Kommt mit der Zentralverwaltung des Schulpersonals der Stellenabbau?

Zahlenspiele

d'Lëtzebuerger Land du 08.04.2010

Mehr Planungssicherheit und eine gerechtere Verteilung des Lehrpersonals hatte das Unterrichtsministerium als Rechtfertigung dafür angeführt, die Verwaltung des Schulpersonals von Gemeindeebene auf den Staat zu übertragen. Ein Versprechen, das in den Ohren mancher Lehrbeauftragter wie ein schlechter Witz klingen muss. Nachdem lange unklar war, wie groß der Mangel an Lehrkräften in Luxemburgs Grundschulen sein würde, hat sich gezeigt: Arbeit gibt es mehr als genug, seit Begin des Schuljahrs sind 12 000 Unterrichtsstunden ausgefallen, weil kein Ersatz gefunden werden konnte. Doch etliche der 251 eiligst angeheuerten Aushilfslehrer warten noch immer darauf, dass ihr Arbeitgeber ihnen ihre Gehälter überweist. Planungs­sicherheit sieht anders aus.

Aber abgesehen davon, dass der Lehrermangel also Dauerbrenner bleibt, hat auch das Argument der Verteilungsgerechtigkeit es in sich. Gemeinden, deren Schulen von einem hohen Anteil von nicht-diplomierten Lehrbeauftragten abhängen, könne das Ministerium dank zentralisierter Personalverwaltung gezielt ausgebildete Lehrer zuteilen, erklärt André Wilmes vom ministeriellen Personaldienst. Bloß: Dafür braucht es gesicherte Daten.

Die lassen auf sich warten. Aber bei über 80 Prozent Lehrerinnen, dazu viele im Alter, eine Familie gründen zu können, sind weitere Engpässe programmiert. Das Ministerium versucht, die Ausfälle einzuschätzen, die durch Schwangerschaft, unbezahlten Urlaub und ähnliches entstehen. In der Notiz, die der Regierungsrat im September in Vorbereitung zum noch unveröffentlichten Rapport de planification für die Grundschule vorgelegt bekam, die für 2009 285 zusätzliche Grundschullehrer vorsah, stand auch: „Il y a une certaine confusion entre service à temps partiel et congé pour travail à mi-temps.“ Mit anderen Worten: Die von Ministerium und Gemeinden erhobenen Daten sind mit Vorsicht zu genießen. Auch die Zu- und Abgänge, wenn Schüler in eine andere Gemeinde umziehen, erschweren eine solide Rechnung. „Wir hatten vor den Osterferien zehn weitere Neuzugänge“, mel­det die Escher Schulkommission.

Weil zur Berechnung des Verteilungsschlüssels Bevölkerungsstatistiken herangezogen werden, hat die Stadt Luxemburg ein Problem: Die Personalzuteilung – 1,96 wöchentliche Lektionen pro Kind bei einer durchschnittlichen Klassengröße von 16 Schülern – ist zwar grundsätzlich für alle Gemeinden gleich, aber weil sie durch einen Sozialindex ergänzt wird, stimmt die Rechnung für die Hauptstadt nicht: Die vielen Privatschüler an Europaschule, International School und anderswo polieren die hauptstädtische Bilanz nämlich auf. Der Sozialindex errechnet sich unter anderem aus dem Einkommensniveau, die Wohnfläche eines Haushalts, die Versorgung mit Internet und dient dazu, Schulen, die in einem schwierigen sozialen Umfeld arbeiten, mehr Personal für Förderkurse zuzuteilen.

Das klingt gut in der Theorie, führt in der Praxis aber zu Schwierigkeiten. Gemeinden wie Düdelingen oder Esch, in denen traditionell viele Arbeiter leben, werden nach der neuen Faustformel vermutlich zu den Gewinnern zählen. Wobei unklar ist, wie viele Gewinner es denn geben wird – und ob mehr Unterrichtsstunden allein tatsächlich eine bessere pädagogische Betreuung bedeuten. Das Ministerium hat eine Obergrenze für die schulische Betreuung festgelegt, die Gemeinden maximal anbieten dürfen (ohne aber zwischen Lehrbeauftragte und diplomierte Lehrer zu unterscheiden). Was bei einigen dazu führen wird, dass zunächst einmal gekürzt werden muss. Noch liegen keine offziellen Daten vor, aber die Lehrergewerkschaft SEW, die in der Planungskommission mit am Tisch sitzt, spricht von insgesamt 4 000 Stunden, rund 180 Vollzeitlehrern, die in den nächsten zehn Jahren landesweit in den Grundschulen eingespart werden müssten – und nennt die Umstellung daher eine „Mogelpackung“. Für die Stadt Luxemburg würden Land-Informationen zufolge sechs Vollzeitposten pro Jahr wegfallen. Das Ministerium verspricht, den neuen Modus in einer Übergangsphase nicht zu rigoros anzuwenden, bei Härtefällen hat die Ministerin überdies ein Vetorecht. Aber nach welchen Kriterien werden Ausnahmen entschieden?

Auch gibt es keine Garantie, dass die zugestandenen Stundenkontingente wirklich denen zukommen werden, die sie am dringendsten brauchen. Es gibt keine Vorgaben, wie die Stunden einzusetzen sind, die Gemeinde und die kommunale Schulkommis-sion verfügen darüber frei. Noch entscheidender ist aber eine andere Frage: Lassen sich Schulerfolg und gerechte Bildungschancen überhaupt algorithmisch „verschreiben“? Für Patrick Arendt vom SEW ist die Sache klar. „Das entspricht der neolibera­len Logik“, sagt der Gewerkschafter. Dann aber nicht im herkömmlichen Sinne, denn der Staat greift nicht weniger ein, sondern bekommt mit der Verwaltungsreform im Gegenteil mehr Einfluss. Den Mangel können Gemeinden dann im Rahmen ihrer Autonomie verwalten. Für pädagogische Extras, wie beispielsweise Ganztagsschulangebote, müssten sie selbst aufkommen.

Merkwürdig nur, dass sich die Kommunen bisher mit Kritik zurückhalten. Laut Personaldienst habe es lediglich „einige Reklamationen“ gegeben. Aber die große Protestwelle ist, abgesehen von den Stellungnahmen des SEW, ausgeblieben. Vielleicht liegt das daran, dass die endgültigen Zahlen noch nicht vorliegen und manch eine Gemeinde insgeheim hofft, doch noch zu den Gewinnern zu zählen. Und was, wenn nicht?

Ines Kurschat
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