In der Baubranche, wo jedes Projekt einen Prototypen darstellt und 20 Gewerke kooperieren müssen, ist die Vereinheitlichung der Informationsflüsse eine Innovationsleistung

Maurer ruft Klempner ruft Maler

d'Lëtzebuerger Land du 17.02.2012

Die Produktivität am Bau zu verbessern – das ist das Ziel des CRTI-B. Ganz gleich, ob es um Tiefbau geht oder um Hochbau, um eine Dorfstraße oder eine Autobahn, um ein Einfamilienwohnhaus oder einen neuen Büroturm für den Kirchberg.

CRTI-B lautet ausgeschrieben Centre de ressources des technologies de l’information pour le bâtiment, und dass eine Abteilung des Centre de recherche public Henri Tudor genau so heißt, ist kein Zufall. Seit seiner Gründung 1990 ist das CRTI-B bei Tudor angesiedelt. Wenngleich es damals schon eine Plattform verschiedener Akteure war, der unter anderem auch die Straßenbauverwaltung, der Architekten- und Bauingenieurverband OAI oder die Handwerkskammer angehören. Da im Bauwesen und im Bauhandwerk an die 3 000 Betriebe mit insgesamt rund 50 000 Arbeitsplätzen tätig sind, ist die Mission Produktivitätssteigerung keine kleine. Dabei arbeitet die Plattform im Grunde nur auf einem Gebiet: an der Entwicklung von Standards.

„Vor 20 Jahren entwickelte die Plattform einheitliche Vertragsbedingungen“, erinnert Christian Reding, Berater bei der Handwerkskammer, an die ersten Aktivitäten des CRTI-B. Solche Standardklauseln erleichtern Bauunternehmen die Arbeit. „Jede der 400 Architektenfirmen im Lande machte mit Auftraggebern jeweils eigene Verträge mit eigenen Bedingungen. Der Baubetrieb, der solche Aufträge ausführt, musste im Grunde die Verträge jedes Architektenbüros kennen“, sagt Reding.

Heute ist der Standardvertrag des CRTI-B für den gesamten öffentlichen Markt obligatorisch; immerhin rund die Hälfte des Gesamtmarkts der Branche, in der mit der Straßenbauverwaltung, der Öffentlichen Bautenverwaltung und der Stadt Luxemburg die drei größten Bauherrn öffentliche sind.

Technische Vertragsklauseln, die das CRTI-B in den Neunzigerjahren entwickelte, sorgten ebenfalls für mehr Klarheit. „Zum Beispiel stellte sich früher nicht selten die Frage: Wie weit reicht eine Leistung, was ist alles im Preis inklusive?“ Dazu habe es, so Reding, viele telefonische Anfragen bei der Handwerkskammer gegeben. Jetzt werden diese Punkte durch die technischen Vertragsbedingungen des CRTI-B geklärt. An die 40 Kapitel umfassen sie – einsehbar im Internet –, und sie reichen von Gerüstarbeiten über Elektroarbeiten verschiedenster Art bis hin zu Maler- und Tapezierarbeiten.

Dass an einem Bauvorhaben ganz verschiedene Gewerke beteiligt sind – vom Maurerbetrieb über die Heizungsbauer bis hin zur Fliesenlegerfirma – deutet aber noch einen Problemkreis an: „Anders als in der Industrie, wo man einen Prototyp herstellt, zur Serienreife führt und anschließend Zehntausende, vielleicht gar Millionen Exemplare davon produziert, ist jeder Bau ein Prototyp“, erklärt Annie Guerriero vom CRP Henri Tudor.

Und nicht nur das: Die am Bau beteiligten Mannschaften der verschiedenen Betriebe sind ebenfalls immer neu zusamengesetzt und kommen aus 20 verschiedenen Gewerken. Weil all diese Akteure auf der Baustelle zusammenarbeiten müssen, Fristen einzuhalten haben, Budgets nicht überschreiten dürfen, und weil die Betriebe meist an mehreren Projekten gleichzeitig arbeiten, startete das CRTI-B im Jahr 2004 sein bisher größtes Innovationsvorhaben: den Informationsaustausch auf den Baustellen zu standardisieren und dafür eine Internet-Plattform einzurichten.

Build IT heißt dieses Projekt, das je zur Hälfte von der Handwerkskammer und dem Forschungsministe-rium finanziert wird. Wie nach dem Baukastenprinzip wird es immer weiter entwickelt. „Die Computerisierung im Bausektor ist eigentlich noch ziemlich jung, breitet sich aber rasant aus“, sagt Reding. „Die Planungsbüros arbeiteten zum Teil noch in den Neunzigerjahren mit Zeichenbrettern. Erst kurz vor der Jahrtausendwende hatten alle den Übergang zum Computer aided design vollzogen. Heute dagegen werden 3D-Werkzeuge immer geläufiger.“ Den Datenverkehr zwischen Bauherrn, Baubetrieben, Architekten und beratenden Ingenieuren systematisieren zu wollen, kann demnach nur ein Work in progress sein.

Seit 2009 besteht die erste Ausbaustufe der Plattform CRTI-Web. Derzeit bestehen unter www.crti-web.lu zwei Angebote: der Online-Baustellenbricht und den Web-gestützte Dokumentenaustausch.

Der „Bericht“ sei „enorm wichtig auf einer Baustelle“, erläutert Annie Guerriero. In der Regel einmal pro Woche träfen sich alle am Bau beteiligten Betriebe zur großen Besprechung. „Da wird der Stand der Dinge erhoben, es werden die nächsten Aufgaben vergeben, und es wird geklärt, wer von welcher Aufgabenerfüllung eines anderen abhängig ist.“ Am Ende finde sich alles in einem um die zehn Seiten langen Bericht wieder.

Noch heute sei es üblich, dass auf den Baustellen viele laufende Meter an Ordnern bereitgehalten werden, in denen lauter Wochenberichte abgeheftet sind, sagt Guerriero. CRTI Web dagegen bietet ein Modul an, auf dem nicht nur ein Bauprojekt auf eine zentrale, gesicherte Plattform gelegt werden und Woche für ein neuer Bericht in elektronischer Form hinzugefügt werden kann. Die E-Plattform enthält auch eine Suchfunktion, mit welcher der Baubetrieb die für ihn relevanten Teile eines Berichts filtern kann. Und: Ein Bauunternehmen, das an mehreren Projekten zugleich beteiligt ist, kann über CRTI Web jedes einzelne Vorhaben mit seinen jeweiligen Wochenberichten verwalten.

Und wenn schon Firmen verschiedener Gewerke via Internet ihre nächsten Bauleistungen disponieren, liegt der Gedanke nicht weit, einen strukturierten Datenaustausch zwischen den Firmen zu organisieren. Diese Funktion bietet die zweite Ebene des CRTI Web an.

„Am Anfang stand für uns dabei die Entwicklung einer Plan-Sprache“, erläutert Guerriero. „Jeder Architekt hat seine Methode, auf Bauplänen die zu erledigenden Arbeiten zu benennen. Dass im Erdgeschoss Rohrarbeiten zu erledigen sind und im Obergeschoss der Fußboden verlegt werden muss, heißt im Grunde in jedem Plan anders.“

Das CRTI-B dagegen entwicklte eine Konvention nach Vorgaben der OAI. Jeder Aspekt des Bauplans, jede zu erledigende Aufgabe erhält einen Namen, der aus vielen, aber systematischen Abkürzungen besteht und in einer Datenbank abgelegt wird. Wird auf der Baustelle eine Aufgabe erledigt und der dafür zuständige Betrieb teilt das dem System mit, werden alle anderen am Bau Beteiligten davon per E-Mail informiert und können den neuen Stand des Planes einsehen. Eine zentrale Koordination im CRTI Web sorgt aber auch dafür, dass je nach Planstand die nächsten zu erledigenden Aufgaben festgestellt werden und ein Betrieb daran erinnert wird. Wer an mehreren Projekten gleichzeitig beteiligt ist, die allesamt über CRTI Web verwaltet werden, erfährt rechtzeitig, dass er auf Baustelle X neue Fenster einzusetzen hat, während auf Bauplatz Y der Einbau von Treppengeländern ansteht. Nur zum Beispiel.

Da die Nutzung von CRTI Web projektabhängig ist, fluktuiert die Nutzung. Gegenwärtig würden über die Plattform 129 Unternehmen 18 „aktive Baustellen“ verwalten, bilanziert Annie Guerriero. Was das Portal an quantitativen Produktivitätsgewinnen gebracht hat, lasse sich noch nicht sagen. „Dafür ist eine längere Laufzeit nötig.“ Denkbar sei jedoch nicht nur, dass durch die beiden Module Zeit gespart werden kann, sondern auch die Qualität am Bau steigt und Reklamationen abnehmen. Währenddessen wird in den Arbeitsgruppen der Innovationsplattform über weitere Ausbaustufen des Web-Portals nachgedacht.

Peter Feist
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