielsweise in Autohersteller investiert. Georges Engel, Fraktionschef der LSAP, sieht in diesen Zertifizierungen ein wichtiges Element der Investitionsstrategie des FDC und gibt zu bedenken, dass es sich bei diesen Investitionen nicht zwangsläufig um Widersprüche handelt: Viele Unternehmen, die klassischerweise mit fossiler Energie assoziiert würden, investierten gegenwärtig in erneuerbare Projekte.
Leuchtfeuer Mit den gegenwärtigen Informationen steckt die Diskussion also in der Sackgasse, was zurück zum Anfang des Jahres angekündigten Rapport führt: Er sei, schreibt Lepage, eine Bemühung, die Investitionen des FDC vollkommen transparent zu machen und „öffentlich über sein Engagement als verantwortungsvoller Investor zu berichten“. Der Bericht, sagt Lepage, werde hoffentlich nicht nur zeigen, dass der FDC derzeit nicht im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens steht, sondern auch, dass der Fonds finanzielle Risiken nicht in Betracht zieht, die mit diesen nicht-nachhaltigen Aktien verbunden sind.
Thematische Ausschlüsse, oder nur engere Regulationen werden eine politische Entscheidung sein müssen. Der Bericht, der bis Dezember zu Händen von Minister Romain Schneider adressiert sein wird und voraussichtlich am 10. Dezember vomTriumvirat Minister-FDC-Greenpeace diskutiert wird, könnte das Zünglein an der Wage sein. Nur in welche Richtung, ist noch unklar. Für die Asset-Manager ist die Situation einfach: Ihnen werden klare Vorgaben geliefert, an die sie sich halten. Viel spannender findet Martina Holbach von Greenpeace das Signal, das eine politische Entscheidung in diesem Dossier senden könnte: Der FDC könnte ein wahres Leuchtturmprojekt werden, das dem Bild Luxemburgs als grüner Finanzplatz viel Glaubwürdigkeit verschafften könnte.