Die automobile Welt bewegt sich immer mehr in Richtung Elektrofahrzeuge. Die großen Hersteller bekennen sich zur Transformation und arbeiten seit Jahren an der Umstellung ihrer Produktpalette von Autos mit Verbrennermotoren auf Fahrzeuge, die ausschließlich von Elektromotoren angetrieben werden. BEV (battery electric vehicles) sind das Endziel aller Bemühungen. Alimentiert von zwischenzeitlichen Lösungen wie einer Teilelektrifizierung mit einem 48-Volt-Bordnetz, das die Basis für den Hybridantrieb bildet. Oder mit sogenannten Plug-In-Hybrids. Doch dieses „Stecker-Auto“, das aus externen Ladequellen gespeist werden kann und dann für eine bestimmte Teilstrecke rein elektrisch unterwegs ist, ist nur der Steigbügelhalter für die von den Konzernen angestrebte Lösung der Abkehr vom Verbrenner.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen, die auf diesem Weg geschaffen werden muss, sind der Transport, die Lagerung und die Bereitstellung von Flüssigkeiten für den gesamten Betriebskreislauf eines rein elektrischen Fahrzeugs. Das erfordert zum Teil eine ganz neue Herangehensweise. Spielt das „Thermomanagement“ beim Verbrenner noch eine eher untergeordnete Rolle, ist es bei batteriebetriebenen Automobilen von umso entscheidenderer Bedeutung. In erster Linie deshalb, weil sowohl der Energiespeicher wie auch der Elektroantrieb sehr temperaturempfindlich sind. Dass die richtige Temperierung im Automobil immer wichtiger wird, gilt also in erster Linie für batteriebetriebene Autos.
Der weltweite Marktführer auf diesem Gebiet, der britische Automobilzulieferer TI Fluid Systems, kann dabei auf jahrzehntelange Erfahrungen bei der Sicherstellung des Flüssigkeitskreislaufes in Automobilen zurückgreifen. TI Fluid Systems ist ein globaler Entwickler von fortgeschrittenen Thermal- und Flüssigkeitssystemlösungen für die gesamte Bandbreite aktueller und zukünftiger Fahrzeugarchitekturen. Also sowohl von Verbrennern, teilelektrifizierten oder ausschließlich elektrifizierten Kraftfahrzeugen.
Das 1922 in Detroit gegründete Unternehmen mit heute 104 weltweiten Produktionsstätten in 29 Ländern lieferte bereits Kraftstoffleitungen für Henry Fords „Model T“, mit dem die Serienproduktion von Autos begann. Im badischen Rastatt, in der Nähe der großen Nord-Süd-Verkehrsachse Autobahn A5, hat TI Fluid Systems 2022 sein erstes E-Mobility Innovation Center (e-MIC) eröffnet. Dort entwickeln 230 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 30 Nationen Thermomanagement-Technologien, die auf die individuellen und globalen Bedürfnisse der Kunden abgestimmt sind.
Rastatt ist neben weiteren geplanten Zentern in Europa, Nordamerika und Asien so etwas wie die „Denkfabrik“ des Zulieferers. Es ist zugleich eine Anlaufstelle für die Kunden des Unternehmens, also deutsche Autobauer wie auch Importeure. Hauptaufgabe ist jedoch die Weiterentwicklung und Unterstützung bei der effizienteren Markteinführung von Autos mit E-Maschinen. Der Spezialist ist Vorreiter bei Flüssigkeits- und Wärmemanagementsystemen für die Autoindustrie und arbeitet eng mit sogenannten OEMs (original equipment manufacturers) zusammen. Das sind in erster Linie Erstausrüster oder Originalhersteller.
In der Automobilindustrie und im Maschinenbau verwendet man diesen Ausdruck für den Hersteller eines Produktes, das aus vielen einzelnen Teilen zusammengebaut und dann unter eigenem Namen auf den Markt gebracht wird. Da viele Autobauer weitgehend baugleiche Produkte einmal als OEM und dann als Variante für den freien Handel vertreiben, erfordert dies auch vom Zulieferer für die Problematik des Flüssigkeitstransports und dessen Speicherung ein Höchstmaß an Flexibilität.
„Unser Innovation-Center bietet uns die Möglichkeit, unser Wissen und unsere Dienstleistungen weitestgehend an die Wünsche der Kunden anzupassen“, sagt Johannes Helmich, seit 2021 CTO (Chief Technology Officer) von TI Fluid Systems. Helmich spielt eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung und Entwicklung des Produktportfolios von TI Fluid Systems. Der Schwerpunkt des Ingenieurs, der zuvor hochrangige Führungspositionen bei internationalen Automobilzulieferern wie Bosch, Magna, Brose und Valeo bekleidete, liegt auf der Beschleunigung der Produktentwicklung für Elektrofahrzeuge. Sein Arbeitgeber hat dafür eine eigene „Fluid-Evolution-Strategie“ entwickelt.
Es gehe ihm und der Firma vor allem darum, das zukünftige Thermomanagement-System mit weniger Bauteilen und mehr modularer Technik weiterzuentwickeln, sagt Helmich. „Die Zeiten, in denen es in manchen Autos mit der bisherigen Schlauchtechnik wie auf einem Teller Spaghetti aussah, sollen möglichst bald ein Ende haben“, schildert der Experte sehr bildhaft. Kühlmittel-Kreisläufe, so seine Überzeugung, ließen sich für reine Stromer „auf jeden Fall weiter optimieren“.
So könne etwa das Camping-Gas Propan in Klimaanlagen Verwendung finden. Mit Hilfe des sogenannten Blasformens, einem Sonderverfahren zur Herstellung von Hohlkörpern, könnten Kühlmittelschläuche um bis zu 30 Prozent leichter werden. Propan biete demzufolge die Voraussetzung, um CO2 als Kältemittel in Klimaanlagen abzulösen. TI Fluid Systems untersucht dafür das Thermomanagement von Elektrofahrzeugen in seinem neuen Innovation-Center ganzheitlich.
Das gesamte System des Thermomanagements und Klimaanlagen für die sogenannten BEV stünden vor weitreichenden Veränderungen, sagt Helmich. Zum einen seien neue chemische Stoffe für Kältemittel in der Erprobung, die noch umweltfreundlicher seien. Dazu gehöre auch das für den Automobilbereich völlig neue Propan. Ein zweiter Schwerpunkt sei aber auch, dass die Integration bei Kühlmitteln immer weiter voranschreite. Immer mehr Elemente würden zu Modulen und Submodulen zusammengefasst. Submodule bestehen zum Beispiel aus Schläuchen, Rohren, Leitungen, Ventilen und Pumpen, die ein Gemisch von Wasser und Glykol an die richtigen Stellen im Auto verteilten. Diese Modultechnik vereine nicht nur multiple Funktionen in sich. Sie erlaube auch das Anfertigen vormontierter Einheiten für die Endmontage beim OEM.
Vor allem bei Fahrzeugen mit batterieelektrischem Antrieb bildeten mehrere komplexe thermische Kreisläufe eine besondere Herausforderung. Dazu gehörten Vorgänge im Interieur des Autos, im Antrieb und im Energiespeicher. Zusammengefasst ordneten sich alle diese Forschungen und Entwicklungen einem gemeinsamen Ziel unter, stellt der CTO von TI Fluid Systems fest: die Reichweite von Elektrofahrzeugen weiter zu erhöhen. „Wir müssen“, lautet sein Credo, „weite Teile der verschiedenen Bevölkerungsschichten vom Kauf eines ausschließlich batteriebetriebenen PKW überzeugen“.
Ein Unterfangen, das auch die Frage nach der staatlichen Förderung von E-Autos aufwirft. In Deutschland wurde der „Umweltbonus“ vor wenigen Wochen außer Kraft gesetzt. In Luxemburg wurde die bestehende Kaufprämie vorerst bis Ende Juni verlängert. Viele deutsche Hersteller, die das Aus für den Umweltbonus heftig kritisieren, haben zwar erklärt, diese Förderung auf die eigene Kappe zu nehmen und sie aus dem firmeninternen Etat zu finanzieren. Ein Vertrauensbeweis und ein Anreiz für die Anschaffung eines im Vergleich zum Benziner oder Diesel noch sehr teuren Stromers ist das für viele Personen in Deutschland jedoch nicht gerade.
Dessen ungeachtet hat TU Fluid Systems seine Entwicklungsprozesse neu strukturiert und sie in sechs aufeinander aufbauende Schritte aufgeteilt. Diese basieren auf den Kernkompetenzen des Unternehmens: Das beginnt schon beim sogenannten virtual engineering, also der Unterstützung von Entwicklungsprozessen mit Hilfe digitaler dreidimensionaler Modelle. Das reicht von der Planung über Konstruktion bis zur Validierung der gefundenen Lösungen mit von Simulationen und Tests. Und es setzt sich weiter fort über das Design, die Fertigung und das Testen von Prototypen bis zum sogenannten finalen vehicle testing.
Hans Dietjens, Präsident und CEO bei TI Fluid Systems, schilderte bei einem Media Day vor etwas mehr als einem Jahr in der badischen „Denk- und Fabrikationsfabrik“ die Basis, auf der dort gedacht und produziert wird: Das e-MIC verkörpere „unsere Mission, Veränderungen wohlwollend anzunehmen, strategisches Denken in den Vordergrund unserer Arbeit zu stellen und Innovationen im gesamten Unternehmen zu fördern“. Eines der zahlreichen Aushängeschilder des Centers sei die „enge gemeinsame Zusammenarbeit mit den Kunden.“ Thermomanagement sei eigentlich essenziell für den zuverlässigen und sicheren Alltagsbetrieb eines BEV. Es werde jedoch von den Autobauern aufgrund anderer Priorisierungen zu sehr vernachlässigt.
„Mit unserer 3D-Simulationslage“, erklärt CTO Helmich, „können wir die Fahrzeugdaten eines OEM hochladen und dann die 3D-Modelle der Thermosysteme, der Module und Komponenten in einer vollelektrischen Fahrzeugarchitektur nicht nur darstellen, sondern auch analysieren und umgestalten.“ Das habe zur Folge, dass das Unternehmen die Hardware nicht schon in den frühen Phasen des Entwicklungszyklus bauen müsse. „Wir sparen dadurch unglaublich viel Zeit und arbeiten sehr kosteneffizient.“
Auf der IAA Mobility vergangenes Jahr in München präsentierte TI Fluid Systems sein erweitertes Produktportfolio. Helmich sprach dabei von der „Verpflichtung, neue Technologien und Innovationen mit Blick auf die Mobilität der Zukunft aktiv zu fördern“. Das erreiche man nur in einer „starken Gemeinschaft, wie wir sie im globalen Netz der Automobilindustrie kennen und schätzen“. Zu den wichtigsten Themen, die es in Zukunft zu lösen gelte, gehörten autonomes Fahrern, Sicherheit im Netz (Cybersecurity) und Konnektivität. Der Endkunde erwartete „eine Elektromobilität ohne Einschränkungen“. Und das in punkto Batterie-Reichweite, Ladedauer und verfügbarer Ladeinfrastruktur.