Die Covid-19-Pandemie hat den Lebensalltag der Bevölkerung insgesamt aber auch der Jugendlichen in Luxemburg stark verändert. Jugendliche sind bei einer Infektion mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2) seltener von schweren Krankheitsverläufen bedroht als ältere Personen. Jedoch erlebten sie die weitreichenden Kontaktbeschränkungen und die zeitweilige Schließung von Schulen, Vereinen und anderen Einrichtungen als gravierende Einschränkungen. Gut zwei Jahre nach Ausbruch der Pandemie möchten wir in diesem Beitrag einen genaueren Blick auf die Auswirkungen der Pandemie auf die junge Generation in Luxemburg werfen. Inwiefern hat sich das Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit von Jugendlichen verändert? Welchen Einfluss hat die Pandemie auf verschiedene Lebensbereiche? Und wie blicken Jugendliche in ihre Zukunft? Als Grundlage dienen uns Daten von mehr als 11 000 Jugendlichen, die im Rahmen von Forschungsprojekten am Zentrum für Kindheits- und Jugendforschung der Universität Luxemburg (siehe Infobox) befragt wurden (Samuel & Willems, 2021; Residori et al., 2020; Schomaker et al. 2021).
Besorgnis bei Jugendlichen, vor allem zu Beginn der Pandemie
Wie sehr sorgen sich Jugendliche wegen der Covid-19-Pandemie und wie kommen sie mit dieser zurecht? Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich gerade zu Beginn der Pandemie in 2020 viele Jugendliche besorgt gezeigt haben. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, ziemlich oder sehr besorgt zu sein. Diese Sorge ist Ausdruck einer allgemeinen Verunsicherung und sicherlich auch der Ungewissheit über die zukünftigen Entwicklungen. Vor allem das Confinement zu Beginn der Pandemie hat diese Einschätzung verstärkt. Dabei sorgten sich Jugendliche vor allem andere zu infizieren, nicht jedoch sich selbst. Ein Jahr später, 2021, liegt der Anteil derer, die sich besorgt zeigen mit 39 % deutlich niedriger. Dieser Rückgang liegt möglicherweise darin begründet, dass sich Jugendliche mit fortschreitender Dauer der Pandemie mit der Situation arrangiert haben.
Gleichzeitig bewerten die Jugendlichen die Maßnahmen anders: Der Anteil der Jugendlichen, die die Maßnahmen übertrieben finden, hat sich erhöht (von 12 % in 2020 auf 26 % in 2021), während der Anteil der Jugendlichen, denen es leichtfällt, die Maßnahmen zu befolgen, gefallen ist (von 76 auf 67 %). Insgesamt kommen die Jugendlichen im Schnitt sowohl 2020 als auch 2021 eher gut mit der Pandemiesituation zurecht.
Niedrigere Lebenszufriedenheit bei Jugendlichen in Folge der Pandemie
In internationalen Studien sind die Auswirkungen der Pandemie auf die Lebenszufriedenheit und das Wohlbefinden der Jugendlichen gut belegt (Magson et al., 2020; Ravens-Sieberer et al., 2021; Riiser et al., 2020). Auch in Luxemburg war die durchschnittliche Lebenszufriedenheit von Jugendlichen während der Pandemie niedriger als zuvor. So lag der Anteil Jugendlicher, die ihre Lebenszufriedenheit als niedrig einschätzen, im Jahr 2019 bei 21 % und im Jahr 2020 bei einem Drittel. Dieser starke Anstieg ist umso erstaunlicher, weil vorangegangene Studien zur Lebenszufriedenheit über Jahre hinweg kaum Veränderungen gezeigt haben (Heinz et al., 2020). Die niedrige Lebenszufriedenheit hat sich 2021 auf einem ähnlich hohen Niveau stabilisiert (siehe Abbildung.). Eine weitere Verschlechterung oder ein Erholungseffekt ist im Verlauf der Pandemie demnach nicht eingetreten. Die Pandemie hat jedoch zu einer Verschlechterung der Lebenszufriedenheit bei Jugendlichen geführt, die möglicherweise länger Bestand haben wird. Internationale Studien und Rückmeldungen aus der Praxis deuten darüber hinaus darauf hin, dass die Pandemie bei einem Teil der Jugendlichen zu einer Zunahme von Gefühlen wie Angst oder Depression geführt hat und negative Auswirkungen auf ihre mentale Gesundheit hatte (Samji et al., 2022).
Auswirkungen der Pandemie auf verschiedene Lebensbereiche – vor allem negative aber auch positive Auswirkungen
Wie bewerten Jugendliche die Auswirkungen der Pandemie auf ihr Leben? 2021 wurden die Jugendlichen zu den Auswirkungen der Pandemie auf verschiedene Lebensbereiche befragt. Dabei überwiegen die negativen Einschätzungen meist (siehe Abbildung).
So bewertet ein großer Teil der Jugendlichen die Auswirkungen auf die mentale Gesundheit (44 %) und ihr gesamtes Leben (42 %) als negativ. In einzelnen Bereichen sieht ein Teil der Jugendlichen eher positive Auswirkungen. Diese betreffen vor allem die Beziehungen zu der Familie und das Zusammenleben im Haushalt. In Interviews werden beispielsweise die gemeinsame Zeit mit den Eltern und den Geschwistern sowie das hohe Maß an Unterstützung durch die Eltern als positive Aspekte hervorgehoben. Während negative Auswirkungen dominieren, sehen Jugendliche also durchaus auch positive Auswirkungen der Pandemie.
Die Pandemie trifft Jugendliche in unterschiedlichem Ausmaß
Die Ergebnisse unserer Studien machen deutlich, dass Jugendliche je nach Alter, Geschlecht und sozioökonomischem Status die Pandemie als unterschiedlich belastend wahrnehmen und Auswirkungen in unterschiedlichem Maß erleben. So steigt der Anteil der Jugendlichen mit niedriger Lebenszufriedenheit zwischen 2019 und 2020 stärker für junge Frauen an (von 19 auf 33 %) als für junge Männer (von 24 auf 30 %). Ebenso berichten jüngere Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahren besser mit der pandemischen Situation zurecht zu kommen als ältere Jugendliche über 18 Jahren.
Als zentrales differenzierendes Merkmal erweist sich die soziale Herkunft und die finanzielle Ausstattung der Jugendlichen und ihrer Familien. Je niedriger der sozioökonomische Status, desto eher bewerten Jugendliche die pandemische Situation als belastend und desto stärker hat ihre Lebenszufriedenheit in der Pandemie abgenommen. Bei Jugendlichen mit einem höheren sozioökonomischen Status ist die wahrgenommene Belastung geringer und auch der Rückgang der Lebenszufriedenheit geringer. Wir beobachten so nicht nur eine Fortschreibung sozialer Ungleichheiten, sondern eine Verstärkung. Jugendliche, die bereits vor der Pandemie benachteiligt waren, erfahren stärkere Ressourcenverluste während bereits vor der Pandemie bessergestellte Jugendliche von ausgeprägteren Zugewinnen berichten.
Zukunftsperspektiven und Sorgen der Jugendlichen
Die Pandemie dauert nun seit mehr als zwei Jahren an. Rund ein Drittel der Jugendlichen berichtet von negativen Auswirkungen der Pandemie auf ihre Zukunftsperspektiven. Wie blicken Jugendliche auf die Zukunft, in Bezug auf ihre persönliche Situation aber auch in Bezug auf gesellschaftliche Entwicklungen?
Fragt man die Jugendlichen, was ihnen Angst macht, so bilden schwere Krankheiten, Klimawandel und Umweltverschmutzung in 2019, 2020 und 2021 die Top Drei. Zwischen 70 und 87% der Jugendlichen geben jeweils an, dass ihnen diese Dinge Angst machen. Dahingegen sind andere Ängste deutlich weniger stark ausgeprägt. So belegen etwa Ängste in Bezug auf die Zuwanderung, Ausländerfeindlichkeit, Diebstähle oder den Verlust des Arbeitsplatzes die hinteren Ränge.
Bemerkenswert ist, dass bei Klimawandel und Umweltverschmutzung die Ängste der Jugendlichen sich nicht nur auf ihre eigene Zukunft beziehen. Auch zukünftige Generationen haben Jugendliche im Blick. So äußern sich 4 von 5 Jugendlichen beunruhigt, wenn sie an die Umweltverhältnisse, mit denen ihre Kinder und Enkelkinder wahrscheinlich leben müssen, denken.
Allerdings scheinen die Ängste um Klimawandel und Umweltverschmutzung in 2021 etwas weniger stark im Bewusstsein der Jugendlichen zu sein als noch vor zwei Jahren. Der Anteil, der Jugendlichen denen Umweltverschmutzung und Klimawandel Angst macht ist zwischen 2019 und 2021 gesunken (für Klimawandel von 83 auf 70 %). Möglicherweise hat die Covid-19-Pandemie und deren Dominanz im Lebensalltag der Jugendlichen hierzu beigetragen.
Insgesamt zeigen Jugendliche eine hohe Sensibilität in Bezug auf globale Entwicklungen und aktuelle gesellschaftliche und politische Herausforderungen. Auch Ängste bezüglich eines möglichen Krieges zeigten sich bereits vor den rezenten Ereignissen in der Ukraine: Ein Kriegsausbruch in Europa rangierte 2021 auf dem sechsten Platz der Dinge, die den Jugendlichen Angst machten und damit noch vor Ängsten um ihre persönliche Sicherheit.
Fazit
Unsere Analysen deuten darauf hin, dass der überwiegende Teil der Jugendlichen mit der Covid-19-Pandemie und den Maßnahmen bislang gut zurechtgekommen ist. Offenbar sind viele Jugendliche resilient und konnten auf hinreichend Ressourcen zurückgreifen, um die mit der Pandemie verbundenen Belastungen zu bewältigen. Dies trifft aber nicht für alle Jugendlichen gleichermaßen zu. Vor allem die soziale Herkunft erweist sich als ein entscheidender Faktor.
Die Ergebnisse müssen selbst nach zwei Jahren der Pandemie als Momentaufnahme verstanden werden. Aus der Fachpraxis der Jugendarbeit und der Jugendpsychiatrie kommen mitunter alarmierende Signale. Es wird von einer zum Teil deutlichen Zunahme mentaler Probleme bei Kindern und Jugendlichen berichtet. Die langfristigen Konsequenzen von mentalen Belastungen und Entwicklungsdefiziten zeigen sich häufig erst mit fortschreitendem Alter der Kinder und Jugendlichen und mit ihrem Eintritt ins Erwachsenenalter. Ebenso zeigen sich Folgen schulischer Probleme und erschwerter Integration in den Arbeitsmarkt oft später. Die mittel- und langfristigen Auswirkungen dieser krisenhaften Entwicklungen müssen mit geeigneten Forschungsarbeiten beobachtet werden. Nur so können wirksame Maßnahmen und Unterstützungsangebote entwickelt und negative Effekte auf die gesamte Gesellschaft eingedämmt werden.