leitartikel

Parteigelder

d'Lëtzebuerger Land du 17.01.2025

Anzeige erstattet!, hieß es in den Medien, nachdem am Montag im Parlament der Rechnungshof seinen Bericht über die Parteienfinanzierung im Jahr 2023 vorgestellt hatte. Eine Anzeige gegen die ADR, weil für ihre 60 Kandidat/innen zu den Kammerwahlen die im Parteienfinanzierungsgesetz vorgeschriebene Ehrenerklärung nicht vorlag, Spenden von jeweils höchstens 250 Euro erhalten zu haben. Eine Anzeige gegen die Piraten, weil sie einen Leasing-Vertrag über ein Auto für eine Gemeinderätin abgeschlossen hatten und das Fahrzeug womöglich auch für private Zwecke benutzt wurde.

Fehlende Ehrenerklärungen können als Betrugsversuch strafbar sein. Ein von einer Partei bezahltes Auto für private Zwecke könnte eine Unterschlagung öffentlicher Mittel sein. Seit im Jahr 2007 nicht zweckgebundene Direktzuschüsse aus der Staatskasse an politische Parteien eingeführt wurden, sind deren Finanzen stark verstaatlicht. Laut Parteienfinanzierungsgesetz können bis zu 80 Prozent der Gesamteinnahmen einer Partei auf diesen Zuschuss zurückgehen.

Man könnte versucht sein, ADR und Piraten zu unterstellen, das System zu verachten. Zu meinen, tun und lassen zu können, was sie wollen. Also unterbleiben Ehrenerklärungen von den einen, während die anderen die öffentlichen Zuwendungen als Selbstbedienungsladen ansehen. Im Gegensatz zu den Meldungen vom Montag aber gibt es noch keine Anzeigen. Sondern nur Informationen der Ausschüsse für Haushaltskontrolle und für die Institutionen. Wie damit umzugehen wäre, soll das Kammerbüro entscheiden, teilte die Verwaltung des Parlaments dem Land am gestrigen Donnerstag mit. Die Entscheidung stehe noch aus. Der Präsident des Haushaltskontrollausschusses, Franz Fayot (LSAP), wiederum sagte, darüber informiert zu haben, dass auch andere Parteien keine Ehrenerklärungen lieferten. Das sei eine „generelle“ Information, ohne „Bezug auf spezifische Parteien“. Wer im Bericht des Rechnungshofs nachliest, findet heraus, dass es um Volt, die KPL, déi Konservativ und Roy Redings Liberté – Fräiheet gehen muss.

Ob das Kammerbüro einen Einschätzungsspielraum hat, fragt sich. Kann aber sein, dass bei der ADR die Ehrenerklärungen tatsächlich „vergessen“ wurden, wie Parteipräsidentin Alexandra Schoos seit Montag behauptet. Diese Bestimmung kam erst 2020 ins Parteienfinanzierungsgesetz, ist also relativ neu. Und Volt, KPL, déi Konservativ und Liberté erhalten keine Parteienfinanzierung; Liberté wurde überdies nicht als Partei gegründet, sondern als Bürgerliste. Hinzuzufügen wäre, dass wer 2023 zu den Kammerwahlen keine Ehrenerklärungen lieferte, zu den Europawahlen 2024 vermutlich auch keine abgab. Sodass in einem Jahr erneut Anzeige erstattet werden müsste, wenn der Rechnungshof seinen nächsten Bericht vorstellt.

Die Sache mit dem Auto-Leasing der Piraten ist anders gelagert. Doch die Frage stellt sich, ob das Gesetz über die Parteienfinanzierung richtig funktioniert. Vor allem soll es die Parteien unabhängig von dubiosen Spendern und von Zuwendungen von Firmen machen, die regelrecht verboten sind. Dass dieses Anliegen noch immer große Bedeutung hat, zeigt die Ehrenerklärungspflicht. Und die Obergrenze von 250 Euro pro Spende.

Was dazu geführt hat, dass Spenden für die Parteien keine große Rolle mehr spielen. Das größte Spendenvolumen nahmen 2023 die Grünen mit 40 000 Euro ein, alle anderen Parteien keine 30 000 Euro, die LSAP mit 13 800 Euro am wenigsten. Dagegen bezogen alle Parteien öffentliche Zuschüsse im sechsstelligen Bereich. Plus Abtretungen ihrer Mandatäre, die abgesehen von ADR und Piraten ebenfalls im sechsstelligen Bereich lagen. Relativ dazu nimmt auch die Bedeutung der Mitgliedsbeiträge ab. Das wiederum ist die unmittelbarste Folge der öffentlichen Parteienfinanzierung: Sie kompensiert eine abnehmende Militanz an der Basis. Sie erzeugt einen Sog in Richtung „politischer Mitte“. Sie kann die die Parteien dazu verleiten, sich als öffentliche Institutionen zu verstehen. Oder vielleicht als Firma, im Falle der Piraten. Hatte nicht die Staatsverwaltung Ona der Piratenpartei einen Geschäftsauftrag zur Entwicklung einer App erteilt? Und vielleicht meinten die Piraten ja, ein Dienstauto auch zur privaten Nutzung für eine Mandatärin sei etwas ganz Normales, weil viele Unternehmen so etwas bieten?

Peter Feist
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