Die Entwicklungspsychologin: Pascale Engel de Abreu

A wie Avó

d'Lëtzebuerger Land du 10.04.2015

Was geschieht im Gehirn, wenn Kinder eine oder mehrere Sprachen lernen? Wie können Erwachsene kognitive Prozesse am besten unterstützen? Dazu forscht Entwicklungspsychologin Pascale Engel de Abreu vom Forschungsinstitut Multilingualism (MLing) in der Forschungseinheit ECCS seit mehreren Jahren.

Bei ihrem gerade bewilligten Forschungsprojekt geht es um Mehrsprachigkeit: multilinguales Lernpotenzial fördern, lautet der inoffizielle Arbeitstitel. Hier stehen Vorschulkinder, die daheim Portugiesisch sprechen und Sprachschwierigkeiten haben, und ihre Leistungen im Lesen im Fokus. Dafür wird eine Gruppe von zufällig gewählten Kindern gezielt in ihrer Erstsprache unterstützt. Eine andere Gruppe wird im Rechnen gefördert. Ziel ist es, herauszufinden, welche Bedeutung gute Sprachkenntnisse in der Muttersprache für das Lesen in einer Fremdsprache haben. Dafür wird eine Gruppe von zufällig gewählten Kindern gezielt in ihrer Erstsprache unterstützt. Eine andere Gruppe wird im Lesen gefördert. Ziel ist es, herauszufinden, welche Bedeutung gute Sprachkenntnisse für das Lesen haben.

„Wir wissen bereits, dass Kinder, deren Erstsprache gefestigt ist, Vorteile im Lesen haben“, erklärt Engel de Abreu. Für die Studie sollen Vorschulkinder in ihrer Herkunftssprache Portugiesisch gefördert werden, dabei werden die Anschlusssprachen in der Grundschule, Deutsch und Französisch, berücksichtigt. Das heißt, die Sprachförderung setzt gezielt bei den Gemeinsamkeiten der Sprachen an, wie etwa die Laute „a“ oder „o“, die es sowohl im Portugiesischen, als auch im Luxemburgischen und Deutschen gibt. „Die Überlegung ist, dass das Wissen um bestimmte Laute in der Erstsprache den Kindern beim Zugang zum Deutschen hilft“, erklärt Engel de Abreu. Luxemburgische Kinder lernen Lesen in der Regel auf Deutsch. Studien zeigen, dass Kinder, die ein gewisses Maß an phonologischem Bewusstsein haben, Vorteile beim Lesen haben. Phonologische Bewusstheit ist notwendig, um das alphabetische Prinzip zu verstehen, also zu wissen, dass Buchstaben Laute abbilden, respektive welche Buchstaben für welche Laute stehen.

„Die Untersuchung wird die erste randomisiert-kontrollierte Interventionsstudie im Bereich Bildung in Luxemburg sein“, freut sich Engel de Abreu. Eine derartig aufwändige Studienanlage wird in der Regel in der Medizin verwendet; sie gilt als die beste Methode, um wissenschaftlich eindeutige Aussagen zu bekommen und Kausalitäten zu bestimmen. „Die Studie soll Aufschluss darüber geben, ob und wie sich Sprachförderprogramme auf die Lesekompetenzen der Kinder auswirken. Daraus könnten sich Empfehlungen für den mehrsprachigen Unterricht ableiten lassen“, hofft die Psychologin. Rund 70 Prozent der Kinder, die zuhause kein Luxemburgisch sprechen, weisen in der Grundschule Leistungsdefizite im Lesen auf. Leistungstests an Grundschulen belegen überdies, dass 45 Prozent aller Kinder schon im dritten Schuljahr Schwierigkeiten beim Lesen haben. „Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie dann auch Schwierigkeiten in anderen Fächern bekommen“, warnt Engel de Abreu.

Ihr besonderes Interesse gilt Kindern mit Sprachstörungen, wie Dysphasie oder Dyslexie. In Luxemburg gibt es keine geeigneten diagnostischen Instrumente, um die Entwicklungsstörung zu erfassen. „Die Tests sind auf Deutsch. Für mehrsprachige Kinder ist das ein Problem, da nicht klar ist, ob ein schlechtes Abschneiden tatsächlich auf eine Störung zurückzuführen ist, oder ob es daran liegt, dass das Kind die Testfragen nicht versteht“, bedauert Engel de Abreu. Das habe Konsequenzen für mögliche Hilfestellungen.

Die Forscherin hatte kürzlich Drittmittel für ein Projekt beantragt, für das Tests in der jeweiligen Erstsprache der Kinder entwickelt werden sollten. Es wurde vom Forschungsfunds abgelehnt. Grund dafür seien die Kriterien, nach denen Forschungsanträge bewertet würden, sagt Engel de Arbeu enttäuscht. Beantragt ein Forscher Geld beim Forschungsfunds, prüfen zunächst anerkannte Wissenschaftler den Antrag. Bewertet werden Aspekte wie Wissenschaftlichkeit, Relevanz, internationaler Impakt oder die Neuheit eines Forschungsprojekts. Ein Projekt, das Diagnostiktests nach wissenschaftlichen Standards für den luxemburgischen Kontext entwickeln will, ist da im Nachteil. „Die Tauglichkeit der Methode ist wissenschaftlich belegt, es ist daher schwierig, mit der Neuheit zu argumentieren“, beschreibt Engel de Abreu das Problem. beschreibt Engel de Abreu das Problem. Sogar der internationale Impakt überzeugt bei der Entwicklung diagnostischer Tests in Französisch, Deutsch oder Portugiesisch nicht jeden: Manche Prüfer, die nicht selten im anglophonen Ausland sitzen, erkennen die Bedeutung nicht sofort, obwohl Portugiesisch und Französisch Weltsprachen sind, die von Hunderten von Millionen Menschen weltweit gesprochen werden.

Ines Kurschat
© 2024 d’Lëtzebuerger Land