Leitartikel

Riskante Parallelverarbeitung

d'Lëtzebuerger Land du 16.06.2017

Ein Superminister gibt nicht auf. François Bausch (Déi Gréng) ist nicht nur Superminister, weil er für Landesplanung, Transport und öffentliche Bauten zuständig ist. Er steckt auch zwölf formelle Einwände und sechs angedrohte formelle Einwände weg, die der Staatsrat am Dienstag zum neuen Landesplanungsgesetz gemacht hat. Sie seien „gar nicht überraschend“, ließ er am Tag danach schreiben, während er noch mit dem Premier in China war. Der Gesetzentwurf sollte „die verfassungsrechtlichen Grenzen ausloten“. Rührt die Landesplanung doch über Auflagen, Vorkaufsrechte und Enteignungen im öffentlichen Interesse an den in der Verfassung festgeschriebenen Schutz des Privateigentums. Noch vor Ende des Monats will François Bausch die Gespräche mit dem parlamentarischen Nachhaltigkeitsausschuss über den Gesetzentwurf beginnen. Bis zum Ende der Legislaturperiode soll er verabschiedet sein.

Man kann dem Superminister nur wünschen, dass er sich nicht nur selber Mut macht. Schon nachdem die Regierung Ende 2014 die vier sektoriellen Pläne für Transportwege, Wohnungsbau, schützenswerte Landschaften und Gewerbegebiete zurückzog, weil die legale Basis im damaligen Landesplanungsgesetz zu dünn erschien, wollte François Bausch das bereits vorher geahnt, die Planentwürfe aber publik gemacht haben, um sie endlich einem Praxistest zu unterziehen. Daran ist nichts anstößig: Die Landesplanung ist jung. Es ist nicht gesagt, ob sie je funktionieren wird. Doch angesichts des demografischen und ökonomischen Booms im kleinen Land führt kein vernünftiger Weg daran vorbei, das Wachstum „managen“ zu wollen.

Ob das gelingt, hängt nicht wenig davon ab, wie es weitergeht mit dem so kritisierten Gesetzentwurf. Gedacht ist die Landesplanung ungefähr so: Ein strategisches Programme directeur legt Leitlinien fest. Es wird vom Regierungsrat angenommen, vom Parlament gutgeheißen, hat danach zwar vor allem politischen Wert, aber auch einen gewissen juristischen – vor dem Verwaltungsgericht wird sich auf das Programm berufen. Konkretisieren sollen, was darin steht, vor allem sektorielle Pläne des Staates zum einen, die Flächennutzungspläne (PAG) der Gemeinden zum anderen.

Unter dem sich selbst gesetzten Druck, Ergebnisse zu liefern, betreibt die Regierung aber seit dem Rückzug der sektoriellen Pläne eine kühne Parallelverarbeitung: Die vier Pläne wurden leicht überarbeitet, sind fertig und könnten demnächst wieder in die öffentliche Prozedur gehen. Dass das Landesplanungsgesetz schon vergangenes Jahr in einem kritischen Punkt abgeändert wurde, soll dafür sorgen, dass das nicht gleich juristisch angefochten werden kann. Doch die strategische Basis der vier Pläne datiert noch immer von 2003. Deshalb lässt die Regierung das Programme directeur parallel überarbeiten. Das dauert. Vor zwei Jahren wollte François Bausch damit Ende 2015 fertig sein, vor einem Jahr Ende 2016. Nun wird gehofft, nach den Sommerferien beginnen zu können, den Programmentwurf neu zu schreiben. Er soll auch eine Bürgerbeteiligung zum „1,1-Millionen-Einwohnerstaat“ berücksichtigen.

Ginge es nur um das Verhältnis von großer Strategie und den vier Plänen, könnte man sie vermutlich durch Gespräche aufeinander abstimmen. Was Bauschs Beamte mit den Gemeinden auch versuchen. Doch um die sektoriellen Pläne juristisch abzusichern, sollen unter anderem „Vorschriften“, an die die Gemeinden sich halten müssen, in die Planentwürfe selber geschrieben, „Empfehlungen“ dagegen im Programme directeur untergebracht werden. So steht es im Gesetzentwurf. Der Staatsrat lehnt das ab: Auch Empfehlungen seien juristisch relevant. Damit besteht die Gefahr, dass der ganze Ansatz, in der Landesplanung durch unorthodoxe Parallelverarbeitung ein Stück weiter zu kommen, in einem wichtigen Punkt ins Wanken gerät. Dann könnte erst die nächste Regierung alles Weitere veranlassen. Wobei die Erfahrung aber lehrt, dass Superminister dabei nicht glücklicher agieren, wenn sie der CSV angehören.

Peter Feist
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