Braun, Josy: E Sousaphon fir Groussknautscheng

Knautschmoral

d'Lëtzebuerger Land du 15.10.2009

Grundsätzlich verhält es sich mit der Moral nicht wie mit Pommes, Cola und Hubba Bubba: Sie sollte nämlich unbedingt Bestandteil der Kindeserziehung sein. In einer Hinsicht aber gleichen sich Moral, Pommes, Cola und Hubba Bubba: Zuviel davon verdirbt den Appetit.

Als Kinderbuchautor pädagogische Ansprüche zu verfolgen, ist natürlich nicht verkehrt. Es schadet bestimmt keinem Kind, beim Lesen etwas zu lernen und ein wenig über Gut und Böse nachzudenken. Entscheidend für die Attraktivität eines Textes ist dabei jedoch, dass der Autor die oberste poetologische Binsenweisheit nicht außer Acht lässt, die da lautet: Das Wichtigste an einer Geschichte ist die Geschichte. 

Wären alle Geschichten in Josy Brauns neuem Kinderbuch, E Sousaphon fir Groussknautscheng, so ausgefallen, wie „Dem Zwabbel seng Nuecht am Gréngewald“, bräuchte man derartiges nicht anzumerken. Am Ersten Mai verschwindet Zwabbel, seines Zeichens Walferdinger Gartenzwerg, aus dem Garten der Familie Milla-Mola, um am internationalen Kongress der (Achtung, jetzt kommt’s:) Gezwergschaften teilzunehmen. Dieser Kongress, bei dem Rübezahl den Vorsitz innehat, versammelt Prominenz von Schneewittchens sieben Zwergen bis hin zu den extrovertierten Mainzelmännchen, den Beg­gener Wichtelcher und den Schlümpfen (das sind gentechnisch manipulierte Zwerge aus Frankreich). 

Zwabbel wird zum Präsidenten der neugegründeten Gezwergschaft der Gartenzwerge gewählt und man beschließt, dass die Zwerge fortan die allgemeine Fernsehkultur sabotieren werden, indem sie den Kindern heimlich Märchen zuflüstern. Diese Geschichte ist lustig, spannend und auf liebenswerte Weise naiv; sie ist aber auch eine politische Satire, die ohne grobe Boshaftigkeiten auskommt. Dass hier die großen und die kleinen Kinder nicht aus den gleichen Gründen schmunzeln werden, macht nichts, weil beide genug zu schmunzeln finden werden. 

Leider wird die Lust am Fabulieren in vielen der Geschichten von mehr oder weniger plakativen moralischen Botschaften in den Hintergrund gedrängt: Diebstahl lohnt sich nicht, Ausländerfeindlichkeit ist ätzend und seit Jahren gut integrierte Familien abzuschieben grausam. Ob es wirklich Kinder gibt, die Gefallen an zu so kompakt zusammengestauchten moralischen Fallbeispielen wie „Dem Yasky säin Doheem“ finden, sei einmal dahingestellt. Manchmal muss man sich allerdings fragen, wie „groß“ die Kinder eigentlich sein müssen, die Braun mit seinem Buch im Blick hat. Man wird beim Lesen das Gefühl nicht los, dass dem Autor mindestens ebensoviel an seiner politischen Agenda liegt als am Erzählen, was dazu führt, dass man manchen Geschichten fast nicht mehr ansieht, für welches Publikum sie bestimmt sind. „De Waassertuerm“ etwa, und die Titelgeschichte, „E Sousaphon fir Groussknautscheng“ gehören eher in die Kategorie „Provinzposse“ als in ein Kinderbuch, woran auch die durchweg kindgerechten Illustratio­nen von Ronald Molitor nichts ändern können.

Braun hätte sich außerdem überlegen können, dem Leser sein Ceterum censeo gegen die Sprachverhunzung, hier verpackt als Pointe der Geschichte „Wéi war dat dann deemools?“, dieses eine Mal nicht um die Ohren zu hauen. Damit verhält es sich nämlich auch wie mit Moral, Pommes, Cola und Hubba Bubba.

Josy Braun: E Sousaphon fir Groussknautscheng. Kleng Geschichte fir grouss Kanner. Illustréiert vum Ronald Molitor. Éditions Josy Braun 2009. 92 S. ISBN 978-2-9599684-8-8.

Elisabeth Schmit
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