Die kleine Zeitzeugin

Geld macht doch glücklich!

d'Lëtzebuerger Land du 31.03.2023

Gut, das haben einige von uns schon geahnt, das hat sich sogar schon herumgesprochen, dass ein paar Kröten nicht schaden können, es gibt Beweise dafür, allein schon die behäbig-joviale Entspanntheit in den luxemburgischen Reservaten, die gutgelaunte Lockerheit der surfenden und skifahrenden Klasse sind Indizien. Aber das ist doch längst nicht reich! Reich ist was ganz anderes, reich ist was Unermessliches, Ungeheuerliches, wer will reich sein wie Bill Golden Gates oder Elon Maske, wer will dieser Galaxie des Geldes angehören?! Die armen Reichen hatten einst Eintrittsverbot im Himmelreich, jetzt gibt es kein Laster mehr, schon gar keine Hölle. Ersatzweise müssen die armen Reichen in der Hate-Hölle schmoren, das haben sie davon.

Die neue Studie traut sich was. Sie räumt ganz schön auf, mit Jahrtausenden alten Vorurteilen. Diskriminierungen. Der arme Reiche. Der zwanghafte König Midas. Der Reiche, von seinen Goldklumpen in gurgelnde Tiefe gezogen. Und die ultimative Nadelöhr-Verdammnis natürlich, verständlich für die Letzten, die noch traditionell traumatisiert wurden. Richtig Reiche, das war die verlässliche Botschaft, waren in Wahrheit die Allerallerärmsten.

Eine neue amerikanische Studie raubt uns jetzt auch diese letzten Illusionen. Superreiche sind nicht nur viel glücklicher als Superarme. Sie sind auch viel glücklicher als Wohlhabende. Auch deutsche Millionär*innen wurden studiert, kam das Gleiche dabei raus. Nämlich dass Geld und Glück sich super vertragen, und dass sie auch super erträglich sind. Keine schweren Nebenwirkungen. Geld macht weder einsam noch krank noch tot. Und vor allem, es gibt keine blöde knauserige Glücksgrenze. Keine Glücksbremse. Nicht so ein pingelig puritanisches Bis-dahin-und-nicht-weiter-drohdroh. Nicht mehr als 75 000 Dollar im Jahr, hieß es noch vor Kurzem, könne Mensch psychisch verkraften, alles Weitere übersteige seine Glückskapazität. Ab dieser Dosis gab es ernsthafte Warnungen. Jetzt kann es plötzlich laut neuester Erkenntnisse das Zehnfache an Kohle sein, mindestens, das Mensch locker wegstecken kann.

Aber schluck dann? Was dann? Wird es dann, jenseits dieser Größenordnung, endlich ernst und Geldsack stürzt sich endlich in den wohlverdienten Horror Vaqui? Weil das ja alles keinen Sinn hat. Wie sinnlos ist doch so ein Leben mit Geld! Immer nur Yacht. Schöne, gutgelaunte Menschen, die dem Sonnenuntergang zuprosten. Die Kunst kaufen. Interessante um sich haben. Prinzen und Künstlerinnen. Freund*innen haben, sogar im Real Life. Liebe nicht mal kaufen müssen, wer Geld hat muss nichts mehr kaufen. Wie sinnlos ist doch so eine Existenz, wir wissen es alle! Wir müssen nur die Bilder der Promis anklicken und ihren Storys folgen, wer würde mit ihnen tauschen mögen? Unter der Hartglanzoberfläche lauert der Abgrund. Nur noch Seelenunheil. Drogen, Designer-Food, kaputte Psyche, kaputte Kinder, zu Tode optimierte Körper, das ist der Preis, nicken wir, wenn wir die traurigen Promis sehen, Gott sei Dank sind wir nicht die.

Nein, keineswegs, es scheint keine Überdosis zu geben, höchstens ein Punkt, an dem der Glückshöhepunkt erreicht ist. Der zur Glückshochebene wird. Das chronische Glück. Sagt diese unfaire alles zerstörende Studie. Sie ist eine Vandalin, das ganze brave Konstrukt bricht zusammen. Das Sinnkonstrukt. Das Bleib-bescheiden-Konstrukt. Bescheiden, ein längst lächerliches Wort. Das Genügsam-glücklich-Konstrukt. Minimalistisch, wie man jetzt sagt. Das war doch eben noch das Motto. Die im Tiny House. Die Kleinen Coolen Leute. Anstatt die Dicken, die heute die Schlanken sind.

Geiz ist geil. Lautete mal eine Werbung um die Jahrtausendwende. Égoïste, hieß ein Männerparfum einer berühmten Marke zur selben Zeit, Frauen kauften es ihren Kerlen. Dann kam Occupy und besetzte keine WCs, sondern Bankenviertel. Dann verschwand Occupy. Manchmal beben die Banken, schnell werden sie gerettet. Geld macht glücklich, kreischt das Karussell. Sogar sehr. Nachhaltig.

Michèle Thoma
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