Tripartite

Generalstreik

d'Lëtzebuerger Land du 01.04.2010

Hinter den Türen des Außenministeriums geht es in der Tripartite offenbar ruhiger zu als außerhalb. Denn ungewohnt ist es schon, dass der Unternehmerdachverband UEL zu jeder Sitzung Powerpoint-Blätter mit ausgewählten Forderungen verbreitet; die Salariatskammer alle 14 Tage mit ökonomischen Abhandlungen zurückgeschießt, um die Patronatsargumente zu entkräften; und die CGFP zum selben Zweck fast jede Woche Statistiken von Staat, EU und OECD zu bunten Balkendia­grammen aufbereitet. Und nach nur zwei Sitzungen, bei denen die Sozialpartner von der Regierung vergebens Aufschluss über die weitere Marschrichtung erwartet hatten, stellte die größte Gewerkschaft des Landes den Patronatsvertretern frei, „den Verhandlungstisch [zu] verlassen“, und drohte bereits mit einem Generalstreik zur Verteidigung des Luxemburger So­zial­modells. Wobei sich OGB-L-Präsident Jean-Claude Reding des Risikos einer solchen Drohung sicher bewusst ist. Denn sein Vorgänger erntete gegen Ende seiner Laufbahn viel Spott für die wiederholte Androhung „abgeblasener Generalstreiks“. Die FNCTTFEL versprach umgehend dem gro­ßen Bruder ihre Unterstützung und rief in Erinnerung an die Großkundgebung vom Mai letzten Jahres „zu einer Einheitsfront aller Arbeitnehmer“ auf.

Am selben Tag wie die Gewerkschaftssekretäre des OGB-L tagte eine außerordentliche Vorständekommission der CGFP, um das Regierungspapier über Les réformes en matière salariale et statutaire zur Kenntnis zu nehmen, auf dessen Grundlage die Minister Biltgen und Modert parallel zur Tripartite mit der Staatsbeamtengewerkschaft über eine Gehälterrevision verhandeln sollen. In einer etwas überraschend anberaumten Abstimmung lehnten die Delegierten das Papier einmütig ab. Die kleine Schwester FGFC verwarf am Mittwoch ebenfalls die Regierungsvorschläge einstimmig. UEL und Handelsverband rufen ihre Mitglieder zu einer Saalkundgebung am 16. April in der Handelskammer auf. Von dort aus wollen die Unternehmer erneut die Botschaft hinaus ins Land tragen, dass „vieles ändern muss“, um aus der Krise heraus zu kommen. Nur der LCGB hält sich bisher zurück – auch auf die Gefahr hin, dass dadurch die interne Opposition gegen die parteipolitischen Ambitionen von Präsident Robert Weber wächst. Doch die Drohung des lange der Tripartite verbundenen OGB-L, das Votum der sonst auf diskrete Arrangements mit der Regierung bedachten CGPF und die nicht gerade zu ihrer Gewohnheit zählende Kundgebung der UEL zeigen, wie nervös die Sozialpartner inzwischen geworden sind. So als seien sie sich bewusst, dass es diesmal um mehr als einige kleine wirtschafts- und sozialpolitische Kurskorrekturen geht.

So mobilisieren die Sozialpartner außerhalb der Tripartite, um ihre Position in der Tripartite zu stärken und weil sie sich von der ziemlich ratlosen Regierung nur noch wenig Unterstützung zu versprechen scheinen. Die Unternehmerseite wirft den Gewerkschaften vor, sich blind für die Tiefe der Krise zu stellen, die Notwendigkeit drastischer Sparmaßnahmen bei den Staatsausgaben und einschneidender Mittel zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu leugnen. Die Gewerkschaften werfen den Unternehmern ihrerseits vor, mit ihren Forderungen den Bogen zu überspannen und die Krise als Vorwand nutzen zu wollen, um den Sozialstaat zu demontieren.

Unter diesen Bedingungen muss die Regierung bis Ende des Monats wirklich gewitzte Vorschläge machen, um die Sozialpartner noch auf eine gemeinsame Position einzuschwören. Oder um ihre Vorschläge in einem Klima sozialer Unruhen auf eigene Faust zum Gesetz machen zu können.

Romain Hilgert
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