Steuereinnahmen 2009

Wir lassen es darauf ankommen

d'Lëtzebuerger Land du 21.01.2010

Eigentlich hätte Finanzminister Luc Frieden zufrieden sein können, als er am Freitag dem Haushalts- und Finanzausschuss des Parlaments eine DIN-A4-große Excel-Tabelle über die Situation des recettes courantes de l’État au 31 décembre 2009 vorlegte. Denn daraus geht hervor, dass der von manchen befürchtete katastrophale Rückgang der Steuereinnahmen letztes Jahr nicht stattfand.

Ende Dezember sah die Lage der Staatseinnahmen sogar besser aus als noch drei Monate zuvor. Denn zum 30. September hatte Luc Frieden dem parlamentarischen Ausschuss noch einen Einnahmen­rückgang um 5,2 Prozent gegen­über den ersten neun Monaten von 2008 vorlegen müssen. Über das ganze Jahr ist der Rückgang nun auf drei Prozent geschrumpft.

Gegenüber 2008 nahm der Staat 2009 insgesamt 271 Millionen Euro weniger Steuern ein. Doch Katastrophen liegen gemeinhin über drei Prozent. Und im Krisenjahr 2009 waren die Steuereinnahmen sogar noch eine Milliarde oder 13 Prozent höher als im Vorkrisenjahr 2007 – bei einer unbedeutenden Inflationsrate.

Sowohl die direkten Steuereinnahmen, wie auch die Zoll- und Akziseneinnahmen und die Mehrwertsteuereinnahmen lagen 2009 auf dem Niveau von 2008 und über dem von 2007. Bei den direkten Steuereinnahmen gab es lediglich einen größeren Rückgang bei der Lohnsteuer, der aber teilweise hausgemacht ist. Denn die Lohnsteuereinnahmen nahmen gegenüber dem Vorjahr um 129 Millionen oder sechs Prozent ab, weil die Regierung pünktlich zum Wahljahr noch einmal die Steuertabelle um neun Prozent angepasst hatte. Außerdem wurden im Laufe des Jahres Stellen abgebaut und weniger Leiharbeiter beschäftigt. Zudem zahlten viele Betriebe weder Dräi­zengte Mount, noch Gratifikatioun, die besonders hoch besteuert werden. Der Rückgang der Lohnsteuereinnahmen wurde aber durch Mehreinnahmen fast aller anderen direkten Steuern ausgeglichen, darunter auch der Körperschaftssteuer.

Die Staatskasse litt weniger unter der Wirtschafts- als unter der Finanzkrise. Denn dass letztes Jahr insgesamt 271 Millionen Euro weniger Steuern eingenommen wurden als 2008, ist hauptsächlich durch zwei Steuern verschuldet, die Taxe d’abonne­ment und die Droits d’enregistre­ment. Die Einnahmen dieser direkt oder indirekt von den Börsenkursen abhängigen Steuern gingen zusammen um 254 Millionen Euro zurück. Die Einnahmen aus der Taxe d’abon­nement, die auf den Investmentfonds erhoben wird, sanken innerhalb ei­nes Jahres um ein Viertel, von 616 auf 479 Millionen Euro. Die Droits d’enre­gis­tre­ment, das heißt vor allem die letztes Jahr abgeschaffte Kapitalsteuer, gingen um die Hälfte zurück und machten nur noch 106 Millionen Euro aus.

Die größten Veränderungen in der Entwicklung der Steuereinnahmen gibt es aber nicht zwischen den Einnahmen von 2009 und denjenigen der Vorjahre, sondern zwischen den tatsächlichen Einnahmen von 2009 und dem Staatshaushalt für 2009. Die Einnahmen lagen nämlich letztes Jahr eine halbe Milliarde Euro unter dem im Budget vorgesehenen Betrag. Die Mehrwertsteuereinahmen betrugen 352 Millionen Euro weniger als geplant, die Einnahmen aus der Taxe d’abonnement 171 Millionen weniger und aus den Droits d’enre­gistrement 64 Millionen weniger.

Das hat aber vor allem mit dem Haushaltsentwurf der Regierung zu tun. Der war nämlich im Herbst 2008 noch von einem Wirtschaftswachstum von drei Prozent für 2009 ausgegangen. Doch dann fand der größte Bankenkrach seit den Dreißigerjahren statt, die ganze Welt machte sich für 2009 auf eine Rezession und Luxemburg auf einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um drei oder vier Prozent gefasst.

Deshalb hatte der Rechnungshof gewarnt, dass der Haushaltsentwurf für 2009 auf „Annahmen beruht, die von der wirtschaftlichen Realität Lüge gestraft werden und deshalb angepasst werden“ müssten. Denn die Regierung habe bei den indirekten Steuern der Finanzkrise nicht Rechnung getragen, ein 12-prozentiger Anstieg der Mehrwertsteuereinnahmen sei schwer nachvollziehbar, wenn der Privatkonsum rückläufig sein könnte und der Tanktourismus zurückgehen dürfte.

Der Rechnungshof sollte Recht behalten. Auch mit seiner Warnung, dass die geplante Einnahmenerhöhung aus der Taxe d’abonnement ab Januar 2009 ein Wachstum der Fondseinlagen um 15 Prozent voraussetze, was angesichts der Finanzkrise illusorisch sei. Die Zentralbank hatte sich Einnahmen aus dieser Taxe von 360 bis 510 Millionen Euro erwartet, gegenüber 650 Millionen, die der Haushaltsentwurf vorsieht. Auch sie sollte Recht behalten.

Doch im November 2008, als die Rufe nach einem korrigierten Haushaltsentwurf oder einem Nachtragshaushalt immer lauter wurden, kündigte Premier- und Finanzminis­ter Jean-Claude Juncker trotzig an: „Wir lassen es darauf ankommen. Wir ändern den Haushaltsentwurf nicht.“ Vergessen waren die christlich-sozia­len Versprechen vom „sicheren Weg“, der „ruhigen Hand“, mit der Finanzpolitik betrieben und die Staatsgelder wie von einem „vorsichtigen Familienvater“ gehütet werden sollten.

Aber sechs Monate vor den Wahlen wollte die geballte Finanzkompetenz der CSV wohl keinen Irrtum ein­gestehen. Nachdem Haushaltsminister Luc Frieden sich noch einmal gewundert hatte, dass ihm sonst immer vorgeworfen werde, die Steuereinnahmen zu unterschätzen, stimm­te die CSV/LSAP-Mehrheit Mitte Dezember sehenden Auges einen Staatshaushalt, der von der Wirklichkeit längst überholt war. Premier Juncker sollte diese Unbelehr-barkeit anschließend als „antizyklische Politik“ beschönigen. Doch antizyklische Politik wird vielleicht mittels Anleihen oder Rücklagen betrieben. Aber auf keinen Fall mit bewusst falschen Schätzungen der Steuereinnahmen.

Romain Hilgert
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