Reform der Abtreibungsregeln

Gewissensfrage

d'Lëtzebuerger Land du 21.01.2010

Abtreibung sei „kein Mittel zur Familienplanung“, und „wir sind im Strafrecht und wir bleiben im Strafrecht.“ Deutlicher hätte die Absage von François Biltgen am Mittwoch im Parlament nicht ausfallen können. Eine völlige Depenalisierung der Abtreibung wird es mit der CSV nicht geben, machte der christlich-soziale Justizminister in einer von den Grünen angeregten Fragestunde klar und fegte alle Hoffnungen hinweg, die bevorstehende Debatte um den Schwangerschaftsabbruch könnte ohne moralisch erhobenen Zeigefinger verlaufen.

Im Entwurf des Justizministers zur Reform des Gesetzes von 1978 ist von Selbstbestimmung die Rede, und tatsächlich können Frauen, die aus sozialer Not abtreiben wollen, dieses in Zukunft auch hierzulande in den ersten zwölf Wochen straffrei tun. Sofern sie sich – und das ist der große Haken – einer Beratung unterziehen und sie anschließend einen Arzt finden, der bereit ist, die Abtreibung vorzunehmen. Bisher waren Abtreibungen in Luxemburg legal nur möglich im Falle einer Vergewaltigung oder wenn die Schwangerschaft Gesundheit und Leben von Kind oder Frau ­bedroht.

Die geplante Zwangsberatung ist aber nicht, wie man bei Schlagwörtern wie „Selbstbestimmung“ und „Respekt vor der freien Wahl“ erwarten müsste und wie in einem früheren Gesetzesvorschlag von der LSAP-Abgeordneten Lydie Err vorgeschlagen, freiwillig, sondern wird den Frauen verpflichtend vorgeschrieben. Wer abtreiben will, muss zuvor den schriftlichen Nachweis erbringen, dass sie sich in einem vom Staat anerkannten Zentrum „ihrer Wahl“ hat beraten lassen. Die Beratung soll „ergebnisoffen“ erfolgen, aber es war wohl kein Versprecher, wenn Biltgen betonte, es müsse dem Staat stets ­darum gehen, eine Abtreibung zu verhindern. Eine Geheimhaltungspflicht oder Schutzbestimmungen vor Pfuscher-Abtreibungen sind im Entwurf nicht vorgesehen. Die Beratungspflicht verkürzt zudem den ohnehin knappen Zeitraum für einen Eingriff.

Was die CSV und ihr sozialistischer Koalitionspartner als Fortschritt verkaufen wollen, ist es für die betroffenen Frauen also nur zum Teil: Luxemburg vollzieht mit der Reform endlich eine Entwicklung, die in den Nachbarländern längst Status quo ist. Die Franzosen haben den Schwangerschaftsabbruch 1975 depenalisiert, Belgien erlaubt die Abtreibung in sozialen Notfällen seit 1990. In Deutschland ist die erweiterte Fristenlösung mit Zwangsberatung seit 1994 Gesetz, allerdings begleitet von großen Protesten. Frauen sollten nicht nur unter Schmerzen gebären, sondern sich unter schlechtem Gewissen und mit Schuldgefühlen zu einer Abtreibung durchringen, empörten sich Menschenrechtler damals.

Wie sehr gerade konservative Christen die vermeintliche Gewissensfrage zur Schuldfrage für Frauen uminterpretieren, bewies nicht zuletzt die sogar in Kirchenkreisen kritisierte Intervention von Papst Johannes Paul II., der 1998 katholische Beratungsdienste in Deutschland anwies, die Ausgabe der für einen legalen Abbruch notwendigen Scheine zu verweigern. Erzkonservative (männliche) Kleriker gingen sogar soweit, den Schein als „Lizenz zum Töten“ zu diffamieren. Die Antwort auf den enormen moralischen Druck war in Deutschland dieselbe wie in anderen Ländern: Die Zahl der heimlichen und der Auslandsabtreibungen stieg wieder an.

Wie verbohrt und kleinlich die CSV das Thema anpackt, zeigt sich übrigens auch noch an einem anderen Punkt: Nachdem luxemburgische Frauen jahrelang nach Holland, Frankreich oder Deutschland gefahren sind, um die dortigen Infrastrukturen zur Abtreibung zu nutzen, will das Justizministerium einen „tourisme sanitaire“ in die andere Richtung unbedingt verhindern: Anspruch auf Hilfe hat nur, wer bereits drei Monate fest im Land lebt.

Ines Kurschat
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