Wie ist der Stand der Dinge in der Partnerschaft für Klima und Umwelt? Ein Interview mit Dieter Ewringmann, der das Partenariat begleitet

Good governance - ein Versuch

d'Lëtzebuerger Land du 10.02.2011

Seit vergangenem Jahr gibt es in Luxemburg ein neues Gremium: die Partnerschaft für Klima und Umwelt. Vertreter der Regierung mit dem delegierten Nachhaltigkeitsminister Marco Schank (CSV) an der Spitze wollen dort mit Sozialpartnern, NGOs und den Gemeinden Entwürfe für den zweiten nationalen Klimaschutz-Aktionsplan sowie einen Aktionsplan für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels ausarbeiten. Langfrist-Strategiefragen erörtern soll das Partenariat auch. An den Gesprächen beteiligt ist der Kölner Finanzwissenschaftler und Umweltökonom Dieter Ewringmann.

d’Lëtzebuerger Land: Herr Ewringmann, Sie beraten seit Jahren die Luxemburger Regierungen, aber auch Organisationen wie den Mouvement écologique zu Nachhaltigkeitsfragen. An den Diskussionen in der Partnerschaft für Klima und Umwelt sind sie ebenfalls beteiligt – sind Sie der Moderator im Partenariat?

Dieter Ewringmann: Ich bin vom Nachhaltigkeitsministerium beauftragt, den Prozess zu begleiten. Was die Leitung angeht, sind die Steuerungsgruppe und die Arbeitsgruppen in guten Händen. Eine Art Moderatorenrolle übernehme ich vielleicht dadurch, dass ich Vorlagen und Thesenpapiere zu bestimmten Themen erstelle. Man kann auf so einer Basis eher zu einem Konsens kommen als nach einer allgemeinen Diskussion. Das trägt sicherlich auch dazu bei, dass der neue Ansatz Partenariat Diskursroutine entwickelt und nicht in einem frühen Stadium scheitert.

Vergangenen Herbst hatten ja NGOs gedroht, die Runde zu verlassen, und ihr vorgeworfen, lediglich nach dem kleinstmöglichen Konsens zu suchen.

Ihre Zeitung hatte jedenfalls davon berichtet. Das war wohl zu einer Zeit, als man noch nicht gelernt hatte, die Rollen aller Seiten im Partenariat zu akzeptieren. Inzwischen bin ich sehr zufrieden und denke, dass die Zufriedenheit auch allgemein gestiegen ist. Es laufen so lebhafte Diskussionen in den Arbeitsgruppen und vor allem in der Steuerungsgruppe, wie ich sie in Luxemburg noch nie erlebt habe.

Weshalb wird dann nicht mehr Öffentlichkeit zum Partenariat hergestellt? Sogar nach Tripartite-Sitzungen, für die Vertraulichkeit gilt, wird immer mal wieder über den Stand der Dinge informiert. Sind die Themen des Partenariats so brisant?

Sie sind brisant. Aber ich denke, das  ist nicht der Grund. Themen wie der Treibstoffexport oder die Förderung erneuerbarer Energien sind schon lange öffentlich. Aber das Partenariat als Prozess und Gremium ist Neuland, ein Schritt zu einer neuen Struktur von Governance. Man muss fairerweise abwarten, was daraus wird.

Ist noch immer vorgesehen, dass man die Gespräche im Partenariat zu Ende führt und erst dann an die Öffentlichkeit geht? So hatten es die beiden Nachhaltigkeitsminister Ende 2009 angekündigt.

Die Gespräche sind insgesamt nicht befristet. Einen festen Termin Ende Mai hat der Klimaschutz-Aktionsplan. Der Entwurf soll öffentlich diskutiert werden. Etwas mehr Zeit hat der Aktionsplan zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Unbefristet sind die Gespräche zu Grundsatzfragen. Das ist ein neues Moment. Minister Marco Schank hat angekündigt, dass im Partenariat zentrale Grundsatzfragen weiter diskutiert werden könnten, auch wenn sie noch keinen Niederschlag in den Aktionsplänen finden. 

Sie haben mehrfach gesagt, man solle sich in Luxemburg Gedanken machen, ob man weiterhin auf hohes Wachstum setzen will. Das berührt die Klimapolitik. Diskutiert das Partenariat diese Grundsatzfrage?

Zwangsläufig taucht sie immer wieder auf. Doch das Partenariat ist von der Zusammensetzung her nicht in der Lage, alle Aspekte dieser Frage auszudiskutieren, schon gar nicht in der Zeit, die für die Erarbeitung des Aktionsplans bleibt. Hinzu kommt, dass es weltweit noch keinen Lösungsansatz gibt. Man ist sich einig, dass es so nicht weitergehen kann. Aber es fehlt ein zu Ende gedachtes Alternativkonzept. Daran würde eine Wachstumsdiskussion kranken, wenn sie im Rahmen von Aktionsplan-Überlegungen geführt würde: die verlangen ja Konkretheit.

Ist das Partenariat hochkarätig genug besetzt? Ein Vertreter der Arbeitgeberseite sagte mir unlängst, von den Gewerkschaften säßen im Partenariat Leute aus der „vierten Reihe“.

Die Rangstufen der Mitglieder kenne ich nicht. Solche Unterschiede wären möglicherweise ein Problem, wenn man politisch verbindliche Erklärungen über Zukunftsmodelle machen will. Für inhaltliche Diskussionen kann die Arbeitsebene besser sein als die hohe Ebene. Bisher sehe ich im Partenariat noch eher eine Übungseinheit. Über die Besetzung wird man umso stärker nachdenken müssen, je mehr langfristige Strategiefragen die Grundsatzdiskussion berührt. Ich nehme an, dass die beteiligten Organisationen das ganz allein machen werden – sobald man zum Beispiel fragt, wie eventuell das Steuersystem verändert werden könnte, damit es nachhaltiger wird. Das Partenariat kann dazu keine fertigen  steuerrechtlich ausgefeilten Vorschläge machen. Dafür brauchte man sowieso die politisch-administrative Zuständigkeit. Abes es kann die Frage prinzipiell diskutieren und einen Orientierungsrahmen geben. Dazu wird man die Leitungsebene der beteiligten Organisationen einbeziehen müssen. Um zu entscheiden, wie man das angeht, ist es aber noch zu früh. Man muss erst lernen, miteinander umzugehen und zu verstehen, dass es nicht nur ums Einbringen von Interessen geht, sondern auch darum, sich Gedanken um eine langfristige und zukunftsfähige Lösung zu machen, die dann breite Akzeptanz findet. 

Aber der Aktionsplan zum Klimaschutz reicht bis 2020. Es könnte sein, dass die EU noch beschließt, ihre Treibhausgasemissionen bis dahin nicht nur um 20 Prozent zu senken, sondern um 30 Prozent. Die Regierung hat im Koalitionsvertrag festgehalten, dieses Ziel ginge Luxemburg mit. Sie wiederum haben vorgerechnet, in dem Fall müsse man an den Treibstoffexport ran – was enorme fiskalische Konsequenzen hätte. Wie geht das Partenariat damit um?

Es stellt sich dieser Frage. Das politische Plenum des Partenariats soll ja auch das Regierungsprogramm und den neuen nationalen Nachhaltigkeitsplan konkretisieren. Also muss man für die 30-Prozent-Option gerüstet sein. Darüber besteht Konsens. Man wird abwarten müssen, wie sich das konkret in den Vorschlägen zum Aktionsplan niederschlägt.

Das Partenariat hat aus dem Nachhaltigkeitsplan ein paar Themen übertragen bekommen: die Diskussion um Ökosteuern und einen Zukunftsfonds zum Beispiel. Marco Schank hat gesagt, dadurch würde das Partenariat politisch aufgewertet.

Ob sie regelrecht übertragen wurden, kann ich nicht einschätzen. Auf jeden Fall sind die Themen angekommen. Teile einer solchen steuerlichen Veränderung werden sicher schon für den Aktionsplan relevant. Aber eine nachhaltige Steuerreform ginge weit über den Aktionsplan hinaus. Dasselbe gilt für den Zukunftsfonds. Beide Themen dürften die Steuerungsgruppe noch längerfristig beschäftigen, und sie wird allenfalls Leitplanken entwickeln können, die eine Vereinbarkeit mit Nachhaltigkeitskriterien garantieren.

Ist denn klar, dass es eine Reform des ganzen Steuersystems geben soll? Es stellen sich ja auch Verteilungsfragen.

Es geht nicht darum, alle Steuern umzukrempeln. Sondern um die Überprüfung, inwieweit bestehende Regelungen den Anforderungen der Nachhaltigkeit noch entsprechen – sowohl was die Steuerergiebigkeit als auch was die langfristigen wirtschaflichen, sozialen und ökologischen Wirkungen anbelangt. Im Partenariat rückt vor allem die Umwelt- und Energiebesteuerung in den Blick. Sie ist ein Vehikel, um zu tun, was die OECD in ihrem letzten Umweltbericht zu Luxemburg empfohlen hat: externe Kosten zu internalisieren und das Energiesteuerniveau neu zu justieren. Zu fragen ist, in welchen Bereichen und in welchen Zeiträumen Anpassungen erfolgen sollen ob die dauerergiebig wären.

Dann müsste das Partenariat aber auch über Wirtschaftsfolgen und Gerechtigkeitsfragen diskutieren, oder?

Wenn man solche Steuerdiskussionen punktuell und für jede Steuer getrennt führt, rücken tatsächlich sofort kurzfristige Sozialeffekte und Wirtschaftsfolgen in den Mittelpunkt. Dann lässt sich nicht diskutieren, ob die Änderung nicht langfristig allen Vorteile bringt, stattdessen liegt schnell die Forderung nach Ausnahme- und Sonderregelungen auf dem Tisch. Die aber mindern sowohl den fiskalischen als auch den Lenkungserfolg. Nur in einer breiteren Systemdiskussion kann man überlegen, wie die neuen Belastungen an anderer Stelle abgefedert werden können, damit nicht allzu große Gewinner allzu großen Verlierern gegenüberstehen. Das zeigt, wie überaus komplex Steuerdiskussionen sind – und dass im Partenariat nur bestimmte Aspekte diskutiert werden können.

Eigentlich müsste das Partenariat ja auch eine Index-Diskussion führen, wenn schon für den Aktionsplan einzelne Verbrauchssteuern erhöht oder neu eingeführt werden könnten.

Der Index ist natürlich ein Thema, auf das man in den Diskussionen im Partenariat immer wieder stößt. Es gibt aber kein Mandat, Vorschläge zur Änderung des Indexsystems zu machen.

Man würde dann vielleicht zu einer steuerlichen Aktionsplanmaßnahme sagen, sie wird nicht im Warenkorb berücksichtigt?

Das wäre vielleicht eine Luxemburger Variante; eine von vielen Optionen. Ich selbst bin – wie schon gesagt – der Meinung, man sollte eine Gesamtbewertung vornehmen und nicht spezifisch kompensieren. Ob es aber im Partenariat im Zusammenhang mit Steuervorschlägen zu solchen Empfehlungen kommt, kann ich nicht beurteilen. Das wird auch davon abhängen, ob man soziale Schieflagen und Wettbewerbseffekte als Folge von Steuervorschlägen identifizieren kann. Nicht zuletzt ist das eine Frage der verfügbaren Daten und der Analyse.

Gibt es eigentlich zur Aufstellung von Klimaschutzszenarien genug zuverlässige Daten?

Es gibt genug, um zu sagen, wir müssen Weichenstellungen vornehmen. Dazu reicht das international vorgegebene Emissionsinventar. Das bietet immer bessere Daten über Emissionen und Energieverbrauche. Dagegen ist alles, was dahinter steht, statistisch nach wie vor ganz schlecht abgebildet. Man brauchte ein wirtschaftlich tragfähiges Rechenmodell für Luxemburg, in das man Fragen eingeben könnte, wie etwa: Wie würde es sich denn auswirken, wenn man ganz auf erneuerbare Energien umstiege? Oder wenn man den Verkehr reduzieren oder ihn umlenken würde? Und so weiter. Diese Basismodelle gibt es erst in Ansätzen. Es wird auch eine Aufgabe des Aktionsplans sein, konkrete Maßnahmen zum Abbau dieses Defizits festzuhalten.

So einen richtig klaren Aktionsplan wird es demnach gar nicht geben können?

Nun ja, es gab 2006 schon einen, und der entstand auf noch niedrigerem Datenniveau. Mittlerweile ist das Fundament besser. 

Wäre das Partenariat dann im Idealfall das Gremium, das sich mit Langfrist-Fragen befasst?

Zumindest ein Gremium. Es ist ja eine Art Replik auf die Grenelles in Frankreich. Die waren mit zu großen Erwartungen geschaffen worden, unter anderem mit der Mission, eine CO2-Besteuerung fest-zulegen. Am Ende war das Ganze eher ein Fehlschlag. Man lernt daraus, dass man solche Gremien nicht unter zu großen Handlungsdruck setzen darf. Solche neuen institutionellen Muster brauchen Zeit. Da ist mir der Luxemburger Ansatz ganz lieb, der auf Lerneffekte setzt, die im Prozess Partenariat gesammelt werden.

Meinen Sie, dass das Partenariat politische Entscheidungen vorwegnehmen könnte? 

Nein. Die politische Entscheidung bleibt, wo sie ist. Hier geht es um Good governance, zu der es gehört, die Betroffenen mitzunehmen und ihre Meinungen abzubilden. So gesehen, halte ich das Partenariat mit der Einbindung von NGOs, Gewerkschaften und Gemeinden für einen tollen Schritt und würde es für Luxemburg sehr begrüßen, wenn es weiter geführt und vielleicht noch auf eine etwas breitere Grundlage gestellt würde.

Peter Feist
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