Kino

Oszillationen

d'Lëtzebuerger Land du 15.02.2019

Regisseur Peter Farrelly, der sich in den 1990-er-Jahren mit erfolgreichen Komödien wie Dumb and dumber und There’s something about Mary einen Namen gemacht hat, präsentiert mit Green Book seine jüngste Regiearbeit.

Amerika Anfang der 1960-er-Jahre: Tony Vallelonga (Viggo Mortensen), ein aus der Arbeiterklasse stammender Italo-Amerikaner ohne Schulabschluss, ist nach der Schließung des Copacabana-Clubs, in dem er als Türsteher tätig war, auf der Suche nach einem neuen Job. Da ist er ganz schön überrascht, als er vom afroamerikanischen Jazz-Pianisten Don Shirley (Mahershala Ali) als Chauffeur für dessen anstehende Tour in die Südstaaten eingestellt wird. Die Reise entpuppt sich als gewagtes Unterfangen in einem Gebiet, in dem Rassismus und Klassenunterschiede schnell zum Problem werden…

Die Ausgangssituation erinnert an eine Inversion von Driving Miss Daisy, ein Film, der sich Rassenkonflikten in den Achtzigern annahm. Das Drehbuch ist hingegen an die realen Erlebnisse von Tony Vallelonga angelehnt und wurde von dessen Sohn mitverfasst. Das titelgebende Buch referiert auf das Negro Motorist Green Book, eine Art Reiseführer, der in den 1960-er Jahren Hotels, Restaurants und Musikclubs auflistete, zu denen Afroamerikaner Zutritt hatten.

Green Book ist ein Schauspielerfilm: Vor allem Viggo Mortensen sieht man hier nach dem sehr gelungenen Captain Fantastic wieder in Höchstform als einen äußerst direkten und nicht besonders intelligenten Vertreter der italo-amerikanischen Arbeiterklasse. Mortensen gelingt es, die Figur wunderbar abzurunden; er gibt hinter der schroffen Oberfläche des groben Proleten einen gänzlich liebenswerten Menschen, dem die Familie und die Einfachheit des Lebens wichtig sind. So aufdringlich er mit seiner Präsenz wirkt, so zurückgenommen ist das Spiel von Mahershala Ali, der hingegen das verschlossene, einsame Künstlergenie gibt. Farrellys Film bedient in der Figurenkonzeption Don Shirleys das Stereotyp des weisen, aber verschwiegenen und zurückhaltenden, ja sogar mysteriösen schwarzen Mannes, der seinen weißen Begleiter verändern wird. Dieses Bild hat sich im Hollywood-Kino gefestigt, die Figur des Ellis Boyd Redding (Morgan Freeman) in The Shawshank redemption und John Coffey (Michael Clarke Duncan) in The Green Mile kommen in den Sinn. Insofern dient die Figur des Shirley auf der reinen Handlungsebene vorrangig dazu, die Transformation des weißen Mannes zu initiieren; das Profil der Figur kann dann auch nicht ausgeprägter sein als das von Tony Vallalonga, zumal das Bild Don Shirleys primär auf den Erinnerungen des echten Vallalonga gründet und so zwangsläufig gefiltert ist.

Seine Stärke aber bezieht der Film aus der Oszillation zwischen dem ernsten dramatischen Stoff um Rassenkonflikte und den komödiantischen Aspekten des Road-Movie. In seiner Darstellung der tagtäglichen Demütigungen, denen ein Schwarzer damals ausgesetzt war, ist der Film nahezu schonungslos. Es gibt Hotels, in denen Donald nicht übernachten darf, Tageszeiten, in denen er nicht draußen sein darf, Badezimmer, die er nicht benutzen darf, und selbst zu anderen Afroamerikanern findet er keinen Anschluss. Die rassistische Gewalt liegt vor allem in der Sprache, in den vielen verletzenden Worten und nicht zuletzt in dem Wissen, dass alles durch den gesetzlichen Rahmen der Zeit legitimiert ist. Da wo manch einer diese Konfrontationen als etwas in der Vergangenheit Liegendes abtut, da fühlt sich manch anderer angesichts der steigenden Anzahl von Fällen rassistischer Diskriminierung in den vergangenen Jahren alarmiert.

Dass die Figuren durch die mitunter sehr bewegenden Erlebnisse mit großer harmonischer Geste zusammenfinden, mag gegen Ende etwas zu forciert erscheinen. Die Vertrautheit der italienisch-amerikanischen Familie löst den Konflikt und die Einsamkeit des schwarzen Künstlers auf. Der Schluss wirkt dann in seiner typischen Hollywood-Manier auch wenig überraschend und vermag beim breiten Publikum gut anzukommen. Mit Les Intouchables ist erwiesen, dass solche Buddy-Movies große Einspielergebnisse generieren können. In Zeiten, wo der Rechtspopulismus wieder stärker wird, ist das Erscheinen eines Films wie Green Book kaum verwunderlich, will der Film doch implizit vergegenwärtigen, auf welch unmenschliche Art und Weise Rassenkonflikte auch heute noch und nicht nur in Amerika ausgetragen werden. Beim Filmfestival in Toronto wurde Green Book 2018 mit dem Publikumspreis ausgezeichnet – oscarverdächtig ist der Film aufgrund seiner konsensfähigen Haltung allemal.

Marc Trappendreher
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