Immobilienanzeigen

Vom Wort ins Internet

d'Lëtzebuerger Land du 17.02.2012

Der Konkurrenzdruck des Internets auf die Presse ist nicht immer dort am schmerzhaftesten, wo er allgemein vermutet wird. Das gilt unter anderem für die Kleinanzeigen, die ein Jahrhundert lang eine sichere Einnahmequelle für die Tagespresse boten. Dann fiel ein Teil von ihnen an kostenlose Anzeigenblätter mit bezahlten Anzeigen, wie Luxpost, oder an bezahlte Anzeigenblätter mit kostenlosen Anzeigen, wie Luxbazar. In den vergangenen zehn Jahren begann dann schließlich ein wachsender Teil – etwa des Immobilien- und Automarkts – ins Internet abzuwandern.

Am deutlichsten verspürte das Luxemburger Wort diese Veränderungen. Denn Kleinanzeigen, ebenso wie Familienanzeigen, werden bevorzugt in der auflagenstärksten Zeitung inseriert, um ein Maximum an Interessenten zu erreichen. Laut Luxembourg Ad’Report wurden im dritten Quartal vergangenen Jahres 59 Prozent der gesamten Tageszeitungswerbung, aber 85 Prozent aller Klein- und Familienanzeigen im Luxemburger Wort geschaltet. Immobilien- und andere Kleinanzeigen sind derzeit kein Markt für die kostenlosen Tageszeitungen Essentiel und Point 24.

Die Immobilienanzeige im Internet hat mehrere Vorteile gegenüber der gedruckten Version. Zum einen ist das Verhältnis zwischen Preis und potenzieller Leserzahl höher. Fotos sind nicht mehr, wie in der Zeitung, kostspielig und deshalb auf Luxusgebäude beschränkt, sondern im Internet die Regel. Zudem werden zumindest die Menüs der Seiten, wenn auch nicht die Anzeigen, oft in mehreren Sprachen angeboten. Vor allem aber sind elektronische Immobilienanzeigen benutzerfreundlicher: Statt langwierig ganze Zeitungsseiten durchzukämmen, kann der Wohnungssuchende binnen kürzester Zeit mit verschiedenen Suchfunktionen das Angebot gezielt nach seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten filtern. Neuerdings ist nicht nur die Suche nach Ortschaft, Zimmerzahl, Preis, Garten, Balkon und Garage möglich, sondern auch nach der Energieklasse oder den Zugangsmöglichkeiten für Behinderte.

Marktführer bei den Immobilienanzeigen im Internet ist die 2001 von dem Pionier und damaligen Jungunternehmer Patrick Kersten gegründete Firma Athome, die vor fünf Jahren für 4,5 Millionen Euro von der australischen Rea-Gruppe aufgekauft wurde. Athome verbucht inzwischen einen Jahresumsatz von 3,5 Millionen Euro. Nach Angaben von Focus on Research [&] Innovation erreicht Athome 90 Prozent der Interessenten, die Immobilien online anbieten oder suchen. Während der größte Konkurrent auf 30 bis 40 Prozent komme. Neben Athome betreibt die Firma auch Atoffice für den Handel mit gewerblichen Bauten und verkauft ihre Anzeigen noch einmal gedruckt in dem Anzeigenmagazin Athome New Homes.

Athome, die mit monatlich 300 000 Besuchern ihrer Internetseite wirbt, verrechnet für ein Inserat 79 Euro im Monat oder 189 Euro für drei Monate. Wobei die Firma meint, dass eine einmonatige Veröffentlichung für Vermietungen und drei Monate für den Verkauf einer Immobilie „ideal“ seien.

Nummer zwei im Geschäft nennt sich die Firma Immotop. Glaubt man dem Brüsseler Centre d’information sur les médias (CIM), dann schauten vergangene Woche täglich 8 727 Besucher bei Athome vorbei, 2 180 bei Immotop. Unter Berufung auf die Erhebungen des Cim führt Immotop an, im Januar 48 471 Besucher verbucht zu haben. Bei Immotop sind die Anzeigen durch die geringere Reichweite billiger als bei Athome, ein Inserat kostet 29 Euro im Monat und 59 Euro für drei Monate.

Die Tochterfirma der Post, Editus, die unter anderem die Telefonbücher herausbringt, unterhält die Seite Habiter. Sie ist auch über das Internetportal von RTL zugänglich. Die Immobilienanzeigen von Habiter werden daneben zu verschiedenen Tageszeiten als Standbilder im Fernsehprogramm von RTL verbreitet. Habiter verrechnet 52 Euro für eine einmonatige Anzeige und 125 Euro für drei Monate, lässt ihre Reichweite aber nicht durch das Cim prüfen.

Um den Markt nicht kampflos aufzugeben, schuf das Luxemburger Wort die Internetseite Immofinder. Wer im Wort eine Immobilie zum Zeilenpreis von 4,12 Euro anbietet – 79 Euro für ein Foto –, bekommt die Anzeige während eines Monats kostenlos auf Immofinder veröffentlicht. Das wäre kein schlechtes Geschäft, wäre die Reichweite von Immofinder größer. Mit durchschnittlich 247 Besuchern am Tag war das Interesse vergangene Woche aber gering.

Angesichts der Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt ist nicht nur das Geschäft mit Immobilienanzeigen heiß umkämpft. Weil ob der hohen Nachfrage die Marktbedingungen vom Angebot diktiert werden, sind direkte Immobiliengeschäfte zwischen Privatleuten kaum noch möglich. Selbst wenn private Immobilienbesitzer ihr Haus, ihre Wohnung oder ihr Baugelände in einer Kleinanzeige zum Verkauf oder zur Miete anbieten, sind es meist zuerst Immobilienagenturen, die sich um das „Objekt“ bewerben und es in ihr Angebot aufnehmen wollen, bevor sich der erste Endverbraucher gemeldet hat.

Trotz der Abwanderung vieler Immobilienanzeigen aus der Presse ins Internet, verschwindet das Papier nicht vollends aus diesem Anzeigengeschäft. Denn parallel zum Aufkommen der Anzeigenseiten im Internet sind in den vergangenen Jahren auch mehrere Immobilienmagazine entstanden, Athome New Homes, Immostar, Immo54, Guide immobilier und Wunnen. Sie drucken meist Kleinanzeigen ab – oft als Zweitverwertung ihrer im Internet veröffentlichen Immobilienanzeigen.

Romain Hilgert
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